Hallo Hr. Dr. Posth,
mich beschäftigt seit einiger Zeit folgende Frage, und ich würde dazu gerne Ihre Meinung hören. Meine Tochter ist jetzt 22 Monate alt. Sie ist Fremden gegenüber sehr zurückhaltend. Wir haben 4 Cousinen, mit denen wir regelmäßig Kontakt haben, und meine Tochter spielt auch schon sehr schön mit ihnen. Da ich zur Zeit schwanger bin, wird ja auch bald ein Geschwisterchen da sein. Bisher haben wir weder Spielgruppe, noch sonstige Angebote besucht. Ich bin nicht so der "Gruppenfreund". Ich würde meine Tochter gerne 2 Jahre vor Einschulung in den Kindergarten gehen lassen. Auf Spielgruppe und Schnupperkindergarten würde ich aber gerne verzichten. Meinen Sie, dass dadurch meiner Tochter irgendwelche Nachteile in ihrer Entwicklung entstehen? Sollte das der Fall sein, würde ich uns natürlich schon in einer Spielgruppe anmelden. Wie wichtig halten sie Spielgruppen? Würde ein Jahr Spielgruppe vor Kindergartenbeginn auch reichen?
Vielen Dank schon mal
LG Ursl
Mitglied inaktiv - 10.11.2008, 12:42
Antwort auf:
Spielgruppe
Stichwort: Familie, Gesellschaft und Mutterrolle
Liebe Ursl, grundsätzlich genügt für die psychosoziale Entwicklung des Kindes eine Familie mit mehreren Kindern. Ich glaube, diesen Grundsatz wird niemand infrage stellen wollen, sonst müsste er nämlich erklären, wie die Menschheit vor ca. 1 Millionen Jahre hat weiter existieren können. Da jedenfalls gab es immer nur kleine Menschengruppen, die in familiären Verbänden zusammengelebt haben und dabei häufig sehr isoliert waren.
Nur sind heutzutage die Familien sehr klein geworden und bestehen meistens nur noch aus den Eltern und 1-2 Kindern. Da ist ein Kontakt zu anderen Kindern schon sehr wichtig. Und ab dem 2. Geburtstag beginnt für das Kind das Leben in der größeren sozialen Gemeinschaft. Man muss sich jetzt nur fragen, was das beinhaltet und was für das Kind dabei essenziell, also "lebensnotwendig", ist.
Ich meine, in der Sitaution der Kleinfamilie sind außerfamiliäre Kontakte für Kinder sehr wichtig geworden. Mutter-Kind-(Spiel-)Gruppen (natürlich sind Väter genauso zugelassen) sind ein gute Sozialisierungform für das 2. und 3. Lebensjahr des Kindes. Die Aufsicht in dieser Zeit an fremde Personen zu delegieren, erzwingt aus bindungspardigmatischen Gründen immer die sanfte Ablösung an ein Ersatzbezugsperson. Das schränkt die Anzahl der Kinder pro Betreuerin natürlich ein! Auf diese Weise ist der ökonomisierten "Massenkinderbetreung" ganz klar Einhalt geboten.
Ab dem 3. bis 4. Lebensjahr greift das Kindergartenprinzip mit altersgemischten Gruppen. Hier muss nach dem Entwicklungsstand des Kindes entschieden werden, wie der Übergang bzw. die Ablösung erfolgt. Bis 4 Jahre ist meistens auch noch eine sanfte Ablösung erforderlich. Aber auch Freundschaften können hier schon angebahnt werden, oder das Geschwisterprinzip greift. 2 Jahre Kindergruppe, ob als Kindergarten oder kindgerechte Vorschule wie in vielen anderen Ländern, ist wahrscheinlich nicht so sehr von Belang. Das Kind muss sich nur wohlfühlen und sollte, was seine Bildungschancen angeht, optimal (nicht maximal) gefördert werden. Ich denke, mit diesem Programm könne Sie konform gehen. Viele Grüße.
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 14.11.2008