ADHS - ADS

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Geschrieben von daide am 11.10.2021, 9:04 Uhr

Psychische Probleme als Begleiterscheinung

Hallo,

ich wollte einfach mal hören, ob das jemand von Euch in ähnlicher Form auch kennt. Es belastet uns nämlich gerade sehr:

Unsere Tochter (13) wurde mit 5 mit ADHS diagnostiziert, dank diverser Therapien (Ergo, Neurofeedback, Verhaltenstherapie, etc.) und einer enormen Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten, kamen wir bisher um eine medikamentöse Behandlung herum. Allerdings bekommt sie Medikamente für ihre Tic-Erkrankung (als Begleiterkrankung des ADHS) und die daraus resultierenden Zwangsstörungen.

Nun hat das Kind seit diesem Schuljahr (begonnen Mitte September) schwere psychische Probleme, die es ihm teilweise nicht möglich machen, den Unterricht zuverlässig und regelmäßig zu besuchen. Hierzu gehören Panikattacken, bleierne Müdigkeit, Karussell fahrende Gedanken, etc. Sie muss sich Auszeiten nehmen, in denen sie sich z.B. auf die klasseneigene Couch legen und ausruhen darf, sie darf Runden im Schulpark drehen, sie darf auch nach Hause gehen (ärztl. Attest liegt vor).

Natürlich sind wir weiterhin engmaschig ärztlich betreut, wir erwägen nun eine medikamentöse Behandlung des ADHS, da es sich anscheinend um eine schwerwiegende Überforderung mit der Schul-/Unterrichtssituation handelt. Dass das nicht leicht wird, ist klar, vor allem, weil ein ADHS-Medikament die Tics negativ beeinflussen kann (sehr wahrscheinlich).

Sie hat in diesem Schuljahr bereits 7 Fehltage, die Nacharbeitung des Unterrichtsstoffs ist schwierig. Kennt das jemand? Wie habt Ihr die Situation gemeistert? Die Schule steht voll hinter ihr, sowohl Schulleitung als auch Lehrer haben gesagt, sie passen auf sie auf. Aber wie soll das funktionieren, wenn sich das noch eine Weile so hinzieht? Die Wiederholung einer Klasse wäre für uns kein Problem, für unsere Tochter schon (Stichwort: Klassengemeinschaft, geschützter Raum, etc.).

Ich fühle mich gerade extrem überfordert und wollte daher mal nach ähnlichen Erfahrungen fragen.

Danke schon mal & liebe Grüße
daide

 
12 Antworten:

Re: Psychische Probleme als Begleiterscheinung

Antwort von Maca am 11.10.2021, 9:35 Uhr

“wir erwägen nun eine medikamentöse Behandlung des ADHS, da es sich anscheinend um eine schwerwiegende Überforderung mit der Schul-/Unterrichtssituation handelt.“

Deine Tochter hat jahrelang ohne medikamentöse Unterstützung eine enorme Anpassung leisten müssen.
Bei weiblichen AD(H)Slern klappt das oft erstaunlich lange, sogar wenn sie schon chronisch erschöpft sind.
Jetzt ist deine Tochter auch noch mitten in der Pubertät, mit all den körperlichen Veränderungen, die damit einhergehen.
Was du beschreibst, ist eigentlich schon ein klassisches Burn-out- Syndrom:

“Hierzu gehören Panikattacken, bleierne Müdigkeit, Karussell fahrende Gedanken, etc. Sie muss sich Auszeiten nehmen, in denen sie sich z.B. auf die klasseneigene Couch legen und ausruhen darf, sie darf Runden im Schulpark drehen, sie darf auch nach Hause gehen (ärztl. Attest liegt vor).“

Dein Kind muss umgehend seelisch entlastet werden. Ob das durch eine Medikation gelingen kann, ist nicht sicher, versuchen würde ich es aber unbedingt.

Wir kennen eure Situation aus eigener Erfahrung und JETZT ist der Zeitpunkt, wo SOFORT gehandelt werden muss.
Die Spuren, die eine chronische Überforderung
hinterlässt, graben sich mit jedem Tag tiefer in die Seele deiner Tochter und unterminieren ihr Selbstvertrauen sukzessive.
Letzteres braucht sie aber zwingend, um Strategien zu entwickeln, die es ihr langfristig ermöglichen, trotz ADS, klarzukommen.

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Re: Psychische Probleme als Begleiterscheinung

Antwort von daide am 11.10.2021, 11:20 Uhr

Hallo Maca,

vielen Dank für Deine ausführliche und deutliche Antwort.

