Elternforum Rund ums Kleinkind

Plötzlich großer Bruder

Plötzlich großer Bruder

Maja88

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Hallo zusammen, schon lange habe ich mir oft als stille Mitleserin in diesem Forum Tipps und Anregungen angelesen. Doch jetzt möchte ich mich mal direkt an Euch richten, denn ich weiß nicht, wie ich oder wie wir mit unserer Situation besser umgehen sollten. Ende März habe ich mein zweites Kind (Mädchen) bekommen. Unser Sohn wird bald 3 Jahre alt. Wir haben ihn bereits sehr lange vorher schon erklärt, dass er eine kleine Schwester bekommen wird und ich habe alles versucht, um ihm spüren zu lassen, dass er teilhaben wird und darf. Er hatte sich letztendlich auch wirklich auf sein Geschwisterchen gefreut. Dass es dann natürlich etwas anderes und eine harte Umstellung ist, wenn es dann wirklich soweit ist, ist mir klar. Die erste Nacht, in der ich mit meinem Mann ins Krankenhaus musste zur Geburt, war sehr sehr schwer für ihn. Seine Oma war da (er ist liebensgern bei ihr!), und auch das hatten wir ihm vorher schon erklärt, dennoch ließ er sich in dieser Nacht kaum beruhigen. Ich war zum Glück am 3. Tag nach der Geburt schon wieder daheim (Mein Mann direkt nach der Geburt). Seine Schwester hat er in sein Herz geschlossen, er kuschelt, küsst sie und will überall dabei sein. Allerdings hat er vor allem seit meiner Rückkehr sehr heftige Wutanfälle, tagsüber und jetzt auch nachts. Er war schon als Baby ein sehr impulsives, emotionales und sensibles Kind (Schreibaby). Mittlerweile ist er ein Goldkind, sehr sozial, liebevoll, liebesbedürftig, sehr aktiv und ein toller Junge. Aber er ist so gefühlsstark, dass wir im Moment am Limit gehen. Bei scheinbaren Kleinigkeiten tickt er komplett aus (uns gegenüber). Haut, tritt, schlägt, beißt uns. Gestern Nacht wachte er auf und irgendetwas passte ihm nicht (oder er träumte?) und er attakierte mich regelrecht. Zog mich hier und da hin und wollte mich beißen, wie ein Tier. Ich habe sämtliche Ratschläge die ich finden konnte versucht umzusetzen (ruhig bleiben, nicht selbst schreien oder sauer werden, bestimmt sagen und zeigen, dass er uns nicht wehtun darf, vorgeschlagen, wo er seine Wut rauslassen darf - z.B. auf Kissen schlagen etc). Aber nichts fruchtet. Ich kann nichtmal aus dem Zimmer gehen, wenn er haut oder tritt, weil er in diesem Moment so aufgebracht ist, dass er hinter mir her rennt, mich festhält und an mir zerrt. Ohne Gewalt kann ich ihn garnicht von mir weg halten, und Gewalt ist natürlich so garkeine Option! Es ist heftig und es nimmt mich sehr mit. Ich habe ihn als Baby sehr viel getragen (Kinderwagen akzeptierte er nicht), so viel Liebe gegeben, wie ich konnte. Und jetzt habe ich Angst, dass die Umstellung zu krass für ihn ist. Er leidet, und das lässt er auf diesem Weg raus, doch was soll ich tun? Seine Schwester ist zum Glück bisher pflegeleicht, aber trotzdem tut es mir so leid für sie, dass hier ständig Gebrüll und Geschrei ist. Täglich mehrmals. Zwischenzeitlich ist alles wieder normal. Wenn er in seine Tagesbetreuung geht, zeigt er sich auch normal. Aber bei uns sprengen diese Wutanfälle und Gefühlsausbrüche ganze Tage. Habt ihr ähnliche Erfahrungen? Habt ihr Ratschläge? Ich freu mich über Antworten. Liebe Grüße an alle..


Paco

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Antwort auf Beitrag von Maja88

