Wie "funktionieren" Kinderfreundschaften (4 Jahre)?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Wie "funktionieren" Kinderfreundschaften (4 Jahre)?

Lieber Herr Dr. Nohr, meine Tochter, 4 J., hat eine Freundin, mit der es immer wieder zu Reibereien kommt. Dabei ist sie meist unterlegen und muss tun, was die andere sagt. Zum Beispiel erzählte sie mir gestern, dass sie im KiGa mal bei der Freundin bleiben durfte, dann wieder regelrecht weggeschickt wurde und (O-Ton) machen durfte, was sie wollte. Generell beschreiben die Erzieherinnen die Freundschaft als Hassliebe. Wenn die Freundin bei uns ist, will sie immer bestimmen, allerdings wehrt sich meine Tochter dann und das Ganze endet mit Tränen und Beleidigt-Sein. Die beiden können praktisch nicht allein gelassen werden. Gerne sagt die Freundin dann auch mal, sie sei nicht mehr ihre Freundin, was wiederum für mein Kind sehr traurig ist und sie auch beschäftigt. Ich frage mich, was sie mit diesem Mädchen will. Wenn sie mit anderen Kindern spielt, ist es viel harmonischer. Aber diese Freundin soll partout ihre beste Freundin sein. Wie "funktioieren" solche Kinderfreundschaften? Hat die Freundschaft für meine Tochter irgendeinen Mehrwert? Die Freundin ist extrovertiert, wie die Eltern sagen, oder dreist, wie mein Mann sagt. Kann sie für mein Kind deshalb interessant sein, weil sie ihr so ein ganz anderes Verhalten vorlebt? Und dann: Sollte ich einschreiten und versuchen, die Freundschaft zu unterbinden? Wenn nicht: Wie erkläre ich meinem Kind das Verhalten des Mädchens? (Sie fragt oft danach). Danke!

von Joaninha am 12.11.2019, 10:34



Antwort auf: Wie "funktionieren" Kinderfreundschaften (4 Jahre)?

Hallo, das Verhalten ist recht einfach zu erklären, aber das Handeln ist schwierig, weil man selbst betroffen ist und die Tochter "retten möchte". Ihre Tochter bewundert die Freundin, weil die etwas hat und kann, was sie bei sich nicht sieht. Diese Bewunderung hält oft und leider auch eine Menge Kränkung und Demütigung aus. Und es ist nicht einfach für Ihre Tochter, sich dieser Attraktion zu entziehen und dadurch im KiGa nicht zu den "Auserwählten" zu gehören. Das braucht viel Mut und Kraft. Wenn sie da alleine hinkommt hat das viel mehr stärkende Wirkung, als wenn Sie ihr das abnehmen. Es hat wenig Sinn, die Beziehung der Tochter auszureden, das andere Mädchen zu entwerten oder gar auf Abbruch zu bestehen. Besser wäre es m.E. die Tochter zu stärken, sie zu ermutigen auch eigene Wege zu gehen und ihr zu helfen, sich nicht selbst klein zu machen.Sie können ihr auch erklären (wenn sie fragt), dass manche bestimmen wollen und Kinder suchen, die dem folgen. Das ist dann anfangs leichter (zu folgen), aber auf Dauer bleibt man Anhängsel. Es sind gar nicht die Worte, die da entscheidend ist, sondern bedeutsam ist, dass Ihre Tochter sich von Ihnen (trotzdem) wertgeschätzt und liebenswert fühlt, auch wenn sie sich so abhängig verhält. Auf diesem Boden kann sie stärker und unabhängiger werden. Aber lassen Sie ihr die notwendige Zeit. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 12.11.2019