Halle Herr Dr. Posth,
ab wann wissen Babys, das Ihre Mutter bzw. Eltern wieder kommen wenn sie in fremde Obhut gegeben werden ?
Meine Tochter ist 9 Monate und hängt sehr an mir, bislang wurde sie wenn ich mal nicht da war (sehr selten und nur ganz kurz) von ihrem Papa betreut.
Ich habe momentan noch ziemliche Bedenken, sie mal für einige Stunden bei der Oma zu lassen.
Vielen Dank im voraus für Ihre Antwort!
LG
Katja mit Emilia
Mitglied inaktiv - 27.03.2006, 20:57
Antwort auf:
Fremdbetreuung
Objektpermanenz und frühes Weltverständnis
Liebe Katja, es gibt 3 wichtige Schritte in der frühkindlichen Entwicklung, die die Vorstellung zulassen, daß die Mutter nicht wirklich weg ist, sondern auch wiederkommen kann. Der erste ist das, was J.Piaget als als Objektpermanenz bezeichnet hat. D.h., der Säugling/das Kleinkind mit etwa 1 Jahr entwickelt eine Vorstellung davon, daß es mehrere Räume gleichzeitig gibt, in denen sich eine Person aufhalten kann, also z.B. das Zimmer, in dem es sich selbst befindet und ein anderes Zimmer, wo sich die Mutter aufhält. Sicherheitshalber kommt das Kind aber immer wieder noch einmal nachschauen, ob es sich wirklich so verhält.
Der zweite Schritt ist die Erkenntnis, ein eigenständiges, von der Mutter vollkommen getrenntes Selbst zu besitzen. Das geschieht aus emotionspsychologischen Gründen erst mit eineinhalb Jahren. Die Phase dazwischen ist logischerweise gekennzeichnet durch den "Gummibandeffekt" und die große Anhänglichkeit am Anfang der Loslösung. "Weggehen und Zurückkehren". "Erforschen und Schutz suchen".
Der dritte große Sprung ist das Verständnis des Kindes davon, daß die Welt, die es erlebt, sich nicht allein in seinem eigenen Kopf abspielt, wie ein privater Film, sondern daß dieser Film sich in jedem anderen menschlichen Kopf etwas anders abspielt (Perspektivwechsel/Realitätskontinuum/Theorie of Mind). Das Kind ist darüber etwa vier Jahre alt geworden.
Also erst jetzt kann man dem Kind eine Trennung von seiner Bezugsperson zumuten, wenn keine sichere Ersatzbezugsperson vorhanden ist.
Ist die Großmutter aber ziemlich von Anfang an in den Prozeß des Großziehens eines Kindes mit einbezogen, wird sie zur Ersatzbezugsperson und kann natürlich, wie jede andere eingeführte Ersatzbezugsperson ein Kind in Abwesenheit der Mutter betreuen. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 31.03.2006