Hallo Maja88 Ich denke, ich kann mit dir mitfühlen. Bei uns war es ziemlich genau so, als die kleine Schwester geboren wurde. Alles lief aus dem Ruder (die Kleine wurde zweimal schwer krank und ich verbrachte jeweils 10 Tage mit ihr im Krankenhaus) und ich konnte vor lauter Schuldgefühlen kaum noch klar denken. Was mir geholfen hat: Viel mit dem Grossen unternehmen. Die Kleine ins Tragetuch nehmen und los. Möglichst viel Spass und Zuwendung, betonen, wie toll er als grosser Bruder ist und wie gut er seine Sache mit dem Baby macht. Erklären, dass das Baby halt noch nicht so viel kann wie er. Dem Baby erklären (gut hörbar), dass es jetzt halt kurz warten muss, weil der Grosse etwas Wichtiges zeigen/machen muss. Bei Wutanfällen nicht weglaufen, den Grossen fest in die Arme nehmen und das Wutbündel aushalten. Verhindern, dass er dir weh tut, aber für ihn da sein und ihm helfen, seine Gefühle loszuwerden. Immer das selbe sagen: "Du bist wütend, ich bin für dich da. Bald ist es vorbei. Nicht hauen, das will ich nicht. Bald ist die Wut weg" oder so was Ähnliches. Selber nicht wütend werden, aber entschlossen festhalten. Er braucht dich als Ventil um seine Spannung loszuwerden. Wenn du wegläufst, verzweifelt er nur noch mehr, weil er sich selber nicht helfen kann. Du kannst ihm das auch in einer ruhigen Minute erklären, dass du bei ihm bist und ihn fest in den Arm nimmst, wenn das Wutmonster (Buchtipp) kommt. Bei uns wurde es sehr rasch besser, allerdings habe ich mich vorher monatelang mit anderen Ansätzen abgemüht (eben weggehen) - ohne Erfolg. Und für dich selber: Du hast deinem Kind ein Geschwister ermöglicht. Das ist manchmal mühsam und anstrengend, aber später wird es zu einem Spielkameraden und Verbündeten fürs Leben. Ein Geschwister zu haben ist etwas Wunderbares! Unsere Zwei sind heute ein richtig gutes Team (Die Kleine wird jetzt bald 3). Sie spielen viel zusammen und der Grosse passt super auf seine kleine Schwester auf. In der Kita wird er als "Vorzeige-Grosserbruder" gelobt. Wer hätte das gedacht?! Ich wünsche dir ganz viel Nerven, Humor und Gelassenheit - für alle Geschwisterstürme, die da noch kommen werden!


Maja88

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Antwort auf Beitrag von Paco

Hallo Paco, ganz lieben Dank für deine Antwort :) Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist mit diesem "Problem". Viele Freunde oder Bekannte, die wir kennen, haben zwar auch erzählt, dass diese Umstellungen für die "großen" Geschwister eben schwierig sind, können aber das Ausmaß unserer Situation nicht nachvollziehen. Das war aber schon in der Babyphase unseres Sohnes so, wo wir wirklich wochen- und monatelang von allen möglichen gesellschaftlichen Treffen und vom normalen Leben Abstand nehmen mussten, da unser Sohn leider durchgehend geschrien hat. Und das konnte keiner verstehen. Es beruhigt zu lesen, dass es bei euch heute zu einer tollen Umkehrung kam. Ich habe noch garnicht daran gedacht, dass ihn mein "Weggang", wenn er mir wehtut, ihn noch mehr verzweifeln lässt- das ist ein wichtiger Gedanke. Danke. Ich werde versuchen es mal so umzusetzen, wie ihr es gemacht habt. Weiß jedoch nicht, ob er es zulässt. Meistens weigert er sich in diesen Momenten in den Arm genommen zu werden (er schlägt und tritt dann um sich). Genauso "darf" man aber auch nicht "weggehen". Er ist einfach so außer sich, dass er selbst nicht mehr weiß, was er will. Ich versuche und beobachte das trotzdem mal. Das Buch schaue ich mir auch gern mal an. Ich wünsche mir sehr, dass es sich wie bei euch einpendelt und beide davon irgendwann profitieren. Diese Ausbrüche belasten mich sehr stark (vielleicht, weil sich meine Hormone ja auch noch umstellen gerade..). Ich habe schon Sorge, ob das alles so eine gute Idee war, auch, wenn ich meine Tochter natürlich nicht missen will. Aber ich wollte auch nie, dass mein Sohn solche Probleme dadurch bekommt. Vielleicht bin ich auch zu ungeduldig.. Ich versuche schon so viel wie möglich für ihn so beizubehalten, wie es vor der Geburt war , und mit ihm und ihr (im Tragetuch, denn Kinderwagen mag sie auch nicht) raus zu gehen und ihm auch viel Aufmerksamkeit im Alltag zu schenken. Beim Stillen z.B. lese ich immer Bücher mit ihm zusammen und/oder wir kuscheln und reden ganz viel. Das werde ich dann auf jeden Fall so weitermachen.. Lieben Dank nochmal und viele Grüße


Paco

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Antwort auf Beitrag von Maja88

