Lieber Dr. Posth!
Meine 4jährige Tochter sagt mir übertrieben oft, dass sie mich lieb hat oder fragt übermäßig oft, ob ich sie lieb habe.
Dieses Verhalten von ihr nervt, weil ich denke, dass sie von uns sehr viel liebe gezeigt bekommt und wir sagen es ihr auch häufig.
Was mir aber aufgefallen ist, dass sie es immer dann häufig sagt oder fragt, wenn ich genervt oder sauer auf sie bin, oder nicht das tue, was sie will. Sie bezieht alles auf sich, auch wenn meine Genervtheit gar nichts mit ihr zu tun hat, und das sage ich ihr dann auch. Sie zweifelt anscheinend an meiner Liebe zur ihr, wenn ihr z.B. was verbiete.
Was will sie von uns?
Was haben wir für ein Problem?
Danke für Ihre Zeit!
Gruß,
Margerite
Mitglied inaktiv - 06.06.2005, 16:33
Antwort auf:
Sie will ständig hören, dass ich sie liebe...
Liebe Margerite, ein Kind dieses Alters, also 4 Jahre, sucht unglücklicherweise zunächst immer die Schuld für eine schlechte Stimmung oder einen Krach, den z.B. auch die Eltern miteinander haben, bei sich selbst. Da es sich noch nicht vorstellen kann, daß es außerhalb ihres eigenen Köpfchens Geschehnisse gibt, die Gründe haben, welche außerhalb von ihr liegen, muß sie so empfinden und denken. Jedes andere Kind empfindet genauso, reagiert aber vielleicht nicht so empfindlich darauf. Erst wenn ein Kind verstanden hat, daß jeder Mensch für sich eine eigene Welt im Kopf hat und daß diese Welt eigene Gesetzmäßigkeiten kennt, aus denen z.B. auch Schuld resultieren kann, erst dann kann es sich entlastet fühlen. Zwischen 4 Und 5 Jahren beginnt dieser Lernprozeß ("Theorie Of Mind"). Die Entwicklungspsychologin Doris Bischof-Köhler hat diese Vorgänge im Kind untersucht und in ihrem Buch "Kinder auf Zeitreise" besprochen (sehr wissenschaftlich).
Da sich Ihre Tochter also fälschlicherweise selbst als Verursacherin und vielleicht sogar Schuldige fühlt, muß sie sich einstweilen ständig ihres Geliebtseins bei Ihnen rück-versichern. Mit der Zeit verschwindet dieses Phänomen, aber bis dahin müssen Sie ihr diese Gewißheit zuverlässig geben. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 08.06.2005