Frage im Expertenforum Ergotherapie bei Kindern an Kristin Windisch:

4jähriger soziale Auffälligkeiten

Kristin Windisch

 Kristin Windisch
Staatlich anerkannte Ergotherapeutin
Zertifizierte Fachergotherapeutin für Pädiatrie GfpF

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Frage: 4jähriger soziale Auffälligkeiten

wowugi80

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Sehr geehrte Frau Windisch, unser Sohn ist viereinhalb, er wurde kurz vorm ersten Corona Lockdown geboren und hat in seinen ersten drei Lebensjahren extrem wenig Kontakt zu anderen Menschen, insbesondere zu anderen Kindern gehabt. Wie meinen ersten Sohn hatte ich ihn die ersten drei Lebensjahre zu Hause. Bei meinem Großen gab es damals viele Angebote für Kinder unter drei, betreute Spielplätze, offene Spielgruppen etc. Er hat stets genug andere Kinder zum Spielen gehabt. Bei unserem Kleinen war das Coronabedingt leider anders und ich muss mir heute den Vorwurf machen, dass ich ihm nicht genug Kontakt zu anderen Kindern bieten konnte. Jetzt geht er seit etwa anderthalb Jahren in den Kindergarten und geht dort nach langer und behutsamer Eingewöhnung auch gerne hin. Er zeigt laut den Erziehern einige Auffälligkeiten die mir auch schon aufgefallen sind. Er tut sich sehr schwer mit der Kontaktaufnahme zu ihm unbekannten Kindern, geht eher aggressiv als offen auf andere zu, ist unsicher und hat eigentlich Angst die er überspielt indem er in den Angriffsmodus geht. Er vermeidet Kontaktaufnahme, Kinder auf dem Spielplatz die ihm fremd sind, findet er grundsätzlich blöd und will auch nicht auf Spielgeräte wenn da zu viele fremde Kinder sind. Wenn er Kontakt aufnimmt, dann durch Verhalten, das andere Kindern eher als aggressiv lesen: wildes rangeln, kämpfen. Er gerät schnell in Wut, haut dann schnell, löst Konflikte nicht verbal obwohl er extrem gut sprechen kann und bleibt dann ausdauernd ablehnend. Er spielt lieber mit jüngeren Kindern, ich vermute, weil die sich leichter von ihm leiten lassen. Außerdem fällt es ihm extrem schwer sich längere Zeit mit einer Aufgabe zu beschäftigen. Puzzeln kann er gar nicht, er begreift das Puzzle nicht als Bild, kann Randstücke nicht von Mittelstücken unterscheiden, drückt dann wahllos zwei Teile ineinander und gibt quasi direkt frustriert auf. Er malt gern aber nicht sehr detailiert, grundsätzlich hat er auch nur ein Thema das er malt, nämlich eine bestimmt Computerfigur die er auf dem Tablet seines 11jährigen Bruders gesehen hat und die seit zwei Jahren täglich Thema ist und seine ganze Fantasie beansprucht. Seine Bilder bestehen aus wenigen Strichen, erkennbar hier und da, aber es besteht für ihn keinerlei Bedarf da detaillierter zu werden. Perlen auffädeln, Dinge sortieren, Lego oder Duplo zusammenstecken oder auch sich anziehen, keine bis kaum Geduld, große Frustrationserwartung mit direkter Verweigerung. Es passiert vor allem in der Kita häufig, dass er sich in eine Erregung hinein steigert und nicht so leicht wieder heraus kommt. Auch fällt es ihm schwer längere Zeit am Tisch zu sitzen nachdem er mit Essen fertig ist, oder längere Zeit konzentriert zu bleiben wenn im Morgenkreis ein Puppenspiel gemacht wird oder die Kinder gemeinsam mit den Erziehern ein Bewegungsspiel machen. Dann macht er kurz mit, entzieht sich der Situation aber bald und macht Quatsch. Er lässt sich am besten aus all den Situationen einfangen, wenn er dann Körperkontakt bekommt, auf den Schoß darf zb. Was er sehr ausdauernd kann ist vorlesen, insbesondere auf dem Schoß, das geht stundenlang. Auch allein spielt er gut, mit seinem Puppenhaus und seinen Figuren, er hört gern Hörspiele und fährt gern im Kinderwagen und ist dann ganz entspannt. Mir scheint, ihm fällt die Gruppensituation immer noch sehr schwer, er kann sich nicht gut gegen Reize abgrenzen und reagiert dann schnell überschießend.  Ich frage mich, wie kann ich ihm helfen sich besser zu regulieren? Wie kann ich ihm helfen seine geringe Frustrationsgrenze zu erweitern? Würde Ergotherapie helfen können? Über Ihren Rat wäre ich sehr dankbar!  


Kristin Windisch

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Hallo, die ersten 3 Jahre zu Hause in der Corona Zeit mit wenig sozialen Kontakten würde ich da nicht im Zusammenhang mit den jetzigen Sozialkompetenzen sehen, denn in den ersten drei Lebensjahren geht es eher um andere Entwicklungsaufgaben bei Kindern, da ist es mehr ein nebeneinander her spielen als ein miteinander. Das gemeinsame Spiel beginnt ab drei Jahren die Kinder zu interessieren. Wie Sie schon richtig bemerkt haben, hilft oft der Körperkontakt und ein sich selber spüren für die Eigenregulation. D.h.im Alltag viele Körperangebote, das geht über Bewegung auf dem Spielplatz, Kindersport, aber auch den Körper über Massagespiele, eincremen, abrubbeln, etc.spüren. Zur Eigenregulation hilft alles, was Zug und Druck und Spürinformationen auf den Körper ausübt, also z.B. hüpfen, die Hände oder einen Sandsack kneten, sich selber abklopfen, Liegestützposition auf dem Boden, u.s.w. Auch ein mobiles Sitzen kann die ruhigen Konzentrationssituationen erträglicher machen, z.B.Sitzen auf einem Luftkissen im Morgenkreis oder da die Hände mit einem Knautschball beschäftigen (das benötigt natürlich zunächst Anleitung dies nur dafür zu nutzen und nicht zum werfen,rollern, andere damit ablenken und man muss beobachten, ob es langfristig hilft, dass er dabei z.B.länger der Geschichte zuhören kann oder ob es ihn zu sehr ablenkt).   Ergotherapie kann hier für die feinmotorische Alltagsbewältigung (z.B.Anziehen) hilfreich sein, Anleitung zur Körperwahrnehmung geben, Umgang mit Frustrationssituationen schulen, die Konzentration und Ausdauer fördern.   Den Kontakt zu unbekannten Kindern können Sie über Rollenspiele (z.B.mit Kuscheltieren) oder mit frei ausgedachten Geschichten anleiten, sodass er darüber lernen und nachahmen kann, wie er angemessen auf solche Kontakte reagieren kann. Sollte die Interaktion mit bekannten Kindern aus der eigenen Kitagruppe schwierig sein, können Sie dies mit Spieltreffen in der Freizeit unterstützen (Wegfall der vielen Reize aus der Kita erleichtern so den Sozialkontakt).   Alles Gute, Kristin Windisch


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