Enzia
Hallo, ich bin aktuell wegen meiner Angststörung in Therapie und es läuft soweit auch sehr gut - aber mein Mann verhält sich zunehmend unfair. Auf der einen Seite will er wissen wie es bei der Therapie war, wenn ich's ihm dann erzähle tut er es irgendwie als lächerlich ab, weil er sowas nicht nachvollziehen kann und scheinbar auch nicht will. Außerdem provoziert er mich in letzter Zeit regelrecht, er weiß genau dass mich manche Sachen einfach triggern, ich versuche mich dann drauf zu konzentrieren, dass ich meine Angst im Griff habe und nicht wieder die Panik überhand nimmt, anstatt mich dann in Ruhe zu lassen kommt nur "meine Güte was ziehst du schon wieder für ein Gesicht, ich kann das nicht mehr ertragen" und dann eskaliert es und meistens bekommt es unser 4 jähriger Sohn leider mit. Ich habe meinen Mann versucht ausführlich zu erklären, was in mir vorgeht wenn die Angst kommt und was ich laut Therapeutin tun soll wenn die Angst kommt. Interessiert ihn nicht, ich soll mich deswegen nicht ständig als Opfer hinstellen, das entschuldigt nicht dass ich ständig so ein "Scheiß Gesicht" ziehe. Stattdessen bekomme ich nur mehr Vorwürfe seinerseits, dass das für mich anstrengend ist und ich sehr dran arbeite meine Ängste los zu werden interessiert nicht. Ich habe sehr Angst, weil mein Sohn das alles mirbekommt, ich will dass er in einem stabilen, schönen Umfeld groß wird, deswegen mache ich auch eine Therapie. Aber ich stehe alleine da, bin echt verzweifelt und möchte nicht dass mein Sohn Schaden nimmt. Woher weiß ich ob er schon zu viel mitbekommen hat?
Hallo Enzia, wir bewundern deinen Mut, hier offen über deine Situation zu sprechen. Dass du eine Therapie machst, zeigt enorme Stärke! Du nimmst deine psychische Gesundheit ernst und gehst aktiv Schritte, um dein Leben zu verbessern. Das ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Selbstfürsorge und Verantwortungsbewusstsein. Was du gerade erlebst, ist nicht in Ordnung. Dein Mann untergräbt systematisch deine Bemühungen um Heilung, indem er deine Erkrankung lächerlich macht und deine emotionalen Reaktionen abwertet. Dass er dir unterstellt, du würdest dich als Opfer darstellen, ist sehr unfair und spricht dir deine Lebensrealität ab. Angststörungen sind medizinisch anerkannte Erkrankungen. Niemand hat das Recht, deine Realität abzusprechen oder dich dafür zu beschämen, dass du "ein Gesicht ziehst", während du mit Panik kämpfst. Das Verhalten deines Mannes klingt für uns grenzüberschreitend. So wie er mit dir spricht, verhält er sich nicht respektvoll. Zu deinem Sohn: Ja, Kinder nehmen sehr viel wahr – durch geschlossene Türen, durch Stimmungen, durch nonverbale Signale. Studien zu häuslicher (psychischer/emotionaler) Gewalt zeigen: Kinder spüren gewaltvolle Dynamiken. Aber es ist nie zu spät, gegenzusteuern. Ob dein Kind von den Streitigkeiten und Abwertungen etwas mitbekommt, können wir dir leider nicht mit Sicherheit beantworten. Entscheidend ist nicht, ob es mal Konflikte gibt, sondern wie sie gelöst werden und ob Verantwortung für grenzüberschreitendes Verhalten übernommen wird. Denn Streiten ist grundsätzlich nichts Schlimmes. Gehen wir danach einen Schritt aufeinander zu und besprechen es wohlwollend, kann es auch einen guten Effekt auf Kinder haben. Kinder lernen dadurch, dass Konflikte zum Leben gehören und konstruktiv gelöst werden können. Wenn dein Sohn jedoch erlebt, dass Gefühle abgewertet, eine Person herabgesetzt wird und Probleme durch Angriffe statt Dialog "gelöst" werden, lernt er: So behandelt man Menschen, die man liebt. Er lernt, dass Männer Frauen abwerten dürfen. Dass Emotionen und Selbstfürsorge in Form einer therapeutischen Auseinandersetzung Schwäche sind. Konkrete Schritte, die du jetzt gehen kannst: Sprich mit deiner Therapeutin über