Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Nachtragend sein?

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Nachtragend sein?

Liane682

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Hallo, Mein Sohn ist 3.5 Jahre alt umd ich und mein Mann streiten uns oft darüber wie nachtragend man bei Kindern sein sollte. Wir hatten gerade erst wieder den Fall das mein Sohn sich im Trotz total daneben benahm und wir ihn ins bett brachten ohne am Bett noch zu singen oder in den Schlaf zu begleiten. Mein Sohn heulte und schrie. Dann wurde er ängstlich und immer verzweifelter und heulte wie ein schlosshund. Da ich weiß das er sich so nicht beruhigt und ich ihn so nicht in den schlaf zwingen wollte ging ich zu ihm. Ich fragte ob er sich nun beruhigen mag und sich jetzt benimmt. Er bejahte natürlich und entschuldige sich für sein Benehmen. Ich sagte ihm das mich solches benehmen sehr traurig macht. Wir umarmten und drückten uns und danach hielt ich seine Hand bis er 10 Minuten später eingeschlafen war. Nun war mein mann total entrüstet darüber das ich mal wieder mein Wort gebrochen habe. Also die Konsequenz nicht durchgezogen habe. Ich würde unseren Sohn damit verweichlichen. Und er würde das so immer wieder machen. Denken Sie das mein Mann recht hat? Er bleibt übrigens tagelang nachtragend nach so einem benehmen und muss es unserem Sohn bei jeder Gelegenheit vorhalten und ihn Zuneigung oder selbstverständlichkieten auch im Nachhinein vorenthalten(gutenachtkuss). Wer liegt da nun richtig? Mein Mann? Muss ich konsequenter sein und mein Sohn härter bestrafen? Und länger nachtragen?


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Hallo, es ist natürlich jetzt leicht für mich zu sagen, dass die Strafe mit nachtragendem Liebesentzug falsch ist und Sie Recht hatten. Auch wenn das so ist, löst es das Problem nicht. Viele Männer, die es meist auch selbst so erfahren haben, glauben fest an die harte Konsequenz in der Erziehung. Sie denken das aber nicht nur, sondern empfinden das sehr emotional. (Ohne das zu sehr ausführen zu wollen, geht es dabei um Macht/Ohnmacht und Autorität/Unterwerfung, die viele Männer selbst so erlebt haben.)Deshalb lässt sich das auch nicht gut mit Logik verändern. Darum ist es schon mal gut, dass zwei Eltern da sind, die auch verschiedener Ansicht sein können. Man könnte versuchen, verschiedene Ansichten in der Erziehung nicht als gegeneinander, sondern als ergänzend zu sehen. Der mehr fordernde Vater und die akzeptierende Mutter können beide entwicklungsfördernd sein. Wenn dies so gesehen werden kann, es also kein entweder -oder gibt, wäre das schon sehr hilfreich. Ich bin ziemlich sicher, dass Ihr Mann weiß, wie weh Liebesentzug tut, aber es ist sehr, sehr schwer, das ihn positive Handlung umzusetzen.(Das wäre mal ein eigenes Thema für Männer!) Dr.Ludger Nohr


cube

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Da ich nicht Dr. Nohr bin und sozusagen kein Blatt vor den Mund nehmen muss ;-) ein kleiner Nachtrag aus reiner Mutter-Sicht: Dein Mann verhält sich wie ein Kleinkind gegenüber eurem Sohn. Er ist beleidigt, weil Kind nicht nach seiner Pfeife getanzt hat und bestraft ihn mit Liebesentzug. Und das über einen Zeitraum, den ein Kind so gar nicht erfassen kann. Euer Sohn versteht doch gar nicht, warum Papa immer noch sauer ist und wird das Gefühl haben, er macht ständig etwas falsch. Also von mir ein ganz klares "dein Mann sollte sich mal Gedanken darüber machen, wie toll er es Kind fand, so behandelt zu werden". Und soll es gefälligst unterlassen, ein kleines Kind psychisch so zu bestrafen. Und auch etwas unverblümt, aber keines weg so sauer zu etwas, was du tust: dieses "es macht mich traurig, wenn du dich so verhältst" gepaart mit "ob er sich jetzt benehmen mag" heißt im Klartext auch: sei lieb, damit Mama nicht traurig sein muss. Auch das ist eine Form emotionaler Erpressung - wenn auch sicher nicht beabsichtigt. Kein Kind will seine Eltern traurig machen! Alle Kinder wollen ihren Eltern gefallen. Aber sie können ihre Gefühle noch nicht so kontrollieren wie wir. Sich mal zurücknehmen, nicht schreien etc. Dabei müssen wir ihnen helfen. Aber ihre Gefühle dennoch respektieren! Wenn du nicht lieb bist, machst du mich traurig heißt eben auch "ich darf nicht fühlen, was ich fühle, weil Mama sonst traurig ist. Ein Kind ist nicht dafür verantwortlich, seine Eltern möglichst glücklich zu machen. Besser fände ich, ihm zu sagen, das man versteht, dass er zB wütend war, das Verhalten x (genau benennen, zB Hauen, Dinge werfen) aber dennoch nicht ok findet und nicht möchte. Das Verhalten ist nicht ok - er als Person aber schon.


cube

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Hätten wir es so gehandhabt, wie dein Mann, hätten wir zwischen3,5 und 4,5 ein ganzes Jahr unseren Sohn mit Nichtachtung gestraft ;-) Ein Wüterich sondergleichen und es viel Mühe gekostet, ihm andere Wege zum Ausdruck seiner Wut aufzuzeigen. Und tatsächlich war ich anfangs diejenige, die ihm vorgemacht hat, wie vertragen geht: gesagt, das wir jetzt genug gestritten hätten, er sicher verstanden hat, was mich geärgert hat und damit ist jetzt das Thema durch. Ich würde mich gerne vertragen. Und dann hab ich ihn in den Arme genommen und ihm gesagt, das ich ihn immer lieb habe - egal, was war oder noch kommen wird. Heute kommt er selbst an und entschuldigt sich und will sich vertragen. Und auch wenn wir viel gestritten haben und er sich nicht vertragen wollte - er ist eben ein Kind! und darf nachtragend sein ;-) - habe ich eines immer getan: ihn ins Bett gebracht und ihm gesagt, dass ich ihn lieb habe. Gerade dann brauchen Kinder das Gefühl, sich einer Sache wirklich sicher sein zu können: der Liebe ihrer Eltern. Unabhängig davon, wie lieb man heute war.


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