Karasuma
Hallo Frau Windisch, mein 3-jähriger ist seine Sinne betreffend empfindlich, er geht aus dem Raum wenn ich staubsauge, ist wählerisch beim Essen, zB. mag er nicht wie sich Reis im Mund anfühlt, usw. Er ist auch sehr kitzelig und wird nicht gerne berührt (ich darf aber). In letzter Zeit wird er bei Kleidung immer wählerischer, vor allem an den Füßen soll ihn am besten keiner anfassen und alle Nähte an Socken drücken ihm. Er trägt deshalb auch zu große Schuhe. Im Moment kommen wir noch gut damit klar, ich will ihm keine Probleme andichten aber wenn ich ihm helfen könnte, dass er entspannter sein kann, wäre das doch gut. Gibt es vielleicht einfache Spiele, Übungen oÄ, die ich dafür mit ihm machen kann?
Hallo, das klingt etwas nach taktiler Überempfindlichkeit. Es gibt Kinder, die stören Nähte, eine bestimmte Art von Kleidung (Wolle kratzt) oder Schilder an der Kleidung oder/und Berührungen von anderen. Handelt es sich tatsächlich um eine Überempfindlichkeit, ist es generell zunächst so, dass es einfacher ist, den gemiedenen Reiz selbst auszuführen, da die Eigenaktivitä (also das "Mitmachen" und Steuern im Gehirn) den Reiz etwas leichter erträglich macht. Ist das Kind also z.B.empfindlich beim abtrocknen nach der Dusche/dem Baden oder eincremen, ist es für das Kind leichter zu tolerieren, wenn es das selbst machen kann (deshalb stört es geräuschempfindliche Kinder nicht, wenn sie aktiv selbst Krach machen). Bei Überempfindlichkeiten helfen bestimmte Faktoren in der Regulation, diese sind: Kälte, Vibration (z.B. Massagegerät) und Tiefendruck (also wie bei einer Massage, aber mit gutem Druck). Vielleicht hilft davon etwas in den benannten Situationen. So könnte das Kind nach dem störenden Socken anziehen das "komische Gefühl weghüpfen", durch das Hüpfen wirkt Tiefendruck auf die Gelenke und den Körper und reguliert somit. Das muss man dann natürlich etwas kindgerecht und spielerisch verpacken, vielleicht mit einer Froschgeschichte oder ähnlichem. Oder die Füße vorher kalt abspülen. Generell würde ich, wenn toleriert, viel für die Körperwahrnehmung empfehlen, also Massagen (kindgerecht in Form von Geschichten, Pizza oder Kuchen backen auf dem Rücken und Kind darf die Zutaten ansagen, Bauer-fährt-aufs-Feld, die kleine Raupe Nimmersatt läuft über die Arme und frisst dabei Obstsorten - dabei fest ringförmig um den Arm drücken, Tiere laufen unterschiedlich über den Rücken u.s.w. - hier gilt: starker Druck ist eher erträglich als leichte oder kitzelnde,streichelnde Berührungen), Igelball, Somationstechnik (Druck und Zug auf die Gelenke). Aber auch körperlich aktive Sachen, bei denen Berührungen stattfinden, wie z.B. eine Kissenschlacht, Soft-Schläger-Schlacht, Raufen, leichte Akrobatik auf den Eltern, unter einer Matte herausquetschen, später Schubkarrenlauf, Tauziehen,usw. Möglich wären auch Materialbäder (die machen Kindern meist Spass): hier sucht man Gegenstände (z.B. Murmeln, Bausteine, Autos,...) aus Kisten oder Schüsseln mit unterschiedlichen Materialien (Kastanien, Erbsen, Linsen oder Reis, ...) und fördert somit das spüren,wahrnehmen und tolerieren der Berührungsreize - geht übrigens auch mit den Füßen. Auch sämtliche klebenden und matschenden Materialien wie Knete,Ton,Schaum, Rasierschaum oder Schlagsahne, Fingerfarben, etc.sind gut geeignet, um Berührungsreize zu schulen und tolerieren. Bei taktiler Überempfindlichkeit kann auch körperliche Nähe von anderen als unangenehm empfunden werden, manche Kinder äußern dies in einem agressiven Verhalten (oder eben auch auf auditive Überempfindlichkeit, also alles Laute). Sollte hier der Leidensdruck beim Kind gross sein oder die soziale Integration in der Kita bspw.eingeschränkt sein, empfiehlt sich dann eine ergotherapeutische Behandlung bei zertifizierten Sensorischen Integrations-therapeuten/innen (S.I.). Das heisst nicht, das bei ihrem Kind eine taktile Überempfindlichkeit bestehen muss, und es scheinen ja auch keine prädistinierenden Faktoren dafür vorzuliegen (Kaiserschnitt, Frühgeburt o.ä.), die hätten sie sonst vermutlich erwähnt. Ich hoffe es ist etwas anwendbares dabei, was ihrem Kind auch Spass macht. Und jetzt ist ja auch gerade eine schöne barfuss-Zeit ;) Alles Gute
Karasuma
Hallo Frau Windisch, vielen lieben Dank für Ihre ausführliche Antwort! Er kam tatsächlich via Kaiserschnitt, ich wusste nur nicht, dass dies relevant sein könnte. Sie sind eine große Hilfe, danke.