das Verhalten deines Mannes. Sie kann dir helfen einzuordnen, ob sein Verhalten in Richtung emotionaler Gewalt geht. Wenn du die Einschätzung einer Beratungsstelle vorziehst, kannst du dich auch hier nach einem passenden Angebot in deiner Umgebung umschauen: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/hilfe-vor-ort.html. Die Mitarbeiterinnen dort kennen sich sehr gut mit Paardynamiken aus und können dir spezifische Tipps geben, wie du in oben beschriebenen Situationen am besten reagieren kannst. Du hast oben beschrieben, dass Situationen bei euch “eskalieren”. Grenzüberschreitende Verhaltensmuster in Beziehungen hören in der Regel nicht einfach auf, sondern steigern sich. Wenn es bereits zu Situationen kam, in denen du dich unsicher gefühlt hast, wende dich bitte unbedingt an eine der oben genannten Beratungsstellen. Es ist dann wichtig, gemeinsam zu überlegen, was du tun kannst, um dich und deinen Sohn zu schützen. Falls es sich für dich sicher anfühlt und dein Mann dazu bereit ist, zu einer Therapiesitzung mitzukommen, kann auch dies eine gute Möglichkeit sein, um ihn mehr mitzunehmen, wie es dir mit deiner Angststörung geht. Angststörungen sind nach außen unsichtbar und manchmal für außenstehende Personen schwer nachzuvollziehen. Hinzu kommt, dass psychische Probleme oftmals als “Frauenprobleme” abgewertet werden, als aufmerksamkeitsheischend dargestellt werden und als übertrieben abgetan werden. Dabei zeigen Frauen deutlich mehr Mut gegenüber psychischen Herausforderungen. Sie nehmen öfter Therapien wahr und trauen sich, sich nach außen vulnerabel zu zeigen und Unsicherheiten zuzugeben. Manchmal braucht es eine Fachperson, die erklärt, dass Angststörungen real sind und das Verhalten deines Mannes dabei kontraproduktiv ist. Für viele Personen mit psychischen Erkrankungen ist es herausfordernd, diese mit ihrem Umfeld zu besprechen und die notwendige Empathie und Unterstützung zu bekommen. Vielleicht ist es hilfreich mit anderen Personen, die eine Angststörung haben, darüber zu sprechen, wie du in deiner Partnerschaft deine Grenzen wahren und ernster genommen werden kannst. Bei der Deutschen Angsthilfe gibt es beispielsweise die Möglichkeit mit Peers zu telefonieren oder Mails zu schreiben: https://www.angstselbsthilfe.de/angebote/peer-beratung/. Es ist unterstützend, wenn du dich Freund*innen, Familie oder anderen Vertrauenspersonen anvertraust. So hast du Menschen um dich herum, die dich stärken und nicht runterziehen. Sie können dir auch helfen, wenn du stark verunsichert bist, damit du nicht aus den Augen verlierst, was du gerade brauchst. Wertvoll ist, wenn du deinem Sohn vorlebst, dass du für deine Grenzen einstehst, ihm zeigst, dass Gefühle wichtig und richtig sind, und ein Umfeld schaffst, in dem Respekt keine Verhandlungssache ist. Es hat sich gezeigt, dass es für Kinder wichtig ist, eigene Ansprechpersonen zu haben, wenn es zu vielen Streitigkeiten zwischen den Eltern kommt. Das kann beispielsweise eine Vertrauensperson aus der Schule oder dem sozialen Umfeld sein. Über den Krisenchat können Kinder auch mit ausgebildeten Personen schreiben, die sich zu dem Thema auskennen: https://www.krisenchat.de/ In einer Partnerschaft muss Raum für alle Bedürfnisse sein. Auch wenn dein Mann deine Ängste nicht nachempfinden kann, hat er die Verantwortung anzuerkennen, was du durchlebst. Wenn es dir nicht gut geht, ist Zuhören und Unterstützung das Minimum, nicht Abwertung und Provokation. Wir wünschen dir viel Kraft für die anstehenden Gespräche und für deine Heilungsreise. Du machst das gut und gehst sehr verantwortungsvoll damit um. Bleib aber nicht allein damit. Du hast Unterstützung verdient, um dich besser schützen zu können! Liebe Grüße Leonie und Xenia
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