Unser Sohn (4,5) spricht wieder wie ein Baby. Als er 3 Jahre alt war, konnte man ihm lange Bücher ohne Bilder vorlesen, er folgte langen Hörbüchern, drückte sich gewählt aus. Vor einem Jahr kam sein Bruder zur Welt. Seit diesem Schuljahr geht seine Freundin, mit der er sich einen halben Tag lang in Rollenspiele vertiefen konnte, in die Schule. Nun ist er bei der Tagesmutter das älteste von vier Kindern. Irgendwann fing er an, in einer besonders hohen Stimmlage zu sprechen, verwendete extra falsche Grammatik und seit einiger Zeit benutzt er in Situationen, in denen ihm etwas abverlangt wird oder er etwas will nur noch Babylaute. Auch vor anderen Erwachsenen. Ein, zwei Mal bat ich ihn, mit einer tieferen Stimme und in ganzen Sätzen zu sprechen. Daraufhin brach er in Tränen aus und sagte, er könne nicht anders. Er glaubt oft, etwas nicht zu können, er will Dinge sofort beherrschen, ist super schnell frustriert. Bereits als Baby übte er das Krabbeln dermaßen verbissen, dass er es bereits mit 6 Monaten konnte. Er beobachtet sehr genau, man kann mittlerweile kaum etwas vor ihm verbergen. Mein Mann (auch ein Perfektionist, immer nur Einsen) und ich versuchen, sein Baby-Verhalten hinzunehmen. Gleichzeitig möchte ich ihm zeigen, dass er als großes Kind liebenswert ist. Ob wir ihn sozial mehr fordern sollten mit einer Kita? Er vergleicht sich in Gruppen immer. Gibt es überhaupt ein Problem?
von
Anthea
am 03.09.2020, 07:41
Antwort auf:
Babysprache bei 4,5-Jährigem
Hallo,
Sie beschreiben Ihren Sohn als früh "leistungsorientiert". Das ist eine anstrengende (Lebens-)haltung, die immer mal wieder an Grenzen stossen kann. Das väterliche Vorbild, dem er ja nacheifern möchte, macht es nicht unbedingt einfacher. Selbst wenn man das nicht ausdrücklich erwähnt, ist diese Haltung sichtbar und spürbar.
Könnte es sein, dass die Babysprache ein Versuch ist, für kurze Zeit aus diesem anstrengenden System auszusetigen? Das ist sicher kein bewusster Vorgang, somit auch nur bedingt von ihm beeinflussbar, eher eine "Notlösung".
Es ist gut, dass Sie sein Verhalten weder abwerten noch ihn kränken. Die Lösung wird nicht so sehr über Einsicht oder Erklärungen gehen, sondern über die glaubhafte Erfahrung, dass sein geliebt werden nicht von Fähigkeiten abhängig ist.
KiGa-Gruppen können eine Hilfe sein, wenn der (Vergleichs-)mechanismus dort nicht so wirksam ist. Das kann man nicht vorhersehen, sollte einen Versuch aber nicht ausschliessen. Es ist ein realistischeres Übungsfeld als nur die Familie oder Kleingruppe und wird sowieso (spätestens in der Schule) bald anstehen. Wichtiger ist aber die familiäre Fähigkeit, auch nicht leistungsbetonte "Fähigkeiten" wertzuschätzen und das sichtbar zu machen. Besonders wenn das für den Vater möglich wäre, wäre das in diesem Alter eine besondere Hilfe und Erleichterung.
Dr.Ludger Nohr
von
Dr. med. Ludger Nohr
am 03.09.2020
Antwort auf:
Babysprache bei 4,5-Jährigem
Vielen Dank für den Gedanken! Jetzt kann ich sein Verhalten um einiges besser annehmen und habe das Gefühl, ihn besser zu verstehen.
von
Anthea
am 04.09.2020, 13:11