Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Ernährung 9 monatiges Baby

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

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Frage: Ernährung 9 monatiges Baby

AbraCadaver

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Liebe Experten, mein 9-monatiger 6-zähniger Sohn ist zwar motorisch ein ziemlicher Frühstarter, aber mit der Beikost hat es sehr lange gedauert. Seit einiger Zeit gestaltet sich der Tag nun so: Nachts: ca. alle 3-4 Stunden stillen und zum Einschlafen auch oft ~ 7 Uhr aufstehen ~ 8-9 Uhr: ich biete ihm selbstgekochten Getreide-Obst-Brei (Schmelzflocken, 100g Wasser, Obst aus Gläschen oder frisches püriertes) an, aber meist isst er ihn nicht. (Gläschen hat den selben Erfolg) ~ 11 Uhr: noch ein Versuch mit dem (Rest) Getreide-Obst-Brei, meist kein Erfolg. ~12 Uhr: Fleisch/Fisch/Vegi-Kartoffel-Gemüsebrei (Mal frisch selbstgekocht, mal TK-Reste davon, mal Gläschen): Davon isst er meist ca. ein halbes Glas, mal mehr, mal weniger. ~ im Laufe des Nachmittags biete ich ihm dann noch 1-2 mal den Rest vom Mittagessen und/oder den Rest Getreide-Obst-Brei, Erfolg meist mau ~ 17.30 selbstgekochter Milch-Getreide-Obstbrei: Davon isst er 50-100% (20g Schmelzflocken, 100g Milch, 100g Wasser, Obst) Mit Gemüse-/Obststicks sind wir noch nicht weit. Ich biete diese alle 1-2 Tage mal an. Meist zermatscht er sie in der Hand oder wirft sie (absichtlich und mit Begeisterung) runter. Je weicher, desto niedriger ist die Chance, dass er sie überhaupt zum Mund führt. Dort doch mal angekommen, würgt er dann oft aber auch. Bisher probiert habe ich Birne, Apfel, Pastinake, Süßkartoffel, Möhre, Zucchini, Brokkoli. Ich kann mir vorstellen, dass es daran liegt, dass es weich ist. Denn an harten Dingen beißt er den ganzen Tag wie ein Süchtiger herum (Möbel, Karton, Spielzeug). Aber an härtere Dinge habe ich mich aufrund der Erstickungsgefahr noch nicht rangetraut und wahrscheinlich würde er dann eh wieder würgen. Wie soll ich weitermachen? Morgens mal weiches salzfreies fein vermahlenes Vollkornbrot probieren (wahrscheinlich muss ich das selbst backen)? Soll oder darf ich schon sowas füttern wie Spaghetti-Bolognese-Gläschen/Selbst püriert? Bisher habe ich alles mit Zwiebeln, Salz und Gewürzen gemieden. Was recht anstrengend ist, da er auch keine Möhre darf und die ja fast überall zu hohen Prozenten enthalten ist. Ein Grund mehr, selbst zu kochen. Gut versorgt ist er hoffentlich im Zweifelsfall durch die nächtlichen Tankvorgänge?! PS: Er ist bisher ohne Flasche und Schnuller aufgewachsen. Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen!


