Lilly03
Sehr geehrte Frau Henkes, mein Sohn (5 Jahre, 2 Monate) erhält bereits Ergotherapie und Logopädie, die uns jeweils bereits eine diagnostische Abklärung nahe gelegt haben. Auch die Kita und die Erziehungsberatung haben uns dazu geraten. Letztere habe ich besucht, da mein Sohn nach der Geburt der kleinen Schwester (15 Monate) sehr übergriffiges Verhalten zeigte. Wir sind also bereits tätig geworden und warten derzeit auf einen Termin im SPZ. Allerdings betragen die Wartezeiten ein dreiviertel Jahr und die Schwierigkeiten im Alltag bestehen ja leider weiterhin und belasten ihn (und uns) sehr. Vielleicht gibt es von Ihrer Seite noch Tipps, die uns bis zur endgültigen Diagnostik helfen könnten. Mein Sohn hat ein großes Problem mit der Reizfilterung (eigentlich schon immer, er hatte bereits nach der Geburt große Regulationsprobleme und hat im ersten Jahr selten länger als 30 Minuten geschlafen). In der Kita zeigt er sich am Vormittag sehr angepasst, bis er dann oft gegen Mittag "ausbricht" und destruktive Verhaltensweisen zeigt. Er zerstört Dinge, verletzt andere Kinder und hat sehr intensive und lange Wutanfälle. Für Außenstehende gibt es hier oft keinen ersichtlichen Auslöser, er spricht leider auch nicht über das Geschehene. Wir wurden nun auch schon mehrfach gebeten ihn früher abzuholen, was für uns organisatorisch nicht so einfach ist. Wir sind beide berufstätig, Großeltern o.ä. gibt es nicht. Am Nachmittag ist er oft komplett erschöpft. Er hat nach der Kita starke emotionale Ausbrüche. Spielplatzbesuche, Einkäufe o.ä. sind nach der Kita schlicht nicht möglich. Urlaube und besondere Aktivitäten sind für uns oft eine große Herausforderung und enden nicht selten schon nach kurzer Zeit in einer kompletten Eskalation. Letztens mussten wir einen Freibadbesuch nach 30 Minuten abbrechen, weil alles über ihm zusammengebrochen ist und er nur noch schreien und um sich treten konnte (nur ein Beispiel von vielen). Auch hier gab es wieder keinen ersichtlichen Auslöser - außer dass der Freibadbesuch scheinbar zu viel für ihn war. Es sind also nicht so richtige "klassische" Wutanfälle, sondern eher Ausdrücke von Überforderung!? Der Kontakt mit anderen Kindern ist sehr schwierig. Wenn wir uns mit Kita-Freund:innen treffen, geht das oft kurze Zeit gut und irgendwann haut er, schmeißt mit Gegenständen um sich, beißt und kratzt. Die letzten Spielverabredungen sind leider immer wieder eskaliert. Er ist dann oft wie im "Tunnel" und hört uns auch nicht mehr zu. Nicht selten nässt er dabei auch ein, obwohl er ansonsten trocken ist. Wir versuchen mittlerweile ihn besser zu beobachten und frühzeitig zu deeskalieren. Nicht selten brechen wir dann Situationen auch schon frühzeitig ab sobald wir merken, dass er schon etwas neben sich steht. Medien haben wir (bis auf Hörspiele) vor 6 Monaten abgeschafft. Er ist ansonsten kognitiv normal entwickelt. Er hat ein großes Interesse an Zahlen, er zählt alles in seiner Umgebung durch und rechnet mittlerweile auch viel. Er liest und schreibt kleine Worte. Allerdings ist die Konzentrationsfähigkeit (laut Therapeut:innen und Erzieher:innen) nicht besonders gut ausgeprägt. Sprachlich ist er mittlerweile gut entwickelt, hat aber zB Probleme Dinge nachzuerzählen (es wurde auch bereits die Vermutung einer auditiven Wahrnehmungsstörung vom Logopäden geäußert). Er müsste regulär auch im nächsten Jahr eingeschult werden, was mir große Bauchschmerzen bereitet. Wahrscheinlich werden wir bis dahin keine Diagnose haben. Ich würde mich sehr über Ihre Einschätzung freuen!
Guten Tag, Sie beschreiben, dass Ihr Sohn von seinen emotionalen Ausbrüchen regelrecht überrollt wird. Könnte es nicht doch sein, dass es sich um Wutanfälle handelt, weil er seinen Willen nicht bekommt? Aus der Distanz entnehme ich Ihrer Beschreibung, dass Ihr Sohn durch sein Verhalten in Ihrer Familie sehr viel Macht hat. Er bestimmt Ihr Freizeitverhalten, Ihre Arbeitszeit u.a.m.. Das könnte auf einen Machtkampf mit Ihnen deuten, zumal dieses Verhalten einsetzte, nachdem die Schwester geboren war. Er könnte die Entthronung als Niederlage empfunden haben und kämpft seitdem darum, Macht zu bekommen. Für einen Fünfjährigen ist es keine gute Erfahrung, sich mächtiger als die Eltern zu fühlen. Ihr Sohn weiß, dass er diese Position nicht halten kann. Das könnte ihn in Wut versetzen, um von Ihnen die nötige Begrenzung zu erfahren. Setzen Sie ihm diese Grenzen, z.B. durch körperliches Eingreifen wie Festhalten oder aus der Situation nehmen. Auch müssten Sie nicht alle das Freibad verlassen, wenn er einen Wutanfall hat. Es reicht, wenn ein Elternteil mit ihm geht. Sie können kindertherapeutische Unterstützung suchen. Da warten Sie allerdings vermutlich auch länger auf einen Termin. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
Die letzten 10 Beiträge
- Verhalten auffällig?
- Kleinkind normales Verhalten oder Bindungsstörung?
- Trotzphase oder nicht?
- Wutausbrüche
- Bindung des eigenen Kindes undurchsichtig
- Schnuller abgewöhnen und Begleitung
- Kleinkind 3 Jahre will entfernt sich kaum 1 Meter
- Kind stiftet andere Kinder zum beißen an
- Einschlafproblem
- Tochter 9 Charakterzüge