Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Ist das normal?

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

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Frage: Ist das normal?

Mrs.B.

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Hallo, ich habe meine Tochter bis zum 22. Monat gestillt (sie hatte sehr lange gebraucht, um richtig zu trinken und hat sich sehr oft verschluckt). Mit 6 Monaten habe ich angefangen mit Möhren Brei, wurde verweigert. Kürbis ging, aber nur so 2-4 Löffelchen. Es wurde nie mehr. Zusätzlich Kartoffel, genau das selbe. Es durfte auch nicht ansatzweise stückig sein. Ganz lange ging das so. Irgendwann blieb sie auf Spaghetti Bolognese aus dem Gläschen hängen und wollte nicht anderes mehr. Ich hatte es schon aufgegeben zu kochen, so viel landete im Müll. Jetzt ist sie 2 Jahre und 8 Monate und hat so eine begrenzte Auswahl an Lebensmitteln die sie isst. Toastbrot mit Frischkäse zum Frühstück. Nudeln, Reis ohne alles oder mit einer Kartoffel/Tomatensoße (Knoblauch/Zwiebeln etc). Fischstäbchen, Kartoffeln/Kartoffelbrei, chicken Nuggets, Pommes, Haferflocken Suppe mit Kartoffeln, Tomaten, Karotten (nur geraspelt, sonst wird’s nicht gegessen) und Zucchini auch nur geraspelt). Und an Obst isst sie Apfel, Banane, Wassermelone, Erdbeeren. Zwischendurch gerne auch Gurke oder so ein obstquetschi (nur ausgewählte). Süßkram wie fruchtzwerg, schokopudding isst sie dagegen natürlich gerne. Anderes essen verweigert sie. Sie ekelt sich regelrecht. Wenn sie unsere Wurst riecht, würgt sie. Letztens hat sie Champions Sahne Soße probiert und direkt ausgespuckt. Gaaanz selten will sie mal kosten, aber es schmeckt ihr nie. Wir haben bestimmt zu spät und zu unsicher angefangen, weil sie sich unnormal oft als kleine verschluckt hatte und der Kinderarzt das nicht ernstgenommen hat. Wir waren dann einfach froh wenn sie überhaupt was gegessen hat. Haben sie noch irgendwelche tips, langsam ist man einfach planlos und macht ja eigentlich immer nur das selbe. Dankeschön


