Lieber Dr. Posth,
vielen Dank für Ihre beruhigenden Worte vom 21. 2.
Mein Mann und ich waren uns immer einig, dass man einen panisch schreienden Säugling auf keinen Fall allein lässt, ich habe es dennoch einige Male getan, nicht aus erzieherischen Gründen, sondern um ihn vor mir zu schützen, die Situation brachte mich oft an den Rand meiner nervlichen Belastbarkeit.
Ich habe eine Odyssee durch die Arztpraxen hinter mir. Er spuckt sehr viel und auch noch lange nach den Mahlzeiten. Ein Reflux wurde festgestellt, Omeprazol kann die Säure mindern, sein Schreiverhalten aber nicht. Ansonsten normale Entwicklung. Leider war es eine sehr besorgte SS (3 Aborte waren vorangegangen) und eine traumatische Entbindung (Nabelschnurumschlingung, Kristellerhilfe). Vielleicht liegt hier die Ursache für das exzessive Geschrei?
Glücklicherweise ändert sich jetzt was, die Schreiattacken werden weniger, er ist viel fröhlicher. Muss ich aber wg der motorischen Unruhe ein späteres ADHS-Kind befürchten?
Mitglied inaktiv - 26.02.2007, 10:23
Antwort auf:
Schreibaby (Fortsetzung vom 19.02.)
Stichwort: Säuglingsschreien / Schreibaby
Hallo, von der Theorie, daß ein gastro-ösophagealer Reflux für das Schreien verantwortlich ist, halte ich, offen gesagt, nicht so viel. Die Kinderheilkunde ist bestrebt, das Schreiphänomen der Säuglinge irgendwie in ihr eigenes Diagnoseschema und Vokabular hinein zu bekommen und läßt sich dazu einiges einfallen. Ein relevanter GÖR verursacht Gedeihstörung und heftiges Erbrechen. Ursachen sind in aller Regel Hernien im Bereich des Mageneingangs. Die müssen fast immer operiert werden. Am häufigsten ist die Ösophagusgleithernie. Omeprazol halte ich für kein gute Lösung. Ich bin mir auch nicht sicher, ob nicht Omeprazol zentralnervöse Nebenwirkungen hat.
Die anderen von Ihnen genannten Schrei-Ursachen werden auch oft herangezogen, scheinen mir aber auch ein wenig an Überinterpretation zu leiden. Es hat den Anschein, als würden alle Menschen krampfhaft nach irgendwelchen körperlichen Ursachen fahnden und seien sie auch noch so weit hergeholt nur, um nicht darüber nachdenken zu müssen, daß ein Säugling eine sehr empfindliche Seele besitzt, die es zu schützen gilt.
Damit kommen ich auf Ihre Frage nach dem ADHS. Langzeitstudien scheinen zu belegen, daß Schreibabys, die man nicht aus Ihren Angstzuständen herausgeholt hat, und die man auch in der weiteren Kindheit schlecht begleitet, weil sie immer schwieriger werden, daß diese Kinder durchaus ein höheres Risiko tragen, an ADHS zu erkranken. Wieviel dann rückblickend Anlage gewesen ist und wieviel erworbener Schaden, darüber streiten sich die Gelehrten bis zu heutigen Tag und reden sich auf Symposien die Köpfe heiß. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 28.02.2007