Liebe Frau Ubbens,
ich habe schon ähnliche Fragen gefunden und mir die Threads durchgelesen, doch ich würde dennoch gerne meine Situation schildern und wäre dankbar für Ihren Rat!
Mein Sohn (4 Jahre alt) versteht sich sehr gut mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft (6 Monate älter als er). Sie gehen auch in dieselbe Kindergartengruppe. Zusammen sind sie ein explosives Duo und machen (naturgemäß) Dinge, die sie jeweils alleine nicht tun würden. Besonders unangenehm ist es mir dann, wenn das Mädchen mit seiner Mutter zu Besuch ist. Dann ist die Rollenverteilung auch unklar, denn wenn ich die einzige Aufsichtsperson bin, kann ich auf meine Art und Weise eingreifen (richte Appelle immer an beide Kinder gleichermaßen, ermahne beide). Mein Sohn mag das Mädchen gerne und versucht immer es ihr Recht zu machen (eine Eigenschaft, die ich leider auch habe und an der ich arbeite). Wenn sie z.B. partout das Wasser aufdrehen möchte, obwohl sie das im Garten nicht alleine dürfen, versucht er zunächst etwas anderes vorzuschlagen, gibt aber letztlich ihren Wünschen nach. Neulich wurde das sogar gefährlich, da hat sie ihm etwas zugflüstert und er ist anschließend beim Tor unten durch auf die Straße gekrabbelt. Die Mutter sieht immer nur diese "Momente" und macht sich, so kommt es mir vor, keine Gedanken über die Vorgeschichte. Dadurch wirkt es für sie als wäre nur mein Sohn ein "Lausbub". In diesem Fall habe ich mich hingekniet und meinem Sohn eindringlich gesagt, dass er nicht einfach auf die Straße darf. Das Mädchen stand daneben und rief ständig: "Das hab ich ihm eh gesagt, er hat es trotzdem gemacht!" Innerlich hat mich das wütend gemacht. Die Kleine hat gelernt, dass man besser damit durchkommt, wenn man die Schuld immer auf andere schiebt. Es war auch immer alles die Idee der anderen, sie kann nie etwas dafür. Ich habe die Zurufe des Mädchens ignoriert, weil ich nicht wusste, wie ich damit am besten umgehen kann.
Jetzt ist es natürlich so, dass ich versuche bei meinem Kind anzusetzen und die anderen als "Variablen" sehe (jetzt geht es ums "Anstiften" unterm Tor durchzukrabbeln, irgendwann geht es dann ums Rauchen / Trinken oder weit gefährlichere Dinge) und mein Ziel ist daher natürlich, mein Kind dazu zu bringen, ein Gefühl für richtig/falsch bzw. gefährlich/ungefährlich zu entwickeln und in einem weiteren Schritt auf dieses Gefühl zu hören.
Daher meine Frage: Was würden Sie mir raten, wie ich das meinem Sohn vermitteln kann? Und wie soll ich mich dem Mädchen gegenüber verhalten? Meine Mutter hat mir den Tipp gegeben, dass wenn ich wieder einmal beide Kinder bei mir habe (ohne die Mutter des Mädchens), dann das Gespräch zu suchen und auch dem Mädchen zu erklären, dass das Anstiften nicht in Ordnung ist. Ich möchte aber nicht übergriffig sein, da ich mich noch gut an meine eigene Kindheit erinnere und auch Situationen im Kopf habe, in denen man mir einen Vorwurf gemacht hat, obwohl ich nur auf etwas reagiert habe. Erwachsene sehen eben fast immer nur eine Momentaufnahme... Deshalb bin ich auch so vorsichtig.
Vielen Dank alleine schon dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen, diesen Roman zu lesen!
Herzliche Grüße,
Silvia
von
Melna
am 01.07.2021, 13:42
Antwort auf:
Wie verhalte ich mich, wenn mein Kind einem anderen hörig ist (Mutproben)?
Liebe Silvia,
meine beiden Vorrednerinnen haben schon sehr gut und richtig geantwortet. Folgen Sie gerne den Tipps und Ideen. Ich werde jetzt nicht alles wiederholen. Ich möchte gerne Sie zitieren:
"Jetzt ist es natürlich so, dass ich versuche bei meinem Kind anzusetzen ... mein Ziel ist daher natürlich, mein Kind dazu zu bringen, ein Gefühl für richtig/falsch bzw. gefährlich/ungefährlich zu entwickeln und in einem weiteren Schritt auf dieses Gefühl zu hören." Aus den genannten Gründen sollten Sie nach den Vorfällen gerne mit beiden Kindern sprechen, wobei der Fokus auf Ihrem Sohn liegen sollte, dass es beispielsweise nicht in Ordnung ist, unter dem Tor hindurch zu krabbeln.
