Agathe
Sehr geehrte Frau Henkes, mein 5-jähriger Sohn war immer sehr zurückhaltend im Kontakt mit anderen Kindern, hat diese eher gemieden. Zurzeit kommt es jedoch immer häufiger zu Konflikten, wenn wir auf dem Spielplatz oder bei Freunden fremde oder bekannte Kinder treffen. Zunächst war das nur so, wenn diese ihm sich näherten oder zufällig auf dem gleichen Spielgerät spielten. Er schien sich dadurch bedroht zu fühlen oder interpretierte die Annäherung als feindselig (das vermute ich zumindest). Mittlerweile sucht er aber oft den Kontakt, wie mir scheint, mit dem Ziel, die anderen Kinder zu ärgern/zu provozieren. In der Regel vermeide ich mittlerweile Besuche auf gut besuchten Spielplätzen. Jede Interaktion mit anderen Kindern muss ich gefühlt moderieren (oft erfolglos). Kürzlich hat er auf einer großen Schaukel für mich aus dem Nichts heraus die 3-Jährige Tochter von Freunden getreten. Im Kindergarten verhält er sich sehr angepasst. Er hat dort 2 engere Freunde, mit denen er meistens spielt. Er orientiert sich sehr an den älteren Kindern, ist freundlich und hilfsbereit den Erzieherinnen gegenüber. Zuhause spricht er meistens sehr schlecht über die meisten anderen Kinder (aus dem Kindergarten (nicht aber über seine Freunde), von Freunden/Bekannten). Bis vor Kurzem bestand eine enorme Rivalität zum jüngeren Bruder. Das hat sich gerade etwas gelegt, dafür treten jetzt gehäuft Konflikte mit anderen Kindern auf. Er verbündet sich mit dem Bruder gegen die anderen. Er ist kognitiv sehr fit, hat auch eine sehr unsichere/ängstliche Seite und kann sich gleichermaßen auch prosozial verhalten. Ich weiß nicht, wie ich ihn unterstützen kann, und frage mich, ob wir uns über externe Unterstützung Gedanken machen sollten. Für Ihre Antwort vielen Dank im Voraus!
Guten Tag, Ihr Sohn war bisher sehr zurückhaltend anderen Kindern gegenüber. Nun hat er Aggressivität gegen diese als Mittel entdeckt, sich Gefühle von Macht und Stärke zu verschaffen. Da zum jüngeren Bruder große Rivalität bestand, wird die Entthronung durch ihn u. a. zu Gefühlen von Schwäche und Hilflosigkeit angesichts des bedrohlichen Rivalen geführt haben. Die kann er durch sein aktuelles Verhalten überwinden, um sein Selbst positiver zu empfinden. Zudem vermutet er wohl unbewusst, dass Sie sich darüber freuen, weil er so die Rivalität zum Bruder bewältigt und sich sogar mit ihm verbündet. Unterstützen Sie Ihren Sohn darin, sozial angemessenere Möglichkeiten des Ausagierens seiner aggressiven Strebungen zu finden. Da er kognitiv fit ist, könnte er vielleicht positive Dominanz erlangen, indem er gute Spielideen für andere mit entwickelt. Gleichzeitig braucht Ihr Sohn deutliche Grenzen, die Sie ihm setzen. Ich halte es für sehr verständlich, dass Sie große Spielplätze meiden. Aus den geschilderten Konflikten und Ihrem Umgang damit kann Ihr Sohn jedoch lernen. Die Konflikte müssen nicht unbedingt moderiert werden. Vielmehr können Sie aktiv einschreiten und Ihren Sohn aus einer Situation entfernen, wenn er sich anderen Kindern aggressiv nähert. So kann er lernen, dass Sie seinem unerwünschten Verhalten wirksam begegnen können. Das schlechte Reden über andere Kinder lässt darauf schließen, dass Ihr Sohn noch sehr selbstunsicher ist. Versuchen Sie, ihm viele Gelegenheiten zu bieten, in denen er sich als kompetent und gut erleben kann. Er sollte spüren, dass Sie ihn, so wie er ist, gut und richtig finden. Das stabilisiert sein entstehendes Selbstwertgefühl und hilft ihm, sich selbst besser anzunehmen. Über professionelle Unterstützung müssen Sie sich zurzeit sicherlich keine Gedanken machen. Das Verhalten Ihres Sohnes ist bei Fünfjährigen nicht selten. Mit entsprechender erzieherischer Begleitung wird Ihr Sohn sein Verhalten ändern. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes