Der Thread wurde geschlossen.
Banini
Hallo Fr. Traub, mein Partner hat sich nach zehnjähriger Beziehung von mir getrennt und mich aus seinem Haus geschmissen. Die Beziehung war aufgrund seiner Aggressionen noch nie leicht; mit der Geburt unserer 2-jährigen Tochter wurde es extrem schlimm. Er hat mich täglich nur noch beschimpft, beleidigt und kritisiert, häufig vor anderen, sowie mir gedroht. Um unser Kind hat er sich überhaupt nicht gekümmert; er hat selbst aber eine ganz andere Wahrnehmung. Sowieso verdreht er in fast allen Bereichen dermaßen die Tatsachen, sodass ich manchmal an meiner Wahrnehmung zweifle. Alle in meinem Umfeld sehen es jedoch wie ich, rieten mir zur Trennung und sind auch jetzt der Meinung, ich solle froh sein, ihn los zu sein. Mein Problem ist, dass ich mich aber nie freiwillig getrennt hätte und mir es jetzt auch nicht besser, sondern eher schlechter geht. Ich kann mich nicht lösen und trauere den schönen Momenten nach, auch wenn es zuletzt wenige waren. Ich habe das Gefühl, niemand versteht das. Aus der Hoffnung heraus, dass er die Trennung rückgängig macht bzw. aus Angst vor den Folgen habe ich z.B. auch immer noch nicht meine Sachen aus dem Haus geholt / Unterhalt verlangt, obwohl die Trennung ein halbes Jahr her ist. Ihn zu verteufeln, hilft mir irgendwie nicht weiter. Zudem droht er mir immer wieder, mir das Kind zu entziehen / meine Sachen wegzuschmeißen etc. Ich bin verzweifelt. Vielen Dank!
Hallo Banini, vielen Dank für deine Nachricht und dass du deine Situation teilst. Deine Verzweiflung und Unsicherheit sind sehr nachvollziehbar. Du beschreibst eine Beziehung, in der es zu vielen schwierigen Situationen gekommen ist. Du benennst klar, dass es zu Grenzüberschreitungen kam und du in der Beziehung allein verantwortlich für eure gemeinsame Tochter warst. Zudem beschreibst du, dass dein Ex-Partner versuchte, dich zu manipulieren und deine Wahrnehmung zu verdrehen. Du hast in den letzten Jahren viel aushalten müssen und zeigst dennoch Stärke und Klarheit! In vielen Beziehungen, in denen wie von dir beschriebene Dynamiken vorkommen, übt eine Person Macht und Kontrolle aus. Diese Kontrollausübung ist häufig systematisch. Das bedeutet, dass die Herabwürdigungen, Beleidigungen und Drohungen als eine Strategie genutzt werden, um eine Person abzuwerten und eine Beziehung auf Augenhöhe so kaum noch möglich ist. Nicht unüblich ist, dass die Person, gegen die sich die Aggressionen richten, sich handlungsunfähig fühlen und eine Abhängigkeit besteht. Das kann bedeuten, dass man in so einer Situation keine Entscheidung treffen oder sich nicht aus einer Beziehung lösen kann. Deine Hin- und Hergerissenheit kann also auch direkt mit der Dynamik deiner beendeten Beziehung zusammenhängen. In Beziehungen, in denen Macht und Kontrolle ausgeübt wird, gibt es auch fast immer schöne Phasen, Versöhnungsmomente und die Hoffnung auf Besserung. Dadurch entstehen oftmals neben den Zweifeln auch der Wunsch, die Beziehung zu erhalten. Es ist also normal, dass du ambivalente Gefühle zu der Beziehung hast. Beides kann gleichzeitig da sein! Es ist schön zu lesen, dass du ein Umfeld hast, dass sich um dich sorgt und dich in Zeiten der Trennung unterstützen möchte. Noch immer besteht in der Gesellschaft die Idee, dass Personen sich einfach in schwierigen Beziehungen trennen sollen und froh sein können, die Person los zu sein. Aus der Beratungsarbeit und aus Studien ist aber inzwischen auch bekannt, dass eine Trennung aus einer belastenden Beziehung fast allen Personen sehr schwerfällt. Gründe dafür können die Angst vorm Alleinsein, gemeinsame Sorgepflichten, schöne Erinnerungen oder durch gemeinsame Lebensführung entstandene Abhängigkeiten sein. Nach zehn gemeinsamen Jahren ist es verständlich, dass trotz allem, was zwischen euch passiert ist, das Loslassen nicht einfach ist. Das braucht seine Zeit und ist ein Prozess, der nicht immer linear verläuft, sondern auch immer wieder Einbrüche zeigen kann. Endgültige Schritte, wie das Abholen der Sachen, können schmerzhaft sein und nochmal vor Augen führen, dass damit die Beziehung vorbei ist. Dieser Schmerz ist nachvollziehbar, und dennoch ein wichtiger Schritt für dich und deine Tochter in ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben. Studien zeigen, dass Personen, die in Beziehungen manipulieren und unter Druck setzen, diese Verhaltensweisen häufig nach der Trennung fortsetzen und sich die Situation weiterzuspitzen kann. Bitte pass gut auf dich auf und bleibe nicht allein mit der Situation. Sollte ein Sorgerechtsverfahren auf dich zukommen, kann es hilfreich sein, wenn du Bedrohungen und Vorfälle dokumentierst. Es gibt bundesweit Beratungsstellen, die dich emotional und in Bezug auf Sorgerechtsfragen unterstützen können. Die Angebote sind anonym, kostenfrei und du kannst jederzeit selbst entscheiden, welchen Weg du gehen möchtest. Gerne kannst du hierzu eine Vertrauensperson mitbringen. Eine Beratungsstelle in deiner Nähe findest du hier: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/hilfe-vor-ort.html Wir wünschen dir und deiner Tochter für eure Zukunft alles Gute und viel Kraft! Leonie und Xenia