Lieber Herr Dr. Posth,
unser Sohn ist ziemlich wild und macht "ei" bei seiner Schwester eher wie Hauen auf den Kopf. Ich glaub nicht, daß er bewusst haut, sondern wirklich ei machen will + die Kraft nicht dosieren kann. Ich sage dann immer nein und nehm ihn weg, aber er lacht und macht sich nix draus. Hab ihm auch schon auf die Finger gehauen, finde das aber eigentlich keine gute Idee - hilft nämlich auch nicht.
Ebenfalls klettert er auf Möbel/Sofa und fällt wieder runter, wenn man nicht binnen 1 Sekunde da ist und ihn "rettet". Auch da hört er gar nicht. Ich setz ihn dann in den Laufstall, damit er ev. einen Zusammenhang merkt, aber auch das hilft nicht.
Inwieweit kann man so Kleine schon erziehen? Ist das noch zu früh, was hab ich da für Möglichkeiten? Ich will weder seine Gefährdung dulden noch wenn er seine Schwester "zärtlich" haut. Aber den ganzen Tag nein sagen und ihn in den Laufstall verbannen?
Danke!
von
Princess64
am 28.03.2011, 10:13
Antwort auf:
Inwieweit kann man 11 Monate alte Kinder schon erziehen?
Stichwort: erste Erziehungssschritte
Hallo, Sie haben das schon sehr richtig erkannt. Ihr Kind als noch Säugling erkennt noch keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen auf komplizierter Beziehungsebene. Was Säuglinge dieses Alters schon verstehen können, ist eine direkte "Linearbeziehung" auf gegenständlicher Ebene, also: (ich) drücke diesen Knopf und die Lampe geht an Oder: Mama holt das Gläschen aus dem.Kühlschrank, gleich gibt es essen.
Was aber nicht verstanden wird, sind bestrafende Maßnahmen jeder Art für ein Falschhandeln an einem anderen Menschen. Es wird nicht verstanden, dass es ein Falschhandeln gibt, weil überhaupt nicht bekannt ist, was Richtighandeln wäre. Auch wird nicht verstanden, wieso Laufstall für Herunterfallen vom Sofa eingesetzt wird. Viel zu viele komplizierte geistige Zwischenschritte. Was aber verstanden wird ist, dass wenn das Herunterfallen wehtut man getröstet wird.
Wenn man ein anderes Kind haut statt streichelt, dann weiß der Säugling zunächst gar nicht, was daran falsch sein könnte, selbst wenn das andere Kind weint. Denn es besteht zunächst keine offenkundige Verbindung zwischen dem eigenen Hauen und dem Weinen, weil der Säuling die Härte seines Schlags nicht kritisch einschätzen kann. Das andere Kind könnte auch aus einem anderen Grund weinen. Auch weiß das hauende Kind noch nicht, dass Weinen ein Signal für erlittenen Schmerz ist. Das alles sind komplexe Ursache-Wirkungs-Beziehungen über verschiedene Personen hinweg und unter verschiedenen Voraussetzungen (Prämissen), für die das 1-jährige Kind noch kein geistiges Rüstzeug besitzt. Daher ist Erziehen im eigentlichen Sinn noch völlig unsinnig. Und Strafen mit Schlagen auf die Finger ist obendrein eine elterliche Gewaltmaßnahme, auf die unbedingt zu verzichten ist! Das einzige, das Sie machen können ist, eine böse Mimik zeigen und das Kind an seinem unerwünschten Tun hindern. Sie dürfen auch energisch mit Ihrem Sohn reden, aber nie so "laut", dass er zu weinen anfängt.Er ist sich auf lange Sicht noch keiner Schuld bewusst. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 31.03.2011