Viele Grüße Sylvia
von
Sylvia Ubbens
am 02.07.2021
Antwort auf:
Wie verhalte ich mich, wenn mein Kind einem anderen hörig ist (Mutproben)?
Hallo,
bei uns gab es das mit dem Anstifter noch nicht, aber wenn unsere Freundin mit Tochter da ist (noch der einzige Spielkontakt), dann bekommen beide Kinder etwas erklärt, auch wenn nur eines etwas gemacht hat.
ZB haben die beiden Arzt gespielt und das Mädchen wollte mit einem Stock im Ohr Fieber messen. Die Mutter hat es unterbunden und ich habe beiden Kindern erklärt, dass das gefährlich ist und sie das nicht mehr tun sollen.
Um bei Deinem Beispiel zu bleiben: Unter dem Tor durchklettern ist ja für jedes Kind gefährlich, das hätte ich beiden erklärt. Ich finde, das ist nicht übergriffig, auch wenn die andere Mutter dabei ist.
Ich persönlich würde das Mädchen nicht ansprechen, das würde sie überfordern. Ich würde als erste Konsequenz die beiden im Auge behalten, durchaus auch mit der Ankündigung "Wenn ihr zusammen spielt, ist das Chaos immer groß" (aber kindgerechter formuliert), und dann frühzeitig einschreiten durch Ablenkung. Vielleicht "passiert" dann weniger, und nach einiger Zeit ist wieder mehr "Freiheit" möglich.
Viele Grüße
von
Mamamaike
am 01.07.2021, 22:21
Antwort auf:
Wie verhalte ich mich, wenn mein Kind einem anderen hörig ist (Mutproben)?
Zusätzlich noch kurz etwas: man neigt dazu, das eigene Kind immer im besten Licht zu sehen und natürlich auch zu glauben.
Aber ich kann dir versichern, wenn man nachfragt, wessen Idee das war, werden in dem Alter BEIDE sagen, nicht ihre ;-)
Ich würde mich also nicht zu sehr darauf einschießen, dass es immer nur die anderen sind, die dein Kind überreden und er selbst so etwas nieeeemals machen würde. Letztendlich hat er mitgemacht, oder?
Eigene Entscheidungen zu treffen, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden und sich nicht beeinflussen zu lassen, ist eigentlich die größte Lehraufgabe, die Eltern haben. Das ist ein Prozess, der Jahre dauert. Manche Kids sind eh selbstbewusst und können schnell "nein" zu anderen sagen - anderen fällt das sehr schwer. Die meisten liegen in der Mitte - sie wissen, dass man nicht auf die Straße soll, aber würden ja dennoch gerne - und wenn dann die Freundin auch noch sagt "los, wir machen das" ist jede Hemmschwelle dahin.
Du musst halt auch im Kopf haben, dass alle verbotenen Dinge einen Reiz ausüben und es nur einen Mitstreiter braucht, sich dann doch über das Verbot hinwegzusetzen.
Bis man dann aber sowohl sich selbst so im Griff hat UND auch noch zu Freunden "nein" sagen kann, dass wird sich nicht nur aus dieser Situation ergeben/lernen lassen.
von
cube
am 02.07.2021, 15:31
Antwort auf:
Wie verhalte ich mich, wenn mein Kind einem anderen hörig ist (Mutproben)?
Vielen Dank für die hilfreichen Rückmeldungen und Reaktionen! Der Hinweis, weiterhin beide Kinder anzusprechen, hilft mir sehr, denn ich war unsicher, ob das eine gute Strategie ist. Vielen Dank @Mamamaike :-) Diese Hoffnung habe ich auch, dass langfristig wieder mehr Freiheit möglich ist, denn an sich sind die beiden ein schönes Duo und wenn sie mal gerade nicht durch Tore klettern, malen sie gemeinsam oder spielen Theater.
Danke auch @cube - ich fürchte, das habe ich dann nicht richtig rübergebracht, es ist mir auch ein Anliegen, mein Kind nicht als "den Heiligen" zu sehen :-) Ich erinnere mich da wirklich gut an meine eigene Kindheit und das ist auch der Grund weshalb ich das nie für bare Münze nehme. Zum Hintergrund nur kurz: Mein Sohn hat in letzter Zeit sehr oft die "Schuld" für etwas auf sich genommen, das er nicht getan hat (im Zusammenhang mit seiner kleinen Schwester, die selbst noch nicht reden kann und im Kindergarten, das hat mir die Pädagogin berichtet) und natürlich soll das in beide Richtungen gehen - weder vermute ich, dass er nie der Anstifter ist, noch vermute ich, dass er immer die Ideen hat (und das ist leider das, was das ältere Mädchen seiner Mutter scheinbar sehr glaubhaft vermittelt hat).
Vielen Dank & liebe Grüße
von
Melna
am 06.07.2021, 14:16
