Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Kleinkind wird immer anhänglicher

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Kleinkind wird immer anhänglicher

Krissi08

Hallo Herr Dr. Nohr, ich wende mich an Sie, da ich etwas ratlos bin, was die Anhänglichkeit unserer Tochter (2 ¼ Jahre) angeht. Vor ca. 4 Monaten fing es an, dass nur noch ich sie ins Bett bringen konnte. Versucht der Papa das, endet es in Geschrei und einem völlig aufgelöstem Kind, unabhängig davon, ob ich zuhause oder unterwegs bin. Vorher konnten wir uns immer problemlos abwechseln, ein Auslöser für den plötzlichen Umschwung fällt uns nicht ein. Letzte Woche traf ich mich mit Freunden und wir wollten es nochmal probieren. Leider hat das auch nicht funktioniert und die beiden haben dann gewartet bis ich nach Hause kam. Und seitdem ist sie so anhänglich, dass sie mir zuhause wirklich überall hin folgen muss. Selbst wenn ich nur alleine duschen gehen möchte, bricht sie in Panik aus. Ich lasse sie also überall hin mitkommen und versuche dem nicht so viel Gewicht zu geben. Oder sollten wir durchsetzen, dass sie in solchen Situationen auch mit ihrem Papa bleiben muss? Von anderen Seiten höre ich, dass wir das einfach „durchziehen“ müssten. Ein anderes Thema (damit evtl. verbunden) ist, dass sie seit ca. 3 Wochen nicht mehr gern in die Kita geht. Jedes Mal, wenn ich sie abhole erzählt sie mir, dass sie geweint hat, weil ich nicht da war. Der erste Satz am Morgen ist: Nicht Kita gehen. Ich schätze, es macht ihr zu schaffen, dass ErzieherInnen teilweise in andere Gruppen abgeordnet und die Gruppen oft zusammengelegt werden. Wie können wir ihr helfen? Vielen Dank vorab Kristina


Liebe Kristina, diese Phasen werden ziemlich oft beschrieben, in der KK wieder anhänglicher und auch ängstlicher werden. Das kann damit zu tun haben, dass je nach Phase des Entwicklungsprozesses, Bekanntes neu gesehen wird, es neue innere Einschätzungen von Kontakten und Situationen gibt. Es kann auch an Verunsicherungen liegen, die in einem Bereich passieren (z.B. KiTa), und die Kinder dann in anderen Bereichen "auftanken", um ausreichend zurecht zu kommen. Was auch immer es ist, ich glaube nicht, dass der Weg es "durchzuziehen" passend und hilfreich ist. Kurzfristig mag es sogar "klappen", aber es hat negative Auswirkungen auf die Beziehungen und das Selbstgefühl. Irgendwie schaffen das die Kinder, aber ich finde den Preis zu hoch. Wenn man sich in das ängstliche Kind hineinversetzt, dann sieht die Welt plötzlich ganz anders, viel gefährlicher und ängstigender aus. Und die Kinder haben noch kein Handwerkszeug, um selbst die Situation zu verändern oder positiv zu beeinflussen. Geben Sie ihr was sie braucht und begleiten es z.B. mit kurzen Worten wie "im Augenblick fällt es dir ganz schwer ohne die Mama zu sein." Manchmal kann man auch die Frage anfügen "weißt du warum das gerade so ist?". Meist gibt es keine Antwort, aber es kann Prozesse beim Kind auslösen, die die Situation überwinden helfen. Ermutigung ist das Zauberwort. Das Kind in die Lage versetzen, das Problem zu lösen. Das stärkt das Selbstgefühl und hilft langfristig. Und so geht diese Phase auch schneller vorbei, ohne die Bindungen zu sehr zu belasten. Dr.Ludger Nohr