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo AbraCadaver ja, so ist das alles doch schon ganz prima mit der Beikost bei deinem Sohn. Dein Kind isst und wird gestillt, er gedeiht gut, hat schon viele Zähne. Er ist sehr agil und an allem interessiert. Was mich nur ein wenig irritiert an deinem Text ist, dass du einerseits Möhrenstückchen zum Entdecken anbietest und andererseits in deiner Aufzählung schreibst, dass er Möhre nicht "dürfe". Und noch eine Frage zunächst zurück an dich: Wo würdest du in eurem Plan gerne etwas ändern? Mein Rat wäre, dass du die Breie in Anzahl und Menge vielleicht deutlich reduzierst und deinem Kind stattdessen viel mehr breifreie Angebote zum selbständigen machst. Hab keine Sorge, auch wenn dein Sohn derzeit noch scheinbar häufiger dabei würgen muss. Würgen und Husten passiert, wenn der Würgereflex ausgelöst wird. Das kennst du sicher selbst von Arztbesuchen - die Sache mit dem Holzstäbchen... Bei Babys sitzt der Reflex noch sehr weit vorne, d.h. nicht so tief im Rachen wie bei uns Erwachsenen. Das ist sinnvoll, denn das verhindert ein echtes Verschlucken und ist zum Glück doch eher harmlos. Beim echten Verschlucken gerät Essen in die Luftröhre anstatt in die Speiseröhre. Das ist gefährlich, keine Frage. Das solltet ihr selbstverständlich auf jeden Fall vermeiden. Und das Schlucken von festeren Speisen muss insgesamt gut koordiniert werden, was durchaus, ja, auch mit der Reife zu tun haben kann, aber nicht muss. Das Würgen ist durchaus als normal anzusehen, wenn es ab und zu vorkommt. Wenn es noch allerdings vermehrt, häufig oder immer auftritt und auch wenn es bei dir ungute Gefühle auslöst, dann lasst es natürlich noch besser. Überprüfe auch nochmals den Sitz deines Babys. Sitzt es gut und sicher, leicht nach vorn gebeugt in seinem Stuhl? Kann er seine beide Arme und Hände gut und frei bewegen, ohne dabei im Stuhl herumzuwippen? Schau einmal, wie du deinem Baby sonst helfen kannst. Und ebenfalls wichtig wäre, dass dein Baby sich die Stückchen selbständig in den Mund gibt. Solange er dies nicht tut, kannst du noch mal ein bisschen abwarten. Manche Babys brauchen etwas länger. Der erste Kontakt mit den Fingern und den Händen gibt deinem Baby erste Signale und Informationen zur Beschaffenheit der Nahrung. Er bewertet die Speisen durch Hautkomntakt und mit Hilfe des Tastsinns. Wenn dein Baby soweit ist, dass er mit den Stückchen im Mund besser zurecht kommen wird, reif genug ist, wird er sich das Essen in den Mund geben und essen. Noch ist dein Baby aber hauptsächlich damit beschäftigt, die Konsistenz der Nahrung vorrangig noch mit den Händen zu erspüren. Er spielt. Er tastet sich heran. Er prüft. Er gewöhnt sich. Du kannst es einfach mal ausprobieren und kleine Butterbrotstückchen anbieten. Jeden Tag aufs Neue. Wenn dein Kind der Pinzettengriff beherrscht, kannst du kleine Würfelchen schneiden und hinlegen. Du kannst auch viel mehr Geschmack in die Speisen bringen. Hast du noch Fragen? Grüße Birgit Neumann


