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@Liebe, Verantwortung, "Erziehungscamps"

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Mitglied inaktiv

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Hallo zusammen! Sie läßt mich nicht los, die Frage, was "Erziehungscamps" leisten können und was sie nicht leisten können ... Nochmal anknüpfend an meine Überlegungen von gestern: Ich meine, „bedingungslose Liebe“ ist deshalb nicht - nirgends, bei niemandem - nachzuholen, weil sie bedeutet, daß man geliebt wird, ohne daß dieses Gefühl an irgendwelche Bedingungen geknüpft wäre. Hier kann ich Butterflocke sehr gut folgen. Nicht an die Bedingung, daß ich „brav“ bin, daß ich "sozialverträglich" bin, daß ich eine „klasse Teilnehmerin im Erziehungscamp“ bin, daß ich „eine tolle Ehefrau“, daß ich „eine prima Gesprächspartnerin“, daß ich „eine tolle Mutter“ bin … oder oder … Bedingungslose Liebe meint, daß ich geliebt werde, einfach und nur, weil ich bin. Und diese Liebe gibt es wohl tatsächlich nur einmal exklusiv im Leben … als Elternliebe und, wenn’s gut läuft (;-), vielleicht auch als Geschwisterliebe. Aber ich bin – als Kind und als Mensch - nicht nur ein „Gefäß“ für Liebe und das Maß der bedingungslosen Liebe allein, das in mich hineingefüllt wurde allein macht nicht aus, wer ich bin oder wer ich werden kann. Genau darauf insistiert „Oma“ für mich vollkommen zu Recht. Das ist das ungeheure Potential unseres „freien Willens“ – bei aller Zweifelhaftigkeit, die diesem Konstrukt darüberhinaus anhaften mag … Ich meine, neben der bedingungslosen Liebe meiner Mutter/meines Vaters/meiner Geschwister, gibt es eben noch etwas, nicht minder Wichtiges, was mich und meinen Platz in der Familie (und damit meine Ahnung von Bedeutung auch "da draußen", in der „Welt“) ausmacht und konstituiert. Nämlich, daß ich als Kind weiß, und nicht nur gesagt bekomme, sondern wirklich weiß, daß ich innerhalb der Familie und all ihrer (alltäglichen) Belange gebraucht werde, ganz konkret mit allen Sinnen erfahrbar gebraucht werde -- damit „der Laden läuft“. So daß in mir allmählich ein Selbstbild entstehen kann, in dem zum Ausdruck kommt, daß ich „nur weil ich bin“ geliebt werde u n d daß ich in einem Sinnzusammenhang stehe, der zugleich über mein reines „für-mich-sein-und-dafür-geliebt-werden“ hinausgeht. Das verstehe ich unter „Verantwortung“: das Ich steht in einem Zusammenhang, der über es hinausgeht. Und ich behaupte kühn, der Mensch braucht neben dem Gefühl, als Individuum um seiner Selbst willen geliebt zu werden auch die Gewißheit, in einem größeren Zusammenhang zu stehen, als „Herdentier“ (das er immer war … oder denke ich hier falsch?!) gebraucht zu werden. Und zwar nicht im Sinne eines künstlich dargebotenen Therapeutikums - jedenfalls nicht dem Ursprung nach, meine ich - sondern „echt“ und mit allen Sinnen erfahrbar. Ich behaupte, das Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit unseres Daseins, ein liebevolles Gebrauchtwerden innerhalb dessen, was das Ich umgibt, gehört zu uns wie der Pickel zur Periode oder der Klogang zur Verdauung. Und da der Mensch diese Anlage zur Verantwortung bzw. sozialem Verhalten und vor allem zur Reflexion darüber (!) („Wo ist mein Platz im Ganzen? Weshalb bin ich hier?