Hallo Maja88 Ich kann deine Verzweiflung gut nachvollziehen, mir ist es wirklich auch so ergangen. Für uns war das auch eine ganz schwierige Zeit - vielleicht hat sie uns aber auch besonders zusammengeschweisst. Für mich war es zu Begin auch nicht leicht, den Jungen festzuhalten während des Tobens. Er wehrte sich nämlich auch und ich musste ihn richtiggehend "fixieren". Dennoch hat sich das Festhalten für mich richtig angefühlt, gerade weil ich dabei bleibe, weil ich meine Grenze wahre (ich will nicht geschlagen werden) und seine Wut aushalte. Es ist eine sehr persönliche Form der Auseinandersetzung, es gibt keinen Kontaktabbruch (im Zimmer alleine lassen hat unseren Jungen nur noch mehr in Verzweiflung gebracht). Unserer Beziehung hat das übrigens in keinster Weise geschadet - im Gegenteil, ich fühle mich ihm heute wieder genauso nahe wie als wir nur "zu zweit" waren. Ich wünsche dir wirklich ganz viel Kraft und Geduld für die kommende Zeit. Ich kann mich erinnern, wie erlösend es war, als meine zwei zum ersten Mal miteinander gespielt und herumgekichert haben. Da habe ich gesehen und gefühlt, wie sich die Wege der Kinder in Zukunft berühren und bereichern werden! Alles Liebe und ich hoffe, dass deine Kleine auch bald ihren Platz in der Familie gefunden hat. Vergiss auch nicht, noch ein bisschen Sorge zu dir zu tragen - du stemmst grad eine Mordsaufgabe, da solltest du dir ebenfalls viel Gutes gönnen!


MamaMarie16

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Antwort auf Beitrag von Maja88

Liebe Maja88, Diese Intensität hatten wir nicht. Allerdings war unser großer auch sehr aggressiv gegen uns, als er mit 4,5 großer Bruder wurde. Die genannten Tipps haben uns auch geholfen. Ganz viel Liebe und Nähe! Auch zu viert. Ich war sehr froh, dass er seine Wut und Verzweiflung an uns und nur an uns ausgelassen hat. Wir sind groß, wir sind erwachsen, wir können es ertragen. Dazu sind wir Eltern da. Dass er sonst friedlich war, habe ich als gutes Zeichen gewertet. Denn es hat gereicht uns als Ventil zu nutzen. Seine übrige Welt war noch heil. Und das Geschwisterchen wurde geliebt. Das ist mir am wichtigsten. Es ist eine wunderbare Grundlage für eine gute Geschwisterbeziehung. Bei uns kam die Wut in Wellen, immer wenige Wochen, immer ein bisschen weniger werdend, mit immer größeren Pausen. Ich glaube nach 6 Monaten war der größte Sturm vorbei. Jetzt (K2 ist 1 Jahr alt) lieben sie sich immernoch, spielen schon toll zusammen und wir haben unseren alten großen zurück. Ihr schafft das. Viel Kraft!


Maja88

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Antwort auf Beitrag von MamaMarie16

Hallo ihr, lieben Dank noch für eure Antworten. Die letzten Tage waren sehr turbulent bei uns und ich kam einfach zu garnichts, noch nicht einmal, um hier kurz eine Meldung zu hinterlassen. Die Kleine ist sehr unruhig im Moment und wir bekommen beide Kinder erst sehr spät ins Bett, da sie sich beide immer wieder gegenseitig aufwecken (die kleine weint, ihr Bruder verlangt natürlich auch von mir und möchte, dass ich bei ihm bleibe etc.). Es ist wirkliche eine schwierige Zeit und seine Wutanfälle halten auch noch an. Ich habe in den letzten Tagen die Dinge umgesetzt, die ihr mir vorgeschlagen habt und ich habe das Gefühl, dass das "Festhalten" und "Da-Bleiben" tatsächlich besser funktioniert als das "Ich-gehe jetzt, wenn du mir weh tust". Doch es dauert und nach dem Wutanfall sind wir alle erschöpft. Ich versuche ihm wirklich so viel Aufmerksamkeit zu geben, wie es eben möglich ist, nur kann ich mich auch nicht zweiteilen. Mein Mann ist den ganzen Tag arbeiten und kommt erst um 18 Uhr frühestens nach Hause, sodass ich die Zeit größtenteils alleine bin. Leider verhält sich mein Sohn jetzt auch woanders untypisch. In der Tagesbetreuung hat er vor einigen Tagen zwei Kinder gebissen - leider war niemand gerade dabei, der genau sagen konnte, was vorgefallen war. Und draußen auf Spielplätzen verhält er sich manchmal distanzlos und umarmt und küsst andere, meist jüngere, Kinder, auch wenn sie es nicht wollen. Wenn man es ihm erklärt, dass sie es nicht wollen und wir keine fremden Menschen küssen, findet er es erst lustig, macht es dann noch mehr und steigert sich da rein. Gestern habe ich ihn dann (natürlich rebellierend) so von einem Trampolin tragen müssen, weil er immer weiter machte, und der andere Junge schon ganz hilflos war, und er zuletzt auch den Jungen festhielt und schubste. Vielleicht bin ich im Moment einfach zu sensibel. Aber so kenne ich ihn nicht und ich mache mir einfach Sorgen. Ich werde dran bleiben und mein Bestes versuchen und hoffen, dass es sich auch so gut entwickelt wie bei euch. Vielen Dank und liebe Grüße..