AbraCadaver

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Liebe Birgit, vielen Dank für deine Antwort! Sie war schon mal sehr hilfreich. Allgemein habe ich hier noch ein paar deiner Posts gelesen und ein paar Tipps (zB Rezepte gespeichert). Das mit der Möhre hast du sehr aufmerksam gelesen! Klang vllt echt verwirrend, aber liegt daran, dass Möhrensticks einer der ersten Stick-Versuche waren und wir Möhre und Banane erst seit Anfang des Jahres meiden (in Absprache mit dem KiA wg Obstipation, er kriegt auch Macrogol). Was ich ändern möchte: 1) Mehr Mahlzeit von der Nacht auf den Tag verlegen (in der letzten Woche haben sich die nächlichen Stillattacken noch vermehrt) 2) dass er irgendwas frühstückt (Ablehnung wahrscheinlich durch eben dieses viele nächtliche Stillen, v.a. frühmorgens) 3) Mehr Ruhe und Zufriedenheit während der Mahlzeit * In der vergangenen Woche habe ich angefangen, deine Tipps zu berücksichtigen und den (morgendlichen) GetreideObstBrei gar nicht erst mehr versucht. Stattdesssen festes probiert: Brot dünn mit Butter (davon isst er immerhin schon ein paar Krümel), gekochte Birnenstücke (davon isst er manchmal tatsächlich 1-2 Stück!), geviertelte Weintrauben (einmal in den Mund, dann raus und uninteressant) Dinkelobststangen (selibes, warten nun im TK auf Ihren Einsatz). Den Rest des Mittagsbreis habe ich als Zwischenmahlzeit noch mal versucht, mit unterschiedlichem Erfolg. Ansonsten Abendbrei wie gewohnt und zwischendurch ggf noch mal nen Stick. EInmal habe ich ein Glas ab dem 10. Monat probiert, da hat er die paar Löffel dann wieder ausgebrochen, weil er wegen der Stücken würgen musste. Damit warte ich dann also noch etwas, oder? * Diesen Aspekt habe ich im ersten Post noch nicht erwähnt. Wir haben zwar das Gefühl, dass er gut im Stuhl sitzt, aber er ist während der Mahlzeiten meist total unruhig. Außer, wenn er seine Birne isst (aber da er vom FIngerfood ansonsten nur homöopathische Mengen isst,kann ich ja nicht auf BLW umstellen). Pinzettengriff kann er gut. Er beißt immer wieder in seinen Hochstuhl/Tisch, lehnt sich dabei ganz weit zur Seite und guckt über den Rand (er beißt sonst aber auch den ganzen Tag alles an, daher fällt es mir auch schwer, zu erkennen, ob er Hunger hat). Oder er fängt nach einer Zeit an zu quengeln oder zu weinen. Es scheint uns immer so, als wäre es ihm einfach zu langweilig (ist auch beim Waschen so) und daher versuche ich oft, ihn zu entertainen (Backe Backe Kuchen mit ihm gemeinsam spielen etc), weil das oft hilft. Aber das ist auf Dauer ganz schön anstrengend. "Du kannst auch viel mehr Geschmack in die Speisen bringen." --> Meinst du, ich darf/soll würzen? Welche Gewürze sind denn bei 9 Monaten empfehlenswert? Welche etwas härteren Dinge kann ich denn als erstes nun anbieten, mit möglichst geringer Aspirationsgefahr? Die Dinkelobststangen waren ihm vllt zu klein (habe sie ca wie meinen kleinen Finger gebacken) und daher keine "Herausforderung", rate ich einfach mal. Wenn du nochmal Zeit für so eine tolle Antwort hättest, würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank und bleib gesund