Ich hatte es nicht ausdrücklich geschrieben, aber natürlich sind wir JETZT, in dieser sehr akuten Phase, im direkten Austausch mit der Ärztin (sie ist aber auch sonst jederzeit für uns erreichbar), Unsere Tochter hat heute einen Termin mit ihr, wir Eltern morgen. Dabei besprechen wir, wie wir ab Mittwoch weiter vorgehen.

Auch was die seelische Entlastung angeht, sind wir „mittendrin statt nur dabei“. Sie erfährt keinerlei Druck, weder schulisch noch was irgendein Hobby angeht. Wir bieten ihr Gespräche an, wann immer sie es möchte und Bedarf sieht. Die Gesprächstherapie bei der Ärztin läuft sowieso parallel. Heute Morgen fühlte sie sich nicht in der Lage, in die Schule zu gehen, also blieb sie zuhause. Alles erstmal kein Problem. Aber ich mache mir natürlich Gedanken, wie es weitergeht.

Wann immer wir die Möglichkeit sehen, dass ihr Selbstbewusstsein und ihre Stärken unterstützt werden, fördern wir das. Und trotzdem fühle ich mich so elend hilflos und ausgeliefert.

Danke Dir nochmals!
Lg daide

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Re: Psychische Probleme als Begleiterscheinung

Antwort von Maca am 11.10.2021, 12:12 Uhr

Hallo daide,

Ich beschreibe es mal aus der Sicht einer AD(H)Slerin. Mit dieser Form der Wahrnehmung hat man immer mit zusätzlichen Barrieren zu kämpfen.
Man muss Impulse unterdrücken, sich fokussieren, die vielen unwichtigen Aussenreize ausblenden, innere Gedanken/ ungewollt ausgelöste Assoziationsketten wegdrücken, Frust und Gefühle der eigenen Unzulänglichkeit aushalten und vieles mehr.
Und das alles wird so wahnsinnig intensiv erlebt, fast schon unangenehm “penetrant“.

Methylphenidat kann dabei für eine enorme Entlastung sorgen und den Betroffenen die sehr viel mühseligere ( im Vergleich zu neurotischer Wahrnehmung) Informationsverarbeitung deutlich erleichtern.

Ich weiß, wie hilflos man sich fühlt, wenn man merkt, dass das eigene Kind in sich und mit sich nicht ruht. Dass ihr mitfühlt, emotional unterstützt, Halt und Geborgenheit gebt, ist aber so viel mehr wert als ihr, die ihr in der Situation verfangen seid, gerade sehen könnt.

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Re: Psychische Probleme als Begleiterscheinung

Antwort von Maca am 11.10.2021, 12:24 Uhr

In der therapeutischen Begleitung von AD(H)Slern kann es sein, dass erst durch eine Medikamentengabe, die Intention einer Psychotherapie erreicht werden kann.
Erfolgserlebnisse sind für einen Selbstwertaufbau notwendig und können manchmal halt nur durch chemische Hilfe generiert werden, so doof das auch ist.
Wenn ich für ein Ziel (z.b. ein Lernziel) plötzlich sehr viel weniger Anstrengung aufbringen muss und es mit trotzdem besser gelingt, motiviert mich das sehr viel nachhaltiger als wenn ich kämpfe und doch scheitere.

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Re: Psychische Probleme als Begleiterscheinung

Antwort von daide am 11.10.2021, 13:39 Uhr

Liebe Maca,
ich sag einfach nochmal danke für Deine Worte. Es tut gut zu lesen, dass man schon viel unterstützt, ohne es wirklich zu merken. Ich werde mich hier wieder melden, wenn es eine Veränderung gibt!
Lg daide

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Update

Antwort von daide am 12.10.2021, 10:56 Uhr

So, wir hatten nun unser Gespräch bei der Ärztin. Sie spricht tatsächlich auch von einem Burnout, den es nun abzufangen gilt. Wir geben ab heute Medikinet, um die Reizüberflutung etwas zu kanalisieren, ihre anderen Medikamente nimmt sie erstmal weiter. Ob die Tics vom Medikinet stärker werden, muss man sehen, die Möglichkeit besteht. Dann könnte man aber das Tic-Medikament hochfahren.

Wir sind zuversichtlich, dass wir in der Kombination seelische Unterstützung von zuhause aus + therapeutische Unterstützung seitens der Ärztin + medikamentöse Behandlung das Ruder rumreißen können. Auch wenn das sicherlich nicht von heute auf morgen geht. Ich werde weiter berichten, wenn es etwas Neues gibt.

