Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Machtkämpfe Essen?

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

zur Vita

Frage: Machtkämpfe Essen?

ZwillingsmamaApril2021

Beitrag melden

Guten Morgen. Ich habe Zwillinge, Jungs, 22 Monate alt. Ich versorge sie überwiegend alleine. Mein Mann arbeitet viel und wenn er da ist, bleibt dennoch viel an mir hängen. Die Ernährungssituation war schon immer schwierig. Beide hatten heftige Koliken. Niklas brauchte Neocate, Timo hat normale pre bekommen. Schon mit 4 Monaten haben sie angefangen, die Milch zu verweigern. Nach RS mit dem KA habe ich die Milch als Brei mit Hipp Reis angedickt. Mit einem halben Jahr habe ich mit Mittagsgläschen angefangen. Sie haben viel gewürgt, gespuckt. Ich habe es langsam gesteigert. Von BLW hielt ich nichts, zumal sie schon bei Brei sehr empfindlich waren. Mittlerweile essen sie morgens gegen 8.15 Uhr VK-Brot in Stückchen geschnitten mit Frischkäse und etwas Marmelade und bisschen Müsli und halt Obst. An Obst essen sie Apfel, Birne und Banane. Dazu gibt es einen Becher Milch, den trinkt Timo eigentlich immer. Niklas nicht immer. Hier ist mein Problem, dass Timo oft nur den Belag vom Brot ablutscht und das Brot nicht mitessen will. Soll ich das ignorieren oder ihm nichts geben, bis er das Brot isst? Aber meist schmeißt er es dann runter. Bei Niklas gibt es das Problem, dass er gerne mit Getränken herumspuckt. Er sammelt es dann und prustet es raus - mich macht das wahnsinnig, zumal er das auch mit Getränken dann in der Wohnung macht. Immer wieder Pfützen überall. Timo macht es aus Protest, wenn er zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Ich kann mich halt nicht teilen. Die beiden suchen sehr viel Aufmerksamkeit, weshalb ich es bisher kaum geschafft habe zu kochen, weil ich keinen Schritt ohne Kind machen kann und hier ein großes Genöle ist. Mittlerweile koche ich oft vor abends. Meist habe ich ein kleines Zeitfenster dafür, weil sie auch meist nicht gut schlafen und sich oft melden. Gegen 11.30 Uhr gibt es Mittagessen. Das ist für mich ein Graus. Am liebsten möchte ich es ausfallen lassen. Ich muss zugeben, dass ich zunächst Gläschen gegeben habe. Dann die Menüs von Hipp in Herzform. Ich habe es nicht geschafft zu kochen. Aber Mittagessen war schon immer schwer. Ich hatte zwischendurch auch Ablenkung mit dabei von Büchern über Spielzeug bis hin zu Handyvideos (was ich nie wollte), aber selbst dann essen sie manchmal kaum und außerdem möchte ich, dass sie bewusst essen und nicht nebenbei. Ich koche mittlerweile auch. Meistens one pot Gerichte. Ich habe tolle Kochbücher von Steffi Sinzenich, die Rezepte sind einfach, gehen schnell und sind wirklich lecker. Meine Kinder probieren oft noch nicht mal. Das lässt mich verzweifeln. Sowieso essen sie wenn am liebsten Nudeln. Mit Kartoffeln oder Reis brauche ich gar nicht ankommen. Ich habe schon mehrere Bestecke ausprobiert, schönes Geschirr, wir machen immer eine Kerze an, die wir hinterher zusammen auspusten. Bringt alles nichts. Sie schmeißen auch schnell den Löffel weg, das ist natürlich auch ein Spiel, aber ich kann ja nicht sofort sagen, gut, jetzt ist das Essen beendet. Sie matschen viel, schmeißen herunter. Ich kann nach fast jedem Essen wischen. Teller gebe ich schon nicht mehr beim Frühstück oder Abendbrot, weil die einfach umgedreht werden, abgeräumt, rumgeschmissen, etc. Es steht eine Waschschüssel in der Küche. Aber essen tun sie kaum was. Eigentlich will ich dann auch nichts als Alternative geben, aber ich halte es auch nicht immer aus, dann einfach nach einer halben Stunde abzuräumen und sie haben nichts gegessen. Ich gebe extra schon keine Zwischenmahlzeit vormittags, damit sie Hunger haben mittags. Also manchmal gebe ich dann eine Alternative - trockene Nudeln oder versuche ein Hipp Menü, was auch nicht immer klappt. Dann gibt es einen Nachtisch, sie teilen sich einen griechischen Naturjoghurt mit Fruchtmus drauf. Den essen sie immer. Nachmittags gibt es eine Zwischenmahlzeit. Milchbrötchen vom Bäcker oder Quetschie oder Obst oder Hörnchen oder mal Waffeln. Das wird auch meist gegessen. Abends gibt es ggf noch einen kleinen Rest vom Mittagessen, wird oft gegessen, aber auch nicht immer. Dann gibt es Toast getoastet mit Scheibenkäse oder Frischkäse und Gurke und seit neuestem versuchen sie sich an Paprika. Mehr an Gemüse ist noch nicht drin. Oft teilen sie sich noch ein Getreidebreigläschen, weil sie das gerne essen. Als Abschluss gibt's einen Babybel. Auch hier isst Timo oft nur den Belag, die beiden schmeißen auch oft mit dem Essen und lachen sich kaputt. Ich habe schon geschimpft, habe es ignoriert - nichts hilft. Gerne wird auch gekautes ausgespuckt und damit rumgeschmiert. Ich bin an manchen Tagen echt mit den Nerven zu Fuß. Wie soll ich mich bei dem provokanten Verhalten verhalten? Wie bringe ich sie dazu, mittags was zu essen und auch mal wenigstens zu probieren? Ich bin über Ratschläge sehr dankbar.


