Dragao
Sehr geehrte Frau Henkes, meinem Mann und mir gibt das Kontaktverhalten unseres Sohnes zu denken, sodass ich mich heute an Sie wende. Er ist jetzt 25 Monate alt. Für uns auffällig war von Anfang an, dass er keinen Körperkontakt wollte und will, der nicht von ihm selbst initiiert ist. Er wollte viel getragen werden und fordert dies auch jetzt oft ein, v.a., wenn er sich nicht wohlfühlt. Von sich aus kommt er auch manchmal auf den Schoß – er mag es zeitweise, auf dem Schoß zusammen Bücher anzusehen. Beim Einschlafen möchte er Körperkontakt, aber nur leichte Berührungen an der Hand oder am Bein, keinesfalls ein Kuscheln Bauch an Bauch oder Rücken. Streicheleinheiten, Küssen oder Umarmungen duldet er allenfalls, oftmals schlägt er aber auch die Hand weg oder windet seinen Kopf weg. Zärtlichkeiten wie Küssen oder Umarmen verteilt er von sich aus nicht. Gleichzeitig spielt er aber mit Duplofiguren oder Stofftieren nach, dass diese sich küssen. Das Einzige, was er hin und wieder macht, ist, dass er uns sehr wild im Gesicht herumdrückt, teilweise in die Nase kneift. Dies tut er in Situationen, in denen er besondere Zuneigung zu empfinden scheint. Er ist dann ganz aufgeregt und scheint nicht zu wissen, wo sonst hin mit seiner positiven Energie. Wir haben es noch nicht geschafft, diese stürmische Zuneigungsbekundung z.B. in Umarmen umzumünzen. Wenn wir ihm zeigen, wie er uns umarmen kann, wendet er sich ab, für ihn ist die Situation dann vorbei. Wir sind verwundert über diese Zurückhaltung uns gegenüber, weil wir ihm, so denken wir, viel Liebe zeigen und auch untereinander (also auch mein Mann und ich) in seiner Gegenwart liebevoll umgehen. Was uns aber noch mehr überrascht, ist, dass er als eigentlich sehr schüchternes Kind sehr offensiv mit manchen Kindern umgeht. Er fremdelt schon immer stark, fühlt sich unwohl mit fremden Erwachsenen und beobachtet auch Kinder erst einmal aus sicherer Entfernung, statt sich zu ihnen zu setzen. Gleichzeitig tritt er aber oft an manche Kinder mit dem Gesicht ganz nah an das ihre heran, starrt sie dann teilweise lange aus nächster Nähe an und/oder reibt sein Gesicht (seine Nase oder seinen Mund) an ihre Wange. Dies tut er lachend und meint es sicher positiv, aber die meisten anderen Kinder stört das natürlich. Manchmal hält er sie fest und ist richtig aufdringlich mit seinem Verhalten. Er geht seit fünf Monaten in die Kita, war dort bis vor kurzem sehr zurückhaltend und schüchtern, blüht jedoch laut Erzieherinnen neuerdings so richtig auf. Damit einher geht aber auch, dass er jetzt auch dort andere Kinder sehr offensiv wie beschrieben im Gesicht berührt. Die Erzieherinnen finden es einerseits positiv, dass er sich jetzt so öffnet und sehen, dass er Freude an dieser Kontaktaufnahme hat, ziehen ihn aber natürlich andererseits auch von den Kindern weg, wenn es diesen zu viel ist. Zudem hat eine Erzieherin geäußert, dass sie dieses offensive Verhalten unseres Sohnes seltsam finde und gefragt, ob ich denn wisse, warum er dies tue. Nun meine Fragen: Sind Ihnen solche Verhaltensweisen im Rahmen einer regelrechten Entwicklung bekannt oder handelt es sich dabei um Verhaltensauffälligkeiten? Haben Sie eine Erklärung dafür, dass unser Sohn nur Körperkontakt zu seinen Konditionen möchte und außerhalb der gelegentlichen „Kneifaktionen“ uns körperlich kaum Zuneigung zeigt (auch wenn wir ansonsten spüren, dass er sich sehr wohl bei uns fühlt), andererseits aber so offensiv an Kinder herantritt, wo er doch an sich ängstlich im Umgang mit anderen (auch Kindern, wenn er sie nicht besser kennt) ist? Man muss noch dazusagen, dass er generell sehr neugierig und reizoffen ist, viel beobachtet und wahrnimmt. Ich danke Ihnen für Ihre Rückmeldung!
Guten Tag, das Bedürfnis nach Körperkontakt ist individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das zeigt sich bei Kindern manchmal schon von Anfang an. Nach Ihrer Beschreibung ist Ihr Sohn sicher an Sie gebunden und sucht in verunsichernden Situationen Körperkontakt zu Ihnen. Für Ihren Sohn ist es wichtig, dass Sie akzeptieren, dass er Körperkontakt nur zu seinen Konditionen möchte. Einem Zweijährigen können Sie bereits beibringen, dass Ihre Grenze bei schmerzendem Körperkontakt erreicht ist. Kneifen lassen sollten Sie sich nicht. Es kann vorkommen, dass schüchterne Menschen Ihre Schüchternheit im Kontakt zu anderen geradezu überspringen, um von ihren Ängsten nicht überwältigt und gehindert zu werden. Möglicherweise nähert sich Ihr Sohn daher anderen Kindern zu dicht. Sich hier erfolgreicher zu verhalten, wird er vermutlich am besten dadurch lernen, dass die anderen Kinder ihm ihren Unwillen zeigen. Die Bemerkung der Erzieherin war sicherlich nicht besonders sensibel im Hinblick auf Ihre eigene Beunruhigung über das Verhalten Ihres Sohnes. Lassen Sie Ihrem Sohn Zeit für seine Entwicklung. Sie haben ihn gut im Blick und können später gegebenenfalls reagieren, wenn Sie den Eindruck bekommen sollten, dass Ihr Sohn keine hinreichenden Fortschritte im Sozialverhalten macht. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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