Frage im Expertenforum Ergotherapie bei Kindern an Kristin Windisch:

Baby krabbelt nicht

Kristin Windisch

 Kristin Windisch
Staatlich anerkannte Ergotherapeutin
Zertifizierte Fachergotherapeutin für Pädiatrie GfpF

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Frage: Baby krabbelt nicht

Hannah88freudig

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Guten Morgen, Mein Sohn ist 9,5 Monate alt. Seit ca. 4 Wochen robbt er durch die Gegend. Davor hat er sich gerollt. Ich mache mir aber Sorgen, weil andere Kinder in dem Alter schon krabbeln bzw. stehen. Hiervon ist mein Sohn noch weit entfernt. Er versucht erst garnicht in den Vierfüßlerstand zu kommen. Wenn man versucht in hinzustellen tragen die Beine kein Gewicht. Wir waren jetzt 3 mal bei der Physiotherapie. Diese hat den Eindruck, dass er das nicht macht, weil er keine Notwendigkeit sieht. Er ist damit zufrieden was er kann. Aber ich mache mir Sorgen, weil man teilweise hört/ liest, dass krabbeln für die Vernetzung der beiden Hirnhälften wichtig ist und es beim auslassen vom krabbeln zu Problemen im späteren Leben kommen kann. Sind dies eigentlich nur Erfahrungen einzelner oder gibt es Studien hierzu? Gibt es Spielideen um die Verknüpfung der hirnhälften anders zu unterstützen? Liebe Grüße Hannah


Kristin Windisch

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Hallo, es gibt zur Zeit keinen Grund zur Sorge, ihr Kind liegt mit robben mit 9,5 Monaten voll in der Norm. Ich weiß, es löst Verunsicherung aus, wenn andere Babys im Umfeld schon krabbeln,sitzen, stehen – dazu muss man wissen,dass das Zeitfenster in der motorischen Entwicklung SEHR GROSS ist, vor allem beim Krabbeln und Laufen (11.-18.Monat) lernen. Es gibt immer Frühstarter und Babys/Kinder,die das erst später für sich entdecken, oft gibt es hier auch eine familiäre Häufung (das ist dann interessant zu fragen, mit welchem Alter man selbst oder der andere Elternteil gekrabbelt oder gelaufen ist) oder andere Faktoren, wie z.B.das Gewicht, ein großer Kopf (diese Babys robben eher statt zu krabbeln), etc. Später hat es für die weitere Entwicklung keine Bedeutung mehr, mit wie viel Monaten ihr Kind gekrabbelt oder gelaufen ist. Vielleicht ist ihr Baby dafür besonders aufmerksam in einem anderen Entwicklungsbereich, wie der Sprache oder dem Beobachten. Und ja, es gibt auch hin und wieder Babys, die das Krabbeln ganz überspringen, aber das ist wirklich die Minderheit und darüber würde ich mir jetzt noch keinen Kopf machen. Was ist der Grund für die Physiotherapie? Gibt es Besonderheiten, wie Frühgeburt oder Kaiserschnitt? Sie sind ja vor Ort in fachkundlicher Betreuung und können bei der Physiotherapie auch erfragen, wie sich die Muskelspannung verhält (Babys mit geringer Muskelspannung brauchen mehr Motivation und Anstrengung bei motorischen Abläufen). Der 4Füßlerstand sollte bis spät.Ende 10.Monat kommen, das Krabbeln bis Ende 11.Monat. Es ist also noch Zeit! Das Stehen mit Halten/Absichern durch die Eltern gelingt mit voller Gewichtsübernahme erst ab Ende 9.Monat und solang ihr Kind nicht Anstalten macht zu krabbeln oder sich selbst an Möbeln in den Stand hochzuziehen, würde ich den Stand nicht passiv forcieren, denn das Gleichgewicht ihres Kindes ist für das Stehen derzeit noch nicht soweit (Krabbeln ist dafür ein super Gleichgewichtstraining). Ihr Baby befindet sich derzeit in einem Entwicklungsstadium, in dem die symmetrischen Bewegungen in asymmetrische aufgelöst werden, dazu können Sie z.B. in der Rückenlage den linken Fuß zur rechten Hand überkreuz führen und ihr Baby ermuntern den Fuß zu greifen oder etwas davon abzumachen (gelockerte Socke, Armreif,.Spielzeug...) und andersherum. Das unterstützt auch die Überkreuzung und Koordination, aber ihr Baby wird sich auch gut entwickeln, wenn das nicht gemacht wird. Beobachtet es andere Babys beim Krabbeln? Sie können es ihrem Baby auch vormachen, denn derzeit befindet es sich auch im Stadium der bewussten Imitation. Bei youtube gibt es auch von der Physiotherapeutin Beate von Eisenhart schöne Videos, wie man Babys im jeweiligen Alter unterstützen kann, vielleicht werden Sie da für spielerische Förderung fündig, wenn Sie im Alltag davon etwas einbauen wollen. Solange keine entwicklungseinschränkenden Faktoren bei ihrem Baby vorliegen, können Sie auch noch entspannt abwarten und zuversichtlich sein, dass ihr Kind den nächsten „Schritt“ von allein macht, wenn es soweit ist. Alles Gute und viel Geduld Kristin Windisch


Hannah88freudig

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Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Jetzt bin ich erst einmal etwas beruhigt. Ich hätte nur noch eine Frage. Es war tatsächlich ein Kaiserschnitt aber nahe am Termin mit Wehen aufgrund einer Lageanomalie. Was hat denn ein Kaiserschnitt mit der motorischen Entwicklung zu tun? Liebe Grüße


Kristin Windisch

Kristin Windisch

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Hallo nochmal, Kinder, die mit einem Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind, durchlaufen einen anderen Geburtsprozess im Vergleich zu natürlichen Geburten, der sich auch auf die motorische Entwicklung auswirken kann. Denn der mühsame Weg durch den Geburtskanal fordert das Baby (und nicht nur die Mutter), es wirken hier viele Faktoren mit ein: das Baby muss sich mitanstrengen und Kraft einsetzen, es bekommt viele Eindrücke über die Enge im Geburtskanal (über die Rezeptoren für die Tiefenwahrnehmung, sprich Druck und Zug, Spürinformationen, Körperstellung usw.), die mit einem Kaiserschnitt entfallen. Deshalb wird auch geraten, bei Kaiserschnittbabys anschließend in der Babyzeit Babymassagen zu machen, um die entfallenen Informationen für die Propriozeption (Tiefenwahrnehmung) nachzureichen, damit das Gehirn diese widerum verarbeiten kann. Also fleissig massieren, dazu muss man nicht zwingend einen Kurs machen, Anleitungen dafür gibt es auch im Internet oder von der Nachsorgehebamme. Des weiteren gibt es eben häufig Kaiserschnitt Babys, die einer geringere Muskelspannung haben, da sie sich nicht so durch den Geburtskanal mühen mussten. Deshalb sind Kaiserschnitte als Notfallvariante eine prima Sache, aber ein Kaiserschnitt auf Wunsch nicht zu empfehlen (mal abgesehen vom Risiko für Mutter und Kind). Alles Gute Kristin Windisch


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