wowugi80
Sehr geehrte Frau Windisch, unser Sohn ist fünf Jahre alt und geht seit zwei Jahren in einen Waldorf Kindergarten. Wir sind dort sehr glücklich, auch sein großer Bruder war dort schon und er geht sehr gern in den Kindergarten. Den Kindern wird sehr zugewandt und bedürfnissorientiert begegnet. Einmal in der Woche wird Eurythmie gemacht, quasi Bewegungsspiele nach kleinen Geschichten. Unser Sohn macht dabei seit bald einem Jahr nicht mehr mit. Er hat eine Zeit lang sehr gestört, indem er Quatsch gemacht hat und laut war, es ist dann immer eine Erzieherin mit ihm raus gegangen und hat ihm eine Geschichte vorgelesen. Mittlerweile ist das nicht mehr so, mitmachen will er aber auch nicht. Er setzt sich lieber an den Rand und schaut zu. Letzte Woche hatten wir Entwicklungsgespräch und die Erzieherin sprach ganz liebevoll und freundlich von ihm, äußerte aber die Vermutung, es wäre weniger Unwille als echte Schwierigkeiten, die Bewegungen nachzumachen. Den Erziehern war an anderer Stelle auch aufgefallen, dass er angeleitete Handlungen wie zum Beispiel: räum doch mal die Puppenstube auf, bitte bringen diesen und jenen Gegenstand einmal zurück in dieses und jenes Regal nicht gut kann. Gibt man ihm eine konkrete Aufgabe die auf einen bestimmten Ort konzentriert ist, zb die Bausteine zurück in die Kiste räumen, funktioniert es. Beim Krippenspiel zb hatte er als Wirt immer genau eine Aufgabe, nämlich mit einer Lampe ungefähr fünf Schritte zu gehen, diese abzustellen und an seinen Platz zurück zu gehen. Das hat er, obwohl dieses Spiel in der Adventszeit jeden Tag gespielt wurde, nie hinbekommen. Immer hat er den Weg an die Stelle, an die er die Lampe stellen sollte nicht gefunden. Es scheint, als hätte er Schwierigkeiten, sich im Raum zu orientieren. Auch feinmotorisch fällt ihm einiges schwer, die Kinder weben zum Beispiel an einem runden Webrahmen, das kann er nur mit viel Anleitung und Zuspruch. Es fehlt ihm zum einen Geduld und er scheint mit dem Faden immer wieder zurück zu weben. Als würde er den Weg aus den Augen verlieren. Absolut unmöglich ist für ihn puzzeln. Er kann zb ein Randstück nicht von einem Mittelstück unterscheiden und obwohl er eine ausgezeichnete visuelle Wahrnehmung hat und auf Wimmelbildern blitzschnell findet, was er suchen soll, kann er das Bild eines Puzzels nicht als großes Ganzes erkennen und wieder zusammenbauen. Er agiert da ungefähr wie ein zweijähriger, drückt die Teilchen nach dem Versuch und Fehler-Prinzip ineinander und erkennt zum Beispiel auch nicht, wenn ein Puzzlestück auf dem Kopf steht. Er spricht schon immer auffällig gut, er hat ein ausgezeichnetes phonetisches Gedächtnis, kann Lieder und Bücher oft nach dem ersten hören auswendig, er fährt Fahrrad, Roller, Laufrad, sogar Skateboard. Und das alles sehr gut. Was ihm aber zum Beispiel bis heute nicht gelingt ist schaukeln. Dieser immer wiederkehrende Bewegungsablauf funktioniert einfach nicht. Meine Beobachtung ist, dass es ihm schwer fällt, Dinge nachzumachen. Handlungen, Bewegungen, ob Grob- oder Feinmotorisch. Wenn sich ihm die Sachen nicht von alleine erschließen, sperrt er sich dagegen, lernen durch Nachahmung vermeidet er. Erklärungen will er nicht hören, ist extrem schnell frustriert und fürchet immer wieder ausgelacht zu werden wenn er etwas nicht kann. Die Erzieherin äußerte die Vermutung, es könnten frühkindliche Reflexe sein, die nicht vollständig abgebaut sind. Ich hab das schon nachgelesen, es ist ja offensichtlich eine anthroposophische Theorie. Vieles davon leuchtet mir ein und passt, anderes überhaupt nicht. Ich wüsste in jedem Fall gerne, wie wir ihm helfen können. Er ist ein sehr schlaues Kind und es beschämt ihn sehr, wenn er etwas nicht kann, seine Sorge davor ausgelacht zu werden ist groß. Was denken Sie wäre ein richtiger Weg und wie können wir herausfinden was ihm da so große Schwierigkeiten macht? Was er jetzt gerade immer wieder vermeidet, ist ja etwas, was spätestens mit dem Eintritt in die Schule auf ihn zukommen wird. Wir würden ihm so gerne helfen, Frustration abzubauen und den Mut zu bekommen, auch Dinge zu probieren und zu üben, die er nicht kann. Vielen Dank für Ihre Hilfe!
Hallo, es gibt einige Ergotherapiepraxen, die die Integration frühkindlicher Reflexe anbieten, diese gezielt testen und je nach Erebnis können noch bestehende Reflexe mittels Übungen integriert werden, was zu einer Verbesserung verschiedener Bereiche führt - je nach betroffenem Reflex. Generell würde ich ihnen eine Vorstellung ihres Kindes in einer auf Kinder spezialisiert weitergebildeten Praxis empfehlen, um genau heraus zu bekommen, woher seine Schwierigkeiten kommen. Dabei kann auch die visuelle Wahrnehmung getestet werden, denn sie besteht aus verschiedenen Bereichen, wenn man gut Wimmelbilder findet, kann man durchaus Probleme in der Raum-Lage-Wahrnehmung oder der Figur-Grund-WN haben. Auch für den Bereich der Handlungsplanung, Nachahmen von Tätigkeiten, Frustrationstoleranz und Selbstbewusstseinssteigerung fände ich die Ergotherapie für ihr Kind hilfreich, gerade in Bezug auf eine nahende Einschulung. Da die Wartezeiten je nach Region oft lang sind, melden Sie sich dort zeitnah. Da die Therapien sehr kindgerecht angelegt sind, gehen die meisten Kinder auch motiviert und vorbehaltlos hin. Zu Hause können Sie ihn darin unterstützen, ihm seine Stärken vor Augen zu führen und bei schwierigen Dingen stets die Motivation dafür zu fördern und zu loben (auch nonverbal mit Aufmerksamkeit, wohlwollendem Zunicken, aufmunterndem Anlächeln, etc.) und weniger das Ergebnis. Für Kinder ist es ein Lernprozess auch an Sachen, die nicht gleich gelingen, dran zu bleiben, statt aufzugeben. Dazu benötigen Sie dann die extrinsische Motivation, d.h. die Unterstützung eines Erwachsenen an ihrer Seite. Alles Gute, Kristin Windisch