Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Geringe Frustrationsgrenze 12 Jahre alten Jungen

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Geringe Frustrationsgrenze 12 Jahre alten Jungen

timeisnow3

Sehr geehrte Fr. Henkes, mein Sohn, im Jänner 12 geworden, befindet sich seit Sonntag auf Skikurs mit seiner Schule. Es ist für ihn sozusagen auch das erste Erlebnis ohne uns Eltern. Geplant ist der Aufenthalt bis morgen. Ich habe mit meinem Sohn vor der Abreise auch nichts vereinbart, ob er sich zwingend täglich bei uns melden soll oder nicht. Wir haben es offen gelassen, er hat ja sein Smartphone dabei, da könnte er sich immer melden, wenn er möchte.  Gestern abend erhielt ich den Anruf seines Sportlehrers, den er nun schon das 2. Schuljahr im Turnunterricht an der Schule hat. Er rief an, um mir mitzuteilen, dass mein Sohn eine sehr geringe Frustrationsgrenze hat und deswegen seit dieser Woche schon ein paar Mal arg austickte. Beim Skifahren selbst nicht, da sei er auch in seiner Gruppe, da ist ihm nichts aufgefallen, aber beim Fußball spielen im Turnsaal oder bei  Gesellschaftsspielen, als er verloren hatte. Er wurde zuerst verbal aggressiv, danach trat er sogar gegen Sessel, die herumstanden. Mitschüler von ihm meinten in einem privaten Gespräch mit dem Sportlehrer, mein Sohn hätte sich seit diesem Schuljahr schon sehr verändert und gewandelt. So kennen sie ihn nicht. Zuhause gibt es momentan schon große Machtkämpfe, da er mehr Handyzeit fordert, seine Hausübungen nur zum Mindesten erledigt und die Schule schon sehr schleifen lässt. Aber es ist alles im Rahmen, da es notentechnisch bis zur 3 geht. Er hat 2 Zwillingsbrüder mit 8 Jahren, wo es natürlich auch Konkurrenzkämpfe gibt und auch natürlich verbale Attacken. Manchmal ist er mir gegenüber (dem Papa nicht) schon auch sehr forsch und ausfallend, als würde er mich drohen zu hauen, wenn ich ihm nicht mehr Handyzeit gäbe. Er spielt im Verein auch Fußball, auch leistungstechnisch, ist dort gut dabei und da hat es noch nie verhaltensauffällige Besonderheiten gegeben. Seit Kindergartenzeit ist er eher ruhig und nicht gerade ein kontaktfreudiger Junge, deswegen haben wir ihn  mit 7 Jahren psychologisch abklären lassen, damit er doch irgendwann keinen Leidensdruck dadurch bekommen könnte. Diese geringe Frustrationsgrenze ist dort schon hervor gekommen, zudem noch einen leicht erhöhten IQ von 116.  Wie sollen wir damit umgehen? Ich möchte ihm auf keinen Fall nach seiner Rückkehr Vorwürfe machen, aber so stehen lassen, kann ich es auch nicht. Ich möchte ihm helfen, was er braucht, was ihm fehlt, was mit ihm los ist? Es ist aber wirklich schwierig, aus ihm etwas raus zu kriegen, da er so verschlossen ist. Wenn Kleinigkeiten bei ihm vorgefallen sind, dann kommt das erst Wochen später in kleine Stücken zurück und dann erzählt er etwas. Meistens beklagt er sich über seine Handylimitzeit, das wäre bei seinen Mitschülern nicht so, nur ich sei so streng. Wir sind vor ca. 3 Wochen von der Stadt auf das Land gezogen, das war schon Jahre geplant, der Ort ist für ihn nicht unbekannt und es ändert sich für ihn dahingehend nicht viel, ausser eine andere Busverbindung. Freunde oder so hat er privat kaum bis gar nicht getroffen, auch wenn ich ihm etwas vorgeschlagen habe. Er wollte niemanden einladen. Vielleicht ist es die Vorpubertät oder doch der Neid auf seine Zwillingsbrüder? Obwohl einer der Zwillinge mit ihm mehr verbunden ist als mit dem Zwillingsbruder. Natürlich dreht sich auch viel um seine Brüder zuhause, die beiden haben ein anderes Temperament als er selbst und die beiden nehmen unsere Zeit sehr massiv in Anspruch.   Wie sehen sie es? Wie kann ich ihn am besten nach dieser Sportwoche konfrontieren, ohne ihm Vorwürfe zu machen? Konsequenz? Manchmal wäre es mir lieber, es gäbe das Thema Handy nicht...haben sie einen Vorschlag, wie man das am besten regeln könnte? Oder einfach grundsätzlich die Medienzeit? Er ist sportlich und auch dahingehend sehr interessiert, auch vielen anderen Sportarten gegenüber. Am liebsten würde er jede Sportsendung im Fernsehen sehen, was ja ok ist, aber alle sind einfach zeitlich nicht möglich, da wir auch gemeinsame Unternehmungen machen möchten oder auch seine Zwillingsbrüder Fußballturniere haben oder er selbst auch. Ich bedanke mich für ihre Antwort sehr herzlich!  


Ingrid Henkes

Ingrid Henkes

Guten Tag, ich denke, es wäre sinnvoll, Ihren Sohn nicht zu konfrontieren sondern das Gespräch mit ihm zu suchen. Im Alter Ihres Sohnes bedeutet das, vorwiegend zu fragen, wie es zu dem Geschehen kam, wie Ihr Sohn das sieht u.ä. Sie brauchen Ihren Sohn auch nicht zu bestrafen. Das wäre in diesem Fall Sache der Lehrer während des Skikurses. Ihr Sohn wird ja wissen, dass die Lehrer Sie angerufen haben. Er kann sich also auch denken, dass Sie ihn darauf ansprechen. Er ist vermutlich darauf eingestellt, Stellung zu beziehen. Interessant finde ich den Hinweis der Mitschüler, Ihr Sohn habe sich seit diesem Schuljahr verändert. Hier mag tatsächlich die Vorpubertät eine Rolle spielen. Vielleicht gibt es aber auch einen anderen Grund für diese Veränderung bei Ihrem Sohn. Da können Sie behutsam das Gespräch mit ihm suchen. Ich halte es für sehr wichtig, dass Kinder und Jugendliche geregelte Handy- und Medienzeiten haben. Das muss man je nach Alter sicher immer wieder neu verhandeln und die Kinder dürfen auch dagegen protestieren. Sie müssen die Vorgaben der Eltern aber einhalten. In dieser Altersphase ist es besonders wichtig, dass die Eltern sich in der Erziehung einig zeigen und sich gegenseitig unterstützen. Ihr Sohn benötigt jetzt als Identifikationsobjekt besonders den Vater als Vorbild oder auch zur Abgrenzung. Gerade weil Ihr Sohn sich Ihnen beiden gegenüber so unterschiedlich verhält, kann Ihr Mann Sie unterstützen, indem er klarstellt, dass er weder verbale Attacken noch Androhungen von körperlicher Gewalt gegen seine Frau akzeptiert.  Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes  


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