Frage: Nägelbeißen bei 3,5 Jähriger

Liebe Frau Henkes! Unsere Tochter (3,5 Jahre) ist ein wissbegieriges, phantasievolles, aufgewecktes Kind. Sie spielt noch lieber mehr allein als gemeinsam mit anderen Kindern, da sie gerne bestimmt, wie das Spiel (va Rollenspiel) abzulaufen hat. Perspektivenübernahme klappt noch nicht. Sie ist Erwachsenen gegenüber zu Beginn schüchtern, auch bei älteren Kindern, taut aber recht schnell auf. Sie war und ist sprachlich sehr weit. Soweit würde ich alles altersadäquat einschätzen.  Sie hat eine einjährige Schwester, geht seit Herbst 2021 in den KiGa, wo sie gern und ohne Probleme geht.  Sie hat im Oktober 2021 den Schnuller abgegeben (den sie immer nur zum Einschlafen gebraucht hat und der im letzten halben Jahr immer „gezupft“ wurde nach dem Einschlafen), was problemlos funktioniert hat. Schon früher und auch im Sommer 2021 hatte sie immer wieder vermehrt Dinge im Mund (Schlüssel, Finger, Spielzeug…), was aber irgendwann einfach wieder aufgehört hat. Nach der Schnullerabgabe hat sie allerdings stärker begonnen ihre Finger unter Tag im Mund zu haben. Seit einem Monat beißt sie auch immer wieder auf den Nägeln rum oder spielt mit eingerissenen Nägeln. Vor allem wenn sie Hörbücher hört, etwas Spannendes in einer Vorlesegeschichte passiert, jemand zu Besuch kommt, wir schimpfen...- eigentlich immer, wenn viel Emotion oder Langeweile vorherrscht.  Ich kenne Nägelbeißen von mir als Kind und weiß auch, wie schnell so etwas ein Selbstläufer werden kann und vor allem, wie schwierig bis unmöglich es ist, sich das wieder abzugewöhnen. Meine Fragen: kann das jetzt auch nur eine Phase sein? Sollte man sie immer wieder darauf aufmerksam machen? Darf solch eine orale Befriedigung in dem Alter sein? Oder ist es ein Hinweis auf unbewusste Ängste/Anspannungen? Vielen Dank für Ihre Einschätzung! Und Ihre immer wertschätzenden und hilfreichen Antworten.  Eagle

von Eagle am 13.01.2022, 07:29



Antwort auf: Nägelbeißen bei 3,5 Jähriger

Guten Tag, aus der Distanz lässt sich schlecht einschätzen, was die Gründe für das Verhalten Ihrer Tochter sind. Nägelbeißen gehört zu den autoaggressiven Abwehrformen. Das lässt auf eine gewisse Anspannung schließen, Sie beschreiben ja auch, dass das Verhalten auftritt, wenn Emotionen im Spiel sind. Andererseits beschreiben Sie aber nicht das typische Nägelkauen mit blutigem Abbeißen der Nägel. Möglicherweise handelt es sich also um eine Vorstufe oder nur eine Phase, weil der Schnuller jetzt fehlt. Sie sollten dem Nägelbeißen möglichst wenig Aufmerksamkeit schenken, damit es für Ihre Tochter nicht so eine besondere Bedeutung bekommt. Gleichzeitig wäre es sicher gut, das Verhalten weiterhin genau zu beobachten, um zu sehen, ob das Nägelbeißen von alleine wieder aufhört. Verbieten lässt sich dieses Verhalten nicht, wie Sie von sich selber wissen. Auch durch Schimpfen ist es nicht zu unterbinden. Vielleicht gibt es etwas Harmloses, auf dem Ihre Tochter herumkauen kann oder womit sie ihre Finger beschäftigen kann, wenn ein Hörspiel besonders spannend ist oder sonst ein schwieriges Gefühl bei ihr auftaucht. Kindern hilft es, Anspannung in Bewegung umzusetzen. Manchmal mögen Kinder es z. B., an einem Stück Tuch herumzuzupfen und es allmählich aufzulösen. Wenn das Nägelbeißen lange andauert, sollten Sie Ihren Kinderarzt darauf ansprechen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 13.01.2022