Kind reibt sich an Gegenständen

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Kind reibt sich an Gegenständen

Hallo lieber Dr. Nohr, über Ihre sehr geschätzte Meinung zu unserer akt. Situation würde ich mich sehr freuen. Unsere Tochter (20 Mon.) reibt sich des Öfteren mit ihrem Genitalbereich an Gegenständen. Sie tut das meist aus Müdigkeit oder wenn sie Langeweile verspürt. Ich weiß durch das Lesen hier im Forum, dass es bei manchen Kindern eben so ist und dass das nichts wirklich Schlimmes ist, aber trotzdem scheint es mich zu belasten. Ich empfinde ein Unwohlsein, wenn ich sehe, dass meine Tochter sich an einem Kuscheltier o. ähnlichem schubbert. Man sieht halt, was man sieht und für mich passt das einfach nicht zusammen. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, aber ich fühle seit dem eine Art Distanz zu meiner Tochter. So als ob unsere unbeschwerte Zeit vorbei wäre. Ich merke, dass ich an Tagen, wo das Reiben wenig bis gar nicht vorkommt, erleichtert bin. An anderen Tagen habe ich deswegen einen Stein im Magen. Bisher hat sie sich, z.B. während sie auf das Mittagessen wartet, toll auch mal bis zu 30 Minuten mit Spielen oder Hörspiel hören beschäftigt. Nun verbringt sie die Zeit oft mit dem Reiben. Wir versuchen sie in ihrem Zimmer auch damit in Ruhe zu lassen, aber ohne Einschreiten kann es auch schon mal 15 Min oder länger dauern. Können Sie mir helfen das alles besser zu verstehen und leichter damit zurecht zu kommen? Ist so etwas eher eine Phase oder lang anhaltend?

von Iris_ am 11.02.2020, 13:06



Antwort auf: Kind reibt sich an Gegenständen

Liebe Iris, vielen Dank für Ihre offene Frage. Aus Sicht des Kindes ist das ein angenehmes Körpergefühl, das sie selbst herstellen kann. Es hat für die Tochter nichts mit Sexualität im Sinne der Erwachsenen zu tun, weshalb sie es auch nicht verstecken muß. Das geht vorbei, wenn man es nicht durch besondere Aufmerksamkeit verlängert. Für viele Erwachsenen ist das nicht leicht auszuhalten, weil für sie ja genitale Sexualität aus dem öffentlichen Raum verbannt ist. Es ist ein gesellschaftliches Tabu, etwas, was wir tief verinnerlicht haben, was sich nicht gehört usw.. Dieses Tabu, das die eigenen Gefühle oft mühsam im Zaum hält, wird nun durch das sichtbare Verhalten ihrer Tochter angekratzt. Es könnte sich so anfühlen, als würden Sie selbst (Ihre Tochter als Teil von Ihnen) "erwischt" und beschämt. Es hat also viel mit der eigenen Haltung zu Körperlichkeit und Sexualität zu tun, wie stark man selbst das Tabu braucht. Damit könnte Ihre Tochter Ihnen einen wichtigen Hinweis gegeben haben, denn es wäre schade, wenn das ein Distanzierungsgrund und eine Belastung der Beziehung würde. Ich will Ihnen mit meinen Gedanken nicht zu nahe treten, vielleicht liege ich ja auch falsch. Vielleicht können Sie das nach eigenem Nachdenken mal in Ruhe mit einer vertrauten Person besprechen. Das könnte eine positive Wirkung für Sie und die Beziehung zu Ihrem Kind haben. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 12.02.2020