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo AbraCadaver Babys und Kleinkinder unterscheiden zunächst nicht zwischen spielen und essen. Dass dein Kind in den Hochstuhl beißt, das ist völlig normal. Kinder erleben ihre Umwelt und Mitwelt genau so. Sie erleben alles auch mit dem Mund. Und wenn sie dabei etwas Schmackhaftes entdecken, was gefällt, dann "essen" sie. So funktioniert der Übergang vom Brei oder Brust/Fläschchen auf festere Nahrung. Sie probieren und schmecken sich durch und entdecken dabei so Allerlei. SIe müssen sich an all das langsam und vorsichtig im wahrsten Sinn des Wortes "herantasten" - mit Hand und Mund. UNd eben ganz besonders beim Essen entdecken. Darüber erleben sie viele Sinneseindrücke - die Beschaffenheit des zu entdeckenden Dings, die Festigkeit, die Oberflächenstruktur, Temperatur, und mehr. Wenn auch Geschmack und Geruch dazu kommen, wenn etwas "gut" schmeckt, wenn es sich im Mund gut oder sagen wir nicht allzu schlimm anfühlt, wenn es im Mund "schmilzt" und sich demnach ein Geschmack herauslöst, dann wird es rein "instinktiv" als VIELLEICHT essbar eingestuft. Um diesen Eindruck zu verifizieren, sucht das Baby dann meist nach Bestätigung in den Blicken der Eltern. Wenn also etwas schmeckt, wenn Babys eine angenehme oder unangenehme Geschmackserfahrung machen, dann erleben sie die Mitwelt und das Essen in diesem ganzheitlichen Sinn. Das ständige Beaufsichtigen ist darum wichtig. Der Geschmack, das Erlebnis, wie es aussieht, und auch wie gut es verdaut wird und welche sonstigen Wirkungen das Essen auf sie hat, das prägt sie. Es ist ein Lernen. Durch Sehen und Fühlen (tasten), durch Schmecken und Riechen, das Mundgefühl, Sättigung, Verdauung und mehr. Du kannst deinem Kind also einfach weiterhin die gewohnte und gemochte Kost anbieten und zusätzlich Neues anbieten. Mit der Zeit kann er sich daran gewöhnen. Ich hoffe, ich konnte dir das einigermaßen verständlich erklären. Zwei Brotkrümel sind also wunderbar. Eine viertel Traube ebenfalls. Es ist ein Anfang. Das kannst du auch nochmal hier nachlesen, falls du das noch nicht kennst: https://www.rund-ums-baby.de/experten/kochen-fuer-kinder/Uebergang-zur-Familienkost_50188.htm Die derzeit gehäuften nächtlichen Stillwünsche könnten mit einem vorerst letzten größeren Wachstumsschub in Zusammenhang stehen. Und wenn das so wäre könnte es sein, dass dein Baby danach auch deutlich besser essen wird. Weil dein Kind sich weiter entwickelt hat, weiter gereift ist und damit weitere Fähigkeiten (kognitiv, motorisch) hat, die er nutzen will und kann. Vermeide es von daher unbedingt, dass du deinem Sohn festere Stücke in den Mund gibst. Er sollte dies selbständig machen. Somit vermeidest du das Würgen am ehesten. Auch wenn dein Kind nur wenig von Stückchen isst, ist diese sanfte aber selbständige Art des Essens die bessere Methode. Wenn dein Kind mit dem Gefüttertwerden von feinem Brei vom Löffel noch zufrieden ist und es duldet, kannst du das weiter so machen und einfach zusätzlich Stückchen und geeignete Familienkost zum Entdecken anbieten. Setze dein Kind ruhig auch zu anderen Zeitpunkten in den Hochstuhl, so dass er den Hochstuhl zunächst ausgiebig in der ihm eigenen Weise, mit allen Sinnen entdecken kann. Du kannst ihn im Hochstuhl sitzend mit verschiedenen Spielsachen beschäftigen. Schau mal, wie er diese begutachtet. Dann kannst du das mit geeigneten Lebenmitteln ähnlich machen. Es geht zunächst noch um das spielerische Kennenlernen und Entdecken. Wenn er die Erfahrung macht, dass es schmeckt und es ihn satt macht, wird er künftig davon essen falls er hungrig ist. Und ja, du kannst auch gewürzte Speisen anbieten. Das was du explizit für dein Baby zubereiten willst, das kannst du vorerst noch weitestgehend salzfrei zubereiten. Familienkost widerum darf auch schon etwas mehr gesalzen und gewürzt sein. Dein Kind nimmt, wie oben schon beschrieben, den Gesamteindruck wahr. Ein Zucchinistückchen pur gegessen wird eine andere Art der Wahrnehmung sein als Zucchini in Kuchen, oder wenn die Zucchini in Öl und Kräutern der Provence geschwenkt wurde. Wenn dein Kind dann bspw die Zucchini nicht isst, weil bspw die Kräuter stören, dann würde das nicht bedeuten, dass er prinzipiell keine Zucchini mag. Wenn dein Kind aber bspw Kräuter der Provence gerne mögen würde, könnte dies ein Schlüssel sein, um weiterhin neue Lebensmitel über diesen zugefügten Beigeschmack einzuführen. Es ist nur ein Beispiel. Je mehr positive Geschmackserfahrungen dein Kind machen kann, desto besser. Was als die wichtigste Message bleibt: beobachte dein Baby und reagiere auf seine individuellen Bedürfnisse. Also dann Grüße Birgit Neumann


AbraCadaver

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Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Es geht weiterhin voran, wenn auch langsam.


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