“) als (selbst)reflektierendes, sinnsuchendes Herdentier in sich trägt, meine ich, sucht sie sich, wenn sie nicht gelebt werden kann und die Reflexion darüber ins Leere läuft, ihren Ausdruck, und wenn er noch so sinn-los ist. Und genau da könnte ein „Erziehungscamp“ ansetzen: es kann dem Teilnehmer keine bedingungslose Liebe geben, aber hier kann die Anlage zu sozialer Verantwortung (an sie muß man allerdings glauben, nur dann geht meine Argumentation …), die in der Kindheit unabgerufen blieb, – wenigstens dann – und dann tatsächlich als Therapeutikum aktiviert werden. Sogar ohne bedingungslose Liebe, und vielleicht sogar als Ersatz für bedingungslose Liebe meine ich. Deshalb, und nicht so sehr wegen der Disziplin, die dort angeblich gefordert wird, sehe ich in Erziehungscamps eine echte Chance für Jugendliche. Mir gefällt dieses Idee ungemein … … Und – selbst wenn meine Gedanken nur einen Baustein liefern können und für eine schlüssige Erklärung für jugendliche Gewaltexzesse dieser Tage noch längst nicht reichen sollten … im übrigen gilt das für alle Erklärungsversuche, denn der Umkehrschluß: „Warum sind dann nicht alle Jugendliche, die unter xy Bedingungen groß geworden sind, gewalttätig?“ bringt sie allesamt in Verlegenheit …;-) -- es ist mir persönlich ein Rätsel, weshalb wir innerhalb des Familienverbandes diese Anlage zu Verantwortungsbewußtsein und sozialem Verhalten immer seltener abrufen … und das meine ich nicht nur für Familien, in denen Kinder und ihre Belange noch nicht einmal mehr physisch (Bedürfnis nach altersgerechtem Essen und Trinken, Mindeststandards an Hygiene, Bedürfnis nach kognitiver Anregung …) wahrgenommen werden. Das meine ich auch für die sogenannten „Mittel- und Oberschichtskinder“. Und das meine ich auch nicht nur für Eltern-Kind-Familien, sondern auch für Familien mit alleinerziehenden Müttern oder Vätern. … Und das meine ich sogar schon für Kleinkinder (ab etwa vier Jahren). In die Verantwortung nehmen?! Ja, sicher, w i r Mütter und/oder Väter fühlen uns für sie verantwortlich. Bis zum Exzess, würd’ ich sagen. Wir „fördern“ ohne Unterlass, je nach neuestem Stand der Empfehlungen, die in Umlauf sind. Oder aber unsere Kinder sollen sich „frei entfalten“ … und sich bittschön nur „frei entfalten“. Sie sollen vom Aufwachen bis zum Schlafengehen „spielen“, irgendwie, irgendwas. Mal spielen um des Spielens willen, mal um des spielerischen Lernens (für später!) willen, und sie sollen praktischerweise in ihrer Spielwelt bleiben, während wir Großen die Hausarbeit machen, das Essen kochen, den Einkauf besorgen … für die Existenz der Familie sorgen. Da haben wir für unsere Kinder nämlich meist keine Verwendung. Ich weiß, diese Beschreibung wird nicht jeder Realität in den Elternhäusern gerecht, aber viel zu vielen, meine ich … und beobachte ich (und manche Autoren mit mir – oder ich mit ihnen ;-). Gibt es diesen „Entfremdungsprozeß“ (also, daß das Kind aus den existentiellen Familienangelegenheiten zunehmend (?) herausgehalten werden soll … ich selbst ertappe mich im Umgang mit meinen Kindern immer wieder dabei) tatsächlich? Wenn ja, warum ist das so??! War das schon immer so? Ab wann wurde es so? Was gewinnen unsere Kinder dadurch? Lieben wir sie dadurch „mehr“? Bezögen wir unsere geliebten (!) Kinder selbstverständlich in den „Familienbetrieb“ (den gesellschaftlichen Mikrokosmos sozusagen) ein, (… beim Verlegen des Teppichs, beim Nachsehen der Hausaufgaben der Geschwister, beim Kochen, beim wasweißich … und ich meine, dies sind ja nun nicht Tätigkeiten, die man schweigend nebeneinander ausführt, hier passiert so vieles: Kommunikation, Streitkultur, man kommt ins und man bleibt im Gespräch … Auch über die Pubertät hinaus, selbst wenn der „Familienbetrieb“ dann aus Gründen notwendiger Ablösungsprozesse, die mal dramatisch aufbegehrend, mal rebellisch laut, mal inwendig leise vonstatten gehen, längst nicht mehr