Frage: primäre Bindung/Urvertrauen

Hallo Hr. Dr. Posth, was passiert schlimmstenfalls mit einem Kind, das schon im ersten Jahr schreiengelassen wird, Essen nur nach Zeitplan bekommt, ganz egal wie hungrig es ist, die ersten Wochen auf der Säuglingsstation verbracht hat und dann noch Physiotherapie nach Vojta bekommen hat, wobei die Mutter zuguckte, wie es sich die Seele aus dem Leib schrie? Konnte sich da eine Bindung entwickeln? Ich mache mir Sorgen um die Tochter einer Freundin (15 Mon.), die sich von jedem auf den Arm nehmen und anfassen lässt und nach Aussage des Vaters ihre Mutter in keinster Weise vermisste, als diese zwei Tage weggefahren ist, also nie nach ihr gefragt oder gesucht hat. Außer wenn sie mal jammert (was sie weder oft noch intensiv zu tun scheint - es reagiert dann ja auch nicht unbedingt jemand drauf) wirkt sie schon fröhlich, sie lächelt und freut sich über Kontakt mit anderen Kindern, wird auch problemlos von Opa und Oma betreut. Wie zeigt sich fehlendes Urvertrauen? Danke für Ihre Antwort!

Mitglied inaktiv - 12.05.2008, 12:12



Antwort auf: primäre Bindung/Urvertrauen

Stichwort: Bindungsunsicherheit Hallo, es fällt mir immer schwer, auf Fragen zu antworten, die sich nicht auf die eigenen Kinder der Eltern beziehen. Ich will Ihre Frage einmal so beantworten. Das Kind, dessen Verhalten Sie da beschrieben, könnte die Kriterien einer vermeidend-umsicheren Bindung erfüllen. Grenzen zur desorganisierten Bindung wären zu diskutieren. Was diesem Kind fehlt, ist in der Tat Urvertrauen. Es sieht sich gezwungen, an jeder Person Halt zu suchen, die sich ihm irgendwie positiv öffnet. Da es sich aber nicht um im Inneren etablierte und durch Bindung begründete Beziehungen handelt, sondern eher um nutzbringen flüchtige Kontakte, kommt kein echtes Urvertrauen mehr auf und damit auch kein Selbstvertrauen. Solche Kinder verlieren ihren Schutz vor vordergründigen Bindungen und falschen Selbsten. Ihr wahres Selbst aber bleibt unausgewogen meist mit einem Zug zur Minderwertigkeit. Damit sind sie im späteren Leben weitgehend der Fähigkeit zur Selbstkontrolle entzogen, wanken in ihrer Selbstruktur und suchen ihre Grenzen schließlich hautpsächlich an körperlichen Endpunkten. Wie gesagt, dies ist die skizzierte Entwicklung eines vermeidend-unsicher gebudenen Kindes und nicht die Interpretation eines tatsächlichen Falles. Viele Grüße.

von Dr. med. Rüdiger Posth am 14.05.2008



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