Curcuma

Hallo Kristina, leider kenne ich keine Lösung, möchte nur sagen, dass das, was Du geschrieben hast, sehr ähnlich von mir kommen könnte. Vielleicht tut es ja gut zu lesen, wie es anderen geht. Unser Sohn ist nun 2,5 Jahre alt. Wir haben ihn quasi seit der Geburt immer abwechselnd ins Bett gebracht (er ist leider ein Flaschenkind, aber dafür war das praktisch), und gefühlt von jetzt auf gleich seit etwa drei Monaten darf nur noch ich das. Beim Papa weint er und lässt sich nicht beruhigen. Konsequenz ist, dass seither halt nur noch ich ihn ins Bett bringe. Wir bieten es ihm wieder mal an, dass auch der Papa ihn ins Bett bringen kann, aber wir hören nur "heute Mama Bett". ;) Wir nehmen es so hin und harren der Dinge. Und auch das Thema KiTa kennen wir gut. Er ging immer gerne in die Krippe (seit er 14 Monate alt war; gute, entschleunigte Eingewöhnung), aber seit etwa zwei Monaten höre ich immer wieder mal morgens "heute keine Krippe!" mit einem traurigen Gesichtsausdruck. Das bedrückt mich, da ich kein unglückliches Kind abgeben möchte. Wenn ich ihn abhole, ist er aber immer gut drauf (da also etwas anders als bei Euch). Veränderung ist dort eigentlich nur, dass ab und zu ein neues, meist jüngeres Kind dazukommt und andere gehen bzw. in den Kindergartenbereich wechseln. Und dass das Team personell aufgestockt wurde. Seit einer guten Woche möchte er zudem partout nicht zum Frühstücken dorthin. Die ersten zwei Male hat er dann dort noch separat in meiner Anwesenheit gegessen. Seitdem essen wir vorher noch zusammen zuhause (Gottseidank ist das bei mir arbeitstechnisch möglich), und dann ist er gut drauf und er geht (meist) wieder gerne hin. Ich gebe ihn dann so ab, dass die anderen Kinder gerade fertig mit dem Frühstücken sind. Ich habe das Gefühl, dass ihm die gemeinsame Extrazeit morgens sehr gut tut ("auftanken"). Wir sind dann nicht so im Zeitstress und können auch mal noch das ein oder andere Buch lesen. Wäre das bei Euch auch eine Option zum Testen? Ich hoffe natürlich, dass das kein Dauerzustand wird, aber aktuell ist das für uns eine gute Lösung. Viele Grüße!


Kyvi

Liebe Kristina, genauso ist es bei unserem Sohn auch 2 1/4. Er erzählt mir auch immer, dass er geweint hat weil „Mama nicht da“. Eine Lösung hab ich leider auch noch nicht gefunden.


Krissi08

Vielen Dank für Ihre empathische und auch für uns Eltern ermutigende Antwort, Herr Dr. Nohr. Wir werden uns weiterhin nach dem Nähebedürfnis unserer Tochter richten, es immer wieder anbieten, dass Papa ins Bett bringen kann, aber nichts forcieren. Auch vielen Dank an Curcuma und Kyvi. Curcuma, Du hast Recht. Es tut wirklich gut zu lesen, dass es anderen Familien ähnlich geht. Wir hatten bereits die Kitazeiten etwas angepasst und bringen sie etwas später, sodass sie nicht mehr in den gemischten und recht wuseligen Frühdienst muss. Und wenn wir wissen, dass ihre beiden Lieblingserzieher nicht da sind oder ihren kurzen Tag haben, lassen wir sie zuhause oder holen sie früher ab. Dank Homeoffice sind wir da einigermaßen flexibel. Ein klein bisschen hatte dies auch geholfen, sie weint dadurch nicht mehr, schaut einen aber mit tieftraurigen Augen an. Was fast genauso schlimm ist für das Elternherz. Aber zu Deinem Thema "auftanken", vllcht wäre es auch eine Idee für uns noch etwas früher aufzustehen, damit sie morgens noch mehr Mamazeit hat. Das werden wir mal testen. Viele Grüße Kristina


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.