so geschmiert läuft ;-) … egal, es blieben trotzdem genügend Gelegenheiten übrig, im Gespräch zu bleiben), ergäbe sich daraus, für mich nahezu logisch, ein Hineinwachsen der Kinder bzw. dann Jugendlichen in ein Verantwortungsbewußtsein auch für das, was wir (makrokosmisch) „die Gesellschaft“ nennen. Versteht Ihr, was ich meine? … Und symbolisiert ein „Erziehungscamp“ nicht genau diesen um „Verantwortung“ erweiterten Erlebenshorizont? Ist das nicht seine Botschaft: „Du kommst nun zu ‚uns’ (in einen ‚größeren’ Zusammenhang) und alles, was Du hier erleben wirst, hat auch, aber nicht nur, mit Dir zu tun … und wenn Du wenigstens das akzeptierst, werden wir Dich hier gut brauchen können. Mit all dem, was Du für Dich bist, und mit all dem, was Du für ‚uns’ sein kannst.“ Und Regeln und feste Strukturen wären, wenn überhaupt, ein „Übel“, das ich bei kritischer Betrachtung solcher Camps gemessen an der ungeheuren Chance, die darin (im oben ausgeführten Sinne) liegt, in Kauf nehmen könnte … Die Erfahrung des Gebrauchtwerdens allein kann (!) „von da an“ glücklich machen. (und vielleicht die Voraussetzung schaffen, dann auch selbst bedingungslos lieben zu können, versteht man Liebe als eine „Kapazität der Seele“ … ein wunderschönes Diktum, ich weiß gerade leider den Urheber nicht …) Davon bin ich überzeugt. Und zuwenig bedingungslos geliebt worden zu sein allein muß (!) nicht „für alle Zeiten“ unglücklich machen, davon bin ich ebenso überzeugt. Das ist für mich der schönste und segensreichste Aspekt des Gedankenkonstrukts vom „freien Willen“ des Menschen. So, jetzt ist alles raus. So lang wird’s (zu diesem Thema ;-) nicht mehr, versprochen! (Und vielen Dank für den Anstoß, mich mit dem Thema eingehender zu befassen, maleja … ) Liebe Grüße, Feelix


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Danke für Dein Danke ;-))) Du hast Dir da aber gleich einen Haufen Gedanken gemacht. Und die Gedanken gehen eigentlich über die erziehungs-Camps hinaus und sind Grundlage einer "guten" Erziehung. Wobei auch ich mir dann wieder die Frage stelle, WAS ist eine gute Erziehung? Aber diese Frageb kommen ja immer wieder auf. Sie kommen bei Themen wie Drogenkonsum, Gewaltätigkeit, Kindermisshandlung, Selbstmord undundund auf. Was können wir tun, um unsere Kinder davor zu bewahren? Und mir ist es im Moment noch zusätzlich ein Anliegen, was können wir tun, dass andere Kinder/Jugendliche davor bewahrt werden? Wir sind nicht ihre Eltern. wir können ihnen nicht das geben, was nur Eltern geben können. Aber ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass wir sehr wohl etwas geben können, was davor bewahrt. Manchmal ist es vielleicht ein richtiges wort im richtigen Moment. Oder ein gegebenes Vertrauen, wo keines erwartet wurde. Oder Anerkennung, wo keine erwartet wurde. Oder auch Liebe, wo schon die Hoffnung darauf aufgegeben wurde. Aber der erste Schritt wäre für uns alle, Kinder und Jugendliche zu respektieren. Denn das ist, was sie brauchen und was sie lernen müssen. Respekt. Und auhc hier zählt, man kann am besten das weitergeben, das einem selber entgegengebracht wurde. Und ich versuche eigentlich schon immer, alle Kinder, egal welchen Alters zu respektieren. Von mir werden auhc nie solche Sprüche kommen, wie "wenn sich Erwachsene unterhalten, hast Du still zu sein". Dieser Spruch ist leider noch viel zu verbreitet. Feelix, überleg Dir doch mal, ob Du diese Gedanken nicht an die CDU/CSU Partei schicken solltest. zu Händen Herren Koch, Beckstein und Kauder. Denn diese Gedanken sind diesen Politiker völlig fremd. Leider. Grüßle Silvia