Sehr geehrter Hr. Dr. Posth, inwieweit kann eine Fremdbetreuung (Kita an 4 vollen Wochentagen) bei einem 14 Mon. alten Kind eigentlich Schaden anrichten (wenn überhaupt)? Eingewöhnung durch sanfte Ablösung erfolgt, Kind ist m. E. sicher gebunden. Weint morgens kurz beim Abschied, läßt sich durch Erzieherin trösten, beim Abholen möchte er auf den Arm, aber auch schnell wieder runter um weiter auf Entdeckung zu gehen. Gutes Verhältnis zum Papa (läßt sich füttern, trösten, ins Bett bringen etc.), Mama jedoch bevorzugt an 1. Stelle. Keine Ahnung, ob Loslösung schon in Gang gekommen ist. Kleine Gruppe in der Kita (max. 10 Kinder, mind. 2 Erzieherinnen), isst dort, schläft mittags, spielt, brabbelt. Daheim bekommt er viel Nähe, Aufmerksamkeit, Liebe und Zuwendung von beiden Eltern. Können wir so weiter verfahren? Danke und viele Grüße
Mitglied inaktiv - 15.09.2008, 12:50
Antwort auf:
Schaden durch Fremdbetreuung?
Stichwort: Fremdbetreuung
Hallo, das Problem bei der Beantwortung dieser Frage ist, dass es kaum oder keine validen (zuverlässigen) Studien gibt, die das eine oder andere belegen würden. Die Länder, in denen frühe Fremdbetreuung gemacht wird, scheuen es, genaue Untersuchungen dazu vorzunehmen. Es könnte sich ja herausstellen, dass die Langzeitauswirkungen ungünstig sind und dann würde das ganze Programm über kurz oder lang zusammenbrechen. Das aber können sich diese Volkswirtschaften nicht leisten.
Sicher ist immerhin, dass schlecht definierte Gruppenkonzepte in der frühkindlichen Erziehung in hohem Maße psychische Schäden verursachen können (z.B. die Kibbuz-Bewegung in Israel). Solche Konzepte hat man wieder verlassen. Sehr viel besser definierte Konzepte wie z.B. in Skandinavien funktionieren zwar gut, sind aber unglaublich aufwändig und sicher auch enorm teuer. Ein solcher Qualitätsstandart hat verständlicherweise einen hohen Preis. In Deutschland versucht man, dasselbe mit begrenzten Mitteln zu machen. Das halte ich für sehr riskant. Außerdem fehlen die entwicklungspsychologisch ausgebildeten Fachkräfte. Es wird oft nur mit Hilfskräften gearbeitet. Das erhöht das Risiko noch einmal erheblich.
Im Übrigen ist das Verlassen des weinenden Kindes keine sanfte Ablösung. Die Feststellung, dass sich das Kind nach dem Fortgang der Mutter beruhigt, ist keine Entlastung für die potentielle Schädlichkeit des Vorgangs. Die große Gefahr ist die Entwicklung der Trenungsangst, die sich dann schleichend durch ein Vermeidungsverhalten des Kindes aufbaut. Jetzt die Ursache-Wirkung-Verknüpfung herzustellen wäre die Aufgabe einer validen Studie. Aber genau das passiert bislang nicht. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 19.09.2008