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Re: Update

Antwort von Maca am 12.10.2021, 12:06 Uhr

Hallo daide,

Ich drücke euch die Daumen, dass sich eine seelische Entlastung deutlich und recht bald zeigen wird.
Dass man nicht begeistert davon ist, seinem Kind ein zusätzliches Psychopharmakon zu geben, kann ich total verstehen.
Das ist jetzt erstmal Krisenintervention, mit überschaubarem Risiko (man kann das Methylphenidat ja jederzeit wieder absetzen).
Deine Tochter erinnert mich sehr an meine Große (jetzt 17).
Sie wird ihren Weg (auf ihre Art) gehen.
Sie hat ( mit Unterbrechungen) seit ihrem 12. Lebensjahr psychotherapeutische Unterstützung und bekommt Methylphenidat als Retardmedikament.
Das Leben mit ihr ist sehr…… intensiv , sie ist unser Quälgeist, rohes Ei, jauchzender Sausewind und phlegmatisch/misanthropische Untergangsprophetin zugleich.

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Re: Psychische Probleme als Begleiterscheinung

Antwort von Dezemberbaby2012 am 12.10.2021, 12:16 Uhr

Hallo daide,

nochmal ein anderer Gedanke: Die Zwangserkrankung könnte auch eine Folge des „unterbehandelten“ ADHS sein. Also der Körper versucht, das ADHS selbst in den Griff zu bekommen, schießt dabei sozusagen über das Ziel hinaus und entwickelt eine Zwangsstörung (als Gegenpart zum ADHS). Dies geschieht häufiger bei unerkanntem oder eben unzureichend behandeltem ADHS. So war es übrigens auch bei mir.

Liebe Grüße

Dezemberbaby

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Re: Update

Antwort von daide am 12.10.2021, 13:31 Uhr

"...sie ist unser Quälgeist, rohes Ei, jauchzender Sausewind und phlegmatisch/misanthropische Untergangsprophetin zugleich."

Wow. Ich habe noch nie eine passendere Beschreibung für unsere Tochter gehört. Das ist sie zu 100%. Ich könnt's nicht besser ausdrücken.

Danke!

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Re: Psychische Probleme als Begleiterscheinung

Antwort von daide am 12.10.2021, 13:36 Uhr

Danke auch Dir, Dezemberbaby!

Ja, woher die Zwangsgeschichten (es waren überwiegend Angstzustände) kommen, lässt sich natürlich im Nachhinein nicht genau sagen. Es war aber auffällig, dass sie erst mit Einnahme des Tic-Medikaments angefangen haben, und dieses Medikament so etwas als mögliche Nebenwirkung beschreibt.

Wir werden sehen, wie es sich entwickelt. Durch die Gabe des Methylphenidats könnte sich das durchaus entspannen.

LG, daide

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Update 2

Antwort von daide am 14.10.2021, 20:03 Uhr

Hallo,
wir geben nun seit 3 Tagen Medikinet 5mg retardiert, und was soll ich sagen: Wir haben ein neues Kind hier sitzen. Bzw. rumhüpfen.
Naja, so rosig ist es natürlich nicht: Sie beschreibt das momentane Gefühl so, als wäre sie energiegeladen ohne wirklich Energie zu haben. Ich stelle mir das so ein bisschen „getrieben“ vor… 2 Liter Kaffee um 23 Uhr, dann um Mitternacht müde sein und nicht schlafen können. Oder so ähnlich,

Nichtsdestotrotz pfeift und hüpft sie, geht gut gelaunt in die Schule, hält mindestens 4 Stunden durch (heute sogar 7!) und hat sogar noch Energie für den Nachmittag. Die Ärztin meinte heute, wir geben ihr jetzt erstmal Zeit, sich „einzupendeln“. Am Montag ist der nächste Termin, dann schauen wir, wie es ihr geht und ob die Dosis ggf. angepasst werden sollte.

Ich bin jetzt erstmal erleichtert und froh, dass wir für den Moment aus dem ganz dunklen Tal wieder aufzutauchen scheinen. Ich hoffe, wir sind auf einem guten Weg.

Lg
daide

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Re: Update 2

Antwort von Maca am 15.10.2021, 19:54 Uhr

Hallo daide,

Mensch, wie schön was du berichtest!
Bei der niedrigen Dosis schon gleich so eine Wirkung, wirklich erstaunlich.
Offensichtlich war das jetzt einfach erstmal nötig und deine Tochter kann sich etwas erholen (und ihr ihr auch ).

hoffe du berichtest weiter,

LG

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