Frage: Wahrnehmung

Hallo Herr Dr. Posth, ich war gestern abend auf einem Vortrag zum Thema Dyskalkulie. Dabei wurde auch das Entstehen von unterschiedlichen Wahrnehmungsstörungen kurz angesprochen. Eine These war, dass Hörprobleme im Kleinkindalter v.a. zwischen 3 und 5 Jahren (z.B. durch Paukenergüsse, Mittelohrentzündungen ...) zum einen Sprachentwicklungsverzögerungen hervorrufen, was ja bekannt ist und auch häufig mittels Logopädie behandelt wird, zum anderen aber auch Störungen in der auditiven Wahrnehmung entstehen, die meist nicht erkannt und behandelt werden, und die Auswirkungen auf das auditive Gedächtnis und das Ultrakurzzeitgedächtnis haben, da sich in diesem Alter die entsprechenden Fähigkeiten entwickeln. In dem Vortrag wurde dann auf den Zusammenhang zur Dyskalkulie eingegangen. Meine Frage betrifft nun meinen 4,5 jährigen Sohn, der etwa ein ganzes Jahr lang mit Paukenergüssen und Mittelohrentzündungen zu kämpfen hatte. Wir haben u.a. Probleme damit, dass er Aufforderungen einfach nicht nachkommt. Wir nehmen ihn dann in den Arm, schauen ihn an, sagen was wir von ihm möchten, lassen ihn das wiederholen, aber es kommt oft vor, dass er es trotzdem nicht macht. Kann es u.a. sein, dass er z.B. durch die lange andauernden Hörprobleme oder einfach entwicklungsbedingt nicht in der Lage ist etwas zu hören und im Kurzzeitgedächtnis abzuspeichern, sodass es dazu kommt, dass wir sauer sind, weil er nicht hört, er traurig ist, weil wir sauer sind und es so zu auffälligen Verhaltensweisen kommt? Wir sind momentan auf einem guten Weg und haben auch einige Hilfe erfahren, haben einige Ursachen für sein Verhalten entdeckt und können v.a. ihm soweit helfen, dass er endlich wieder fröhlich wird. Aber ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass noch mindestens eine weitere tiefliegende Ursache für das auffällige Verhalten vorhanden sein muss. Ist es möglich, dass eine auditive Wahrnehmungsstörung und eine Störung der auditiven Merkfähigkeit eine Mitursache ist? Und wenn ja, wer kann so etwas bei einem noch so jungen Kind erkennen und Tipps zum Umgang damit geben? Danke Ulli

Mitglied inaktiv - 17.03.2004, 10:37



Antwort auf: Wahrnehmung

Liebe Ulli, Paukenergüsse und auditive Wahrnehmungsstörungen sind erst einmal zwei völlig unterschiedliche Dinge. Zwar betreffen beide das Gehör, aber auf völlig verschiedene Weise. Die Behauptung, daß Paukenergüsse zu Hörschäden führen ist nicht neu, aber deswegen auch nicht richtiger. In Amerika ist kürzlich eine große Studie gemacht und veröffentlicht worden, die genau das Gegenteil belegt. So ist das mit Studien. Paukenergüsse betreffen die Schallleitung im Mittelohr. Dann hört sich das Hören an wie durch Watte. Natürlich hören die Kinder schlechter, aber das macht sich höchstens inm Sprachausdruck bemerkbar. Z.B. Zischlaute werden mit der Zeit unsauber. Therapiert werden sollten Paukenergüsse schon, aber mit Paukenröhrchen nur im Falle zäher, adhäsiver Sekrete. HNO-Konsil! Auditive Wahrnehmungsstörungen sind neurale Verarbeitungsstörungen von Schalleindrücken auf Großhirnebene. Ob sie mit Störungen des Kurzzeitgedächtnisses zusammenhängen oder ob das nur so erscheint, ist noch Forschungsgegenstand. Folge der gestörten Vernetzung zwischen Hörwahrnehmungszentrum und Sprachzentrum ist immer eine Sprachentwicklungsstörung. Mit Dyskalkulie hat das überhaupt nichts zu tun. Auditive Wahrnehmungsstörungen kann man frühestens mit 5, eher mit 6 Jahren in der Pädaudiologie untersuchen lassen. Man braucht sehr viel geistige und verbale Mitarbeit des untersuchten Kindes. Das Problem, das sie mit Ihrem Sohn haben, scheint mir mehr auf psychologischer und Verhaltensebene zu liegen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 18.03.2004



Antwort auf: Wahrnehmung

Ja, das kenn ich - habe auch ein Paukenergusskind (jetzt das 6te Mal Paukenröhrchen). Mich würde auch sehr interessieren, wie man diese Verhalten und das Ultrakurzzeitgedächtnis (oder die Konzentration?) langfristig verbessern kann. Die gängigen Therapien gehen nicht auf das Problem ein.

Mitglied inaktiv - 17.03.2004, 14:44



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