Sehr geehrter Herr Prof. Nohr,
Mein Kind ist 26 Monate alt und bisher wirklich sehr umgänglich. Nun ist sie in ihrer Autonomiephase angelangt und eigentlich bin ich überrascht, wie gut sie oft mit sich reden lässt.
Bisher war mir sehr wichtig, dass sie versteht was passiert, sie nicht über Bedrohung gesteuert wird und dass für jeden 'körperlichen Eingriff' ein sehr guter Grund bestehen muss (zb gegen ihren Willen tragen an der Straße).
Nun wird es aber schwieriger, weil sie eben oft aus 'Prinzip' nein sagt. Ich merke, dass ich immer öfter in ein 'wenn, dann...' rutsche.
Ich wüsste aber auch nicht, was ich anderes machen könnte. Typische Beispiele: 'wenn du jetzt die Zähne nicht putzt, können wir keine Kekse mehr essen' 'wenn du das Essen auf den Boden wirfst, nehm ich den Teller weg' wenn du den Mülleimer auskippst, muss ich dich festhalten bis zu es lässt'...
Da könnte ich natürlich viel aufzählen. Ich merke, dass ich mich damit nicht wohl fühle... gibt es da gute Alternativen?
Oft hilft auch Erklärung, oder zb dass ich dann erst wieder 'mit spiele, buch gucke usw' wenn sie xy wieder aufgehoben hat. Aber ich möchte ja keine Kampfbeziehung zu meinem Kind...
Freue mich auf ihre Einschätzung!
von
Blabliblu2020
am 02.11.2020, 09:58
Antwort auf:
Erziehungsfrage
Hallo,
das sind Momente, da bringen uns die Kinder auch an unsere Geduldsgrenzen, und das ist auch gewollt. Es geht ja in der Autonomiephase auch darum, Grenzen auszutesten, merken was geht, was die Eltern aushalten, wo Schluss ist. Das sind wichtige Erfahrungen, praktisch und in der Beziehung.
Allerdings haben Sie auch Recht, dass die wenn-dann Sätze eine "Kampfbeziehung" fördern, deutlich machen sollen, wer hier das sagen hat. Damit ist dann oft eine "Niederlage" verbunden, die Kinder fühlen sich gezwungen bis gedemütigt in ihrer Machtlosigkeit (die es ja real auch gibt).
Deshalb haben schlaue Leute die "niederlagslose Erziehung" beschrieben. Die Idee besteht darin, die notwendigen Grenzen deutlich zu machen ohne Macht zu demonstrieren und damit Ohnmachtsgefühle auszulösen. Wie alle Theorien ist das ein Ideal und geht natürlich nicht immer, könnte aber eine gute Leitlinie sein.
Praktisch könnte das so aussehen, dass man die Grenze zieht (ich will nicht, dass du Essen auf den Boden schmeißt, den Mülleimer umkippst.......), auch deutlich, wenn nötig, aber keine wenn-dann Kausalitäten schafft (das passiert trotzdem noch oft genug).
Die Methode ist etwas aufwendiger aber ich glaube, wenn man mal die Position des Kindes einnimmt, viel verträglicher.
Wie gesagt, nehmen Sie es als Leitidee, von der es immer wieder Abweichungen geben wird (wir sind fehlbare Menschen), die aber eine andere Haltung ermöglicht.
Dr.Ludger Nohr
von
Dr. med. Ludger Nohr
am 02.11.2020