Birgit Neumann

Birgit Neumann

Beitrag melden

Hallo ZwilingsmamaApril2021 ja, das ist eine ganze Menge an Eindrücken, die du geschildert hast. Damit ich mich jetzt nicht in zu vielen Details verliere oder ,ich zu ausführlich äußere, und dann wohlmöglich doch vollkommen an deiner eigentlichen Frage vorbeischreibe, möchte ich zunächst einmal kurz rückfragen. Was essen deine Kinder wirklich gut und gerne und meistens, täglich und verlässlich? Wie viel und welche Milch trinken deine Beiden momentan? Und sind Größe und Gewicht okay? Deine Frage hier bzw deine Hauptsorge bezieht sich im Wesentlichen auf die Situation rund um den Mittagstisch, ist das richtig? Du wünschst dir, dass deine Zwei beim Mittagessen mehr und vielfältiger essen als nur meistens oder am liebsten Nudeln. Du bist irritiert und fast schon verzweifelt, weil sie nicht gerne das essen oder zumindest probieren wollen, was du kochst. Derzeit kochst du zum Mittagessen gerne schnell zubereitete OnePot-Gerichte, die dir selbst sehr gut schmecken. Zu den anderen Mahlzeiten (Frühstück, vormittags, nachmittags, abends) essen deine Kinder durchaus ganz okay, oder? Und sie haben auf jeden Fall doch verschiedene Speisen, die sie meistens und gerne essen. Im Allgemeinen essen sie genug. Und hin und wieder probieren sie durchaus auch mal etwas Neues. Besonders gerne mögen sie weiche, süße Speisen und sie teilen sich gerne etwas, wie bspw einen Joghurt, ein Getreidebrei-Gläschen oder mal ein Hörnchen vom Bäcker. Deine Kinder, so liest es sich, essen demnach ausreichend und gerne. Sie essen nur manchmal nicht die von dir gewünschten oder erwarteten Mengen und auch nicht immer jene Angebote, die du anbietest, vor allem nicht zur Mittagszeit. Das irritiert dich. Stimmt das so in etwa? Als erste Ideen für vielleicht konkrete Veränderungvorschläge kann ich dir vielleicht trotzdem schon mal ein paar Zeilen schreiben: kennst du Essmatten? Es sind große, meist aus Silikon,flache Matten mit einem integrierten Teller. Der Teller hat wiederum verschiedene Kammern. Man kann das Essen nicht nur in den Teller und die separaten Kammern füllen, sondern kann auch Dinge ringsum verteilen, bzw deine Kindern können besser kleckern. Es ergibt sich somit auch eine größere Fläche, mit Begrenzung. Die Matten lassen sich nicht so leicht vom Tisch katapultieren und haben damit auch eine gute Formbegrenzung für das, worin Essbares angeboten wird. Viele Kinder mögen ihr Essen separat angepriesen bekommen und mögen bspw Nudeln mit Sosse lieber getrennt voneinander haben. Nudeln auf der einen Seite vom Teller und Sosse auf der anderen Seite vom Teller. Oder Nudeln in einer Kammer vom Teller und Sosse in der anderen Kammer vom Teller. Vielleicht kannst du die Zutaten von den One-Pot-Gerichten einfach separat anbieten anstatt als Durcheinander. Oder püriere das One-Pot-Gericht, so dass es als eine (in Zahlen 1) Sache aussieht. Gib deinen Kindern davon einfach einen Klecks in eine der Kammern (neben Nudeln) im Teller und lass sie selbständig eine kleine Menge davon probieren - wenn sie möchten. Es ginge dabei zunächst um eine Geschmackserfahrung als Annäherung. Dränge sie nicht, lass sie das einfach mal selbst entdecken. Mit allen Sinnen. Kinder möchten das Essen mit den Händen (be)greifen und erst einmal ausgiebig anfassen und damit "spielen", bevor sie es in den Mund nehmen. Bringe auch häufige Wiederholungen der gleichen Speisenangebote. Und kombiniere die neuen Speisen und Möglichkeiten mit solchen Speisen, die deine Kinder meistens gerne essen. Je häufiger Kinder etwas vom neuen Angebot sehen und wieder sehen und wieder erkennen, desto eher probieren sie etwas Neues. Man spricht vom sog. mere exposure effect. Biete deinen Kindern immer einen bunten Mix an Möglichkeiten zum Essen an. So können sie altbewährte Speisen mit neuen Speisenangeboten kombiniert auf ihrem Teller sehen und einfach das essen, was ihnen zusagt. Je öfter Kinder Speisen sehen, die sie essen könnten oder entdecken können, desto besser. Noch ein Vorschlag: Gib deinen Beiden mittags einfach mal den Nachtisch (Joghurt) zuerst und lass sie dann das eigentliche Mittagessen danach noch entdecken und essen. Also dann, so weit einmal, bis bald Grüße Birgit N.


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.