Heute Nacht habe ich ja Fumi zum Bus nach Venedig gebracht. Vorhin kam die SMS, daß sie angekommen sind. In zwei Stunden geht die Fähre nach Griechenland. Als wir an der Schule ankamen, waren schon viele der Kinder da. Fumi hat sich zu einer Gruppe von Mädels gesellt, die sie aus der 5. und 6. Klasse kennt und zu deren Clique sie damals gehörte. Aber weil die alle einen anderen Zweig gewählt haben als Fumi, ist Fumi nicht mehr so in der Clique drin - was ich nicht wirklich bedauert habe. Trotzdem wird sie mit einem der Mädel das Zelt teilen, das haben sie auch schon vor Monaten so abgesprochen. Eines der Mädel, quasi die Anführerin, ist eine blöde Zicke, man verzeihe mir den Ausdruck. Sehr hübsch, beängstigend dünn, ziemlich reich - und eben sehr zickig. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben oder an großartigen Vorfällen festmachen, es ist einfach die Art, wie sie spricht und sich bewegt, wie sie vor allem ÜBER andere spricht. Sie hat eine sehr spitze Zunge und benutzt sie. Und sie kann mit einer Handbewegung, mit einem Blick eine Mitschülerin vom Cliquenmitglied in den sozialen Keller befördern. Die anderen Mädel waren - so richtig wie aus einem amerikanischen Teenie-Film - sichtlich ihr Hofstaat. Fumi stand etwas abseits und wurde auch nicht mit einbezogen. An einer Stelle kam das Gespräch auf irgendeine Supermodel-Show, in der eine Kandidatin eine Zahnspange hat. Allgemeiner Konsens war, daß das gar nicht geht. Fumi wurde dann gefragt, ob sie ihre Zahnspange endlich los sei (sie wird nach dem Griechenland-Urlaub in der letzten Ferienwoche entfernt). Und dann gab es großes Theater mit "Ihhhh!" und "Bäähhh", weil sie sie noch hat. So in der Art lief das ab. Ich muß ehrlich sagen: Ich hätte Fumi am liebsten gepackt und wieder mit nach Hause genommen. DAS hat sie nicht nötig. Wird sie sich das jetzt 2 Wochen lang bieten lassen müssen? Andererseits: Sie wollte ja unbedingt mitfahren. Sie freut sich seit Wochen darauf. Ist sie masochistisch? Bekommt sie diese Ausgrenzung gar nicht richtig mit? Oder merkt sie es, aber es ist ihr egal? Wird sie sich in der 2 Wochen auch Leute suchen können, die nett zu ihr sind? Oder war sie grad "Opfer of the Day" und in Griechenland kommt dann jede mal dran? Und würde ich wollen, daß morgen eine andere dran ist und Fumi Teil des Hofstaats ist? Mein Problem ist: Ich weiß nicht, wieviel von meiner eigenen Vergangenheit in meiner Sorge steckt. Ich habe ja vor ein paar Wochen in Hamburg meine allerallerbesten Freundinnen aus dem Gymnasium wiedergetroffen. Vor allem mit der einen hatte ich sehr lange und sehr intensive Gespräche. Die leidet immer noch darunter, daß wir damals die Gruppe der "Square Pegs" waren, die völlig uncool und un-in und un-dazugehörig waren. Also nicht so, daß sie jeden Tag deswegen weint - aber doch so, daß sie noch Groll hegt. Ich dachte, ich hätte das hinter mir gelassen. Ich empfand das damals auch nicht so schlimm, immerhin waren wir zu viert und die "Coolen" waren mir sowieso suspekt. Tja, und jetzt sitze ich hier und frage mich, wieviel meiner Vergangenheit in meiner Sorge um Fumi steckt. Ob ich mich mehr um sie und ihr soziales Netz kümmern muß. Ob sie auf der Schule der Reichen und Schönen (noch) richtig aufgehoben ist. (Dazu eine Anekdote am Rande: Ich habe eine Cousine, die unglaublich snobistisch und geldgierig ist. Der älteste Sohn entpuppt sich leider als Totalversager in ihren Augen, weil alle teuren Privatgymnasien Oberbayerns es nicht geschafft haben, ihn in einen abifähigen Zustand zu versetzen. Jetzt ist er seit Ostern auf der gleichen Schule wie Fumi, einer Realschule. Beim Familientreffen sagte die Cousine zu mir: "Auf so einer Privatschule sind Kinder einfach besser aufgehoben als auf staatlichen Schulen. Da ist man unter sich!" *kotz*) Ach ja..... Langes, nachdenkliches, komisches Posting. So die Gedanken einer Mutter, deren Lieblingstochter sich gerade auf dem Weg in die große, weite Welt befindet und die schwankt zwischen den obergluckigen Gefühlen und den ungluckigen Ansprüchen. Einer Mutter, die ihre Kinder am liebsten vor allem Unbill schützen möchte - und daran kläglich scheitert - und im Grunde ihres Herzens weiß, daß das sowieso nicht geht und nicht gesund wäre und die Kinder sie dafür hassen würden. Noch ein Exkurs: Ich habe natürlich vor der Abfahrt noch lauter Gluckensprüche absondern müssen. Fumi meinte: "Du hörst Dich an wie die Oma!" Ich antwortete: "Siehst Du! Ich mußte mir als Kind auch solche dummen Sprüche anhören. Warum sollte es Dir besser gehen als mir?" Sie sagte: "Weil ich Gott sei Dank Dich als Mama habe und nicht die Oma!" Ach, das gute Kind...... Sie findet immer die richtigen Worte ;-). Ich gehe jetzt dem anderen Kind was zu Essen machen - weitergrübelnd. Gruß, Elisabeth. (Glucke)
Mitglied inaktiv - 21.08.2009, 12:46