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo Mrs.B. ich setze jetzt einmal voraus, dass organisch und motorisch bei deiner Tochter tatsächlich alles in Ordnung ist. Und du bist nicht alleine. NIcht wenige Kinder agieren ähnlich wie deine Tochter. Sie wollen am liebsten immer das gleiche Essen essen, nämlich das was sie gut kennen. Neues probieren sie nur zögerlich oder gar nicht. Ganz prima ist auf jeden Fall aber zunächst auch: deine Tochter isst. Das ist gut. Deine Tochter isst zwar nicht so wie du dir das wünschst, aber sie isst. Und sie hat eine durchaus bunt gemischte Auswahl an Speisen und wird satt. Wenn du weiterhin besorgt bist, dass irgendetwas nicht ganz i.O. sein könnte, dann solltest du dir ggf eine Zweitmeinung einholen. Ist bspw das Gebiss soweit gut entwickelt? Maßgeblich ist aber auch wie die Entwicklung insgesamt verlaufen ist und ob der Entwicklungsstand und der Wachstumsverlauf deiner Tochter vom KiA als altersentsprechend eingestuft wurde. Ich fasse jetzt einfach noch einmal zusammen: deine Tochter isst gern Obst, zwar nur einige ausgewählte Sorten, aber sie isst Obst. Deine Tochter isst Gemüse, Fleisch/Fisch und Milchprodukte und auch Getreide wie Brot oder Nudeln, Haferflockensuppe. Es sind somit alle Lebensmittelgruppen enthalten. Die Ernährung somit ausgewogen. Das ist doch auch ganz prima, oder? Deine Tochter hat bestimmte Pärferenzen und einige Abneigungen gegen bestimmte Lebensmittel. Bspw mag deine Tochter gerne süß und am liebsten immer die gleichen ihr bekannten Speisen. Darunter sind viele Kinderklassiker wie bspw ChickenNuggets, Fischstäbchen, Tomatensosse, Pommes, Pudding. Deine Tochter hatte als Baby und Kleinkind in Bezug auf die Konsistenz im Besonderen die Vorliebe für breiig und weich und "monoton". Diese Vorliebe zieht sich auch jetzt noch durch die Speisenpalette deiner Tochter, was ich jedoch lediglich anhand der von dir genannten Lebensmittel folgere. Ist das soweit richtig? Um deiner Tochter zu helfen auch andere Speisen als die ihr Vertrauten mögen zu lernen, müsstest du eine Art - bildhaft gesprochen - Schlüssel finden. Einen Schlüssel mit dem du deine Tochter dazu bringen kannst, neue Speisen zu probieren. Denn nur übers Probieren kann sie neue Speisen entdecken. Kinder lieben das was sie kennen am liebsten. Bei diesen ihnen wohlbekannten Speisen fühlen sie sich auf der sicheren Seite. Die meisten Kinder sind sich hier ähnlich. Um diese sog. Neophobie, d,h. die Furcht vor dem neuen Essen zu überwinden, brauchen viele Kinder allerdings auch im Aussen ihre Sicherheit. Manche Kinder finden diese Sicherheit durch die Anwesenheit bestimmter Personen (Mama, Papa, Oma, ...). Manche Kinder brauchen diese Sicherheit durch bestimmte räumliche Umstände (essen nur Zuhause, essen nur in der KiTa, ...). Manche Kinder brauchen diese Sicherheit durch eine Kombination aus Verschiedenem. Manche Kinder essen das, was sie kennen wiederum nur wenn es exakt genauso schmeckt und exakt so aussieht, wie sie es kennen (bei euch bspw die geraspelten Zucchini). Wo könnte ein Ansatzpunkt bei euch liegen? Wie und wo würde deine Tochter sich sicher genug fühlen, um ein kleines, neues Essabenteuer zu wagen? Wie könntest du dafür sorgen, dass sie neugierig genug wird, um etwas zu probieren? Kannst du dich an Sitautionen erinnern bei denen deine Tochter meistens neugierig genug war, um Neues zu probieren? Bspw bei der Oma? Bei einer Freundin? Im Urlaub? Deine Tochter hat auch eine starke Präferenz für die Konsistenz weich (Toastbrot mit Frischkäse) und smooth. Könnte es sein, dass sie im Mundbereich ganz besonders sensibel ist? Lies dir bitte einmal diese Antwort durch: https://www.rund-ums-baby.de/kochen-fuer-kinder/Nur-5-Lebensmittel_46269.htm Bestimmt kannst du daraus die ein oder andere Information auch für dich daraus gewinnen. Hier sind noch ein paar Fakten: Vereinfacht kann man sagen, dass ca 3/4 aller Kinder eine sog. Neophobie (eine Angst, neue Speisen zu probieren) haben, ergo sind nur ca 25% aller Kinder so neugierig, dass sie alles probieren und ggf essen, was man ihnen anbietet. Unter diesen sog. Neophobikern gibt es nochmals 3 Untergruppen: 1. Kinder sagen "nein" – aber probieren doch 2. Kinder sagen "nein - probieren und bleiben bei "nein, mag ich nicht" 3. Kinder sagen "nein" und bleiben bei "nein, mag ich nicht" - ohne überhaupt zu probieren. Wie bereits erwähnt, essen Kinder das was sie kennen und ihnen schmeckt, denn das gibt ihnen Sicherheit und Geborgenheit. Das ist einfach so. Die Neophobie wird am besten überwunden, wenn Kinder viele Gelegenheiten haben, andere essende Personen zu beobachten. Durch den vorhandenen Nachahmungsinstinkt wollen sie das gleiche essen und sie probieren kleine Mengen von den Speisen, die andere Esser "voressen". Jede Anstrengung die Kinder zum Probieren bringen zu wollen sei es verbal oder durch Fütterversuche verstärke die Neophobie sogar. Je häufiger die Speise angeboten (auf dem Tisch stehen, im Supermarkt gesehen wird, etc) und von anderen Personen gegessen wird, je selbstverständlicher die Speise ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dass probiert wird Je mehr euer Kind also in eure Tischgemeinschaft integriert ist, je selbstverständlicher das Essen ist, desto besser. Habt Spaß bei Tisch, esst leckeres Essen, gemeinsam, haltet die Atmosphäre bei Tisch gut, deckt den Tisch hübsch ein und nehmt euch Zeit. Deine Tochter sollte viele verschiedene und vielfältige Esseindrücke sammeln können - ungezwungen und auf spielerische Art. Es darf alles dabei sein - von der salzigen Olive über Naturjoghurt, über Schokolade über scharfe Kresse über ... bis hin zum Hamburger. Und probieren ist überall erlaubt, wo sich die Gelegenheit bietet. Häufig ist es gar nicht der Esstisch an dem Kinder neue Speisen kennen- und lieben lernen, sondern andernorts in unerwarteten Momenten. Eine Speise im Cafe findet häufig schneller Zuspruch, weil die ganze Atmosphäre mitwirkt: eine entspannte Mama, freundliche Menschen ringsum, der Kuchenduft in der Luft, Zeit... Kinder verknüpfen all diese Erfahrungen mit dem Lebensmittel und dem Geschmack, einschließlich seiner Wirkung. Das prägt. Es geht um einen Gesamteindruck. Dein Kind braucht dafür keine große Menge zu essen. Sinnvoller ist hierfür vielmehr, dass die Speisen, an die sich dein Kind langfristig gewöhnen soll(te), immer und immer wieder auf den Tisch kommen und in kleinen Mengen probiert werden. Für die Gewöhnung und das Kennenlernen von neuen Speisen ist die Kontinuität wichtiger als die Quantität. Habe nun ganz viel Vertrauen in deine Tochter, dass sie ihr Essensrepertoire langsam immer weiter ausbauen wird. Binde deine Tochter auch so oft es geht, in die Essensvorbereitungen mit ein. Mit fast 3 Jahren ist da scho eine Menge möglich. Lass sie die Nahrungsmittel anfassen. Ohne Probierzwang. Sie sollte die Lebensmittel bevor sie auf dem Teller landen einfach sehen und fühlen, riechen. Versuche sie mit viel Selbstverständlichkeit in das Thema Essen einzubinden. Lass sie den Tisch decken. Lass sie auf jedem Teller eine kleine Köstlichkeit platzieren. Das kann mal eine kleine Tomate sein, mal ein Streifen Möhre. Ritualisiere dieses Vorgehen bspw durch das Einführen einer Art Mini-Vorspeise in euren Essalltag. Platziere auf jedem Teller eine einzige Speise/Zutat. Warte ab, was sie damit anstellt. Wenn sie die Speise zerpflückt oder ansieht, seid ihr schon einen Schritt weiter. Kinder lieben auch klare Formen. Du kannst bspw das Gemüse für den Vorspeisenteller ausstechen, bzw deine Tochter ausstechen lassen. Auch hier hast du wieder eine zwanglose, zaghafte Annäherung erreicht. Versuche ihre Neugier zu wecken - auf eine unauffällige, indirekte Weise. Und sieh dir in diesem Posting noch diese Ideensammlung an: https://www.rund-ums-baby.de/kochen-fuer-kinder/Er-maekelt-ploetzlich_46567.htm Puh, das war jetzt eine ganze Menge. Was meinst du, war etwas dabei, das du verwerten kannst? Grüße Birgit Neumann


Mamamaike

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Hallo, ich kenne Erwachsene, die weniger Verschiedenes essen... Ich finde das für ein so junges Kind normal. Biete ihr immer wieder etwas von dem an, was Du auch gerne isst, sei somit ein gutes Vorbild. Irgendwann wird sich ihr Speiseplan garantiert erweitern. Viele Grüße


Mrs.B.

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Vielen lieben Dank. Das hilft mir in der Tat weiter!


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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ja, danke für deine Rückmeldung. Das freut mich.


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