Frage im Expertenforum Kompetenzzentrum für Zwillings- & Drillingseltern an Alexandra Jaeger:

Kleinkind und jetzt Zwillinge - verzweifelt

Frage: Kleinkind und jetzt Zwillinge - verzweifelt

@lisi92

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Hallo Frau Jaeger,  Ich schreibe diese Nachricht, weil ich wirklich ängstlich, verzweifelt und verwirrt bin und einfach nicht weiß, was ich machen soll. Unsere Hintergrundgeschichte:  Wir haben bereits einen Sohn, 15 Monate alt, den wir über alles lieben. Mein Mann geht ab September studieren, auf dieses Studium hat er die letzten fünf Jahre hingearbeitet und es ist sein großer Lebenstraum und auch seine einzige Möglichkeit, seine aktuelle Tätigkeit, die ihn nach 12 Jahren einfach nicht mehr glücklich macht, hinter sich zu lassen.  Vor ein paar Monaten dachten wir uns, dass es doch schön wäre, langsam an einem Geschwisterchen für unseren Sohn zu arbeiten. Wir wussten zwar, dass es neben dem Studium anstrengend werden würde, haben aber aktuell (noch) die Schwiegereltern im Haus und ich hätte mir das mit Unterstützung meiner Schwiegermutter absolut zugetraut. Wir wussten schon, dass mein Mann während des Studiums keine Elternzeit o.Ä. nehmen kann und auch die Urlaubszeiten vorgegeben sind. Es hat dann auch gleich geklappt und ich hatte einen positiven Test - wir haben uns unglaublich gefreut. Der ET wäre ca in dem Zeitraum, in dem mein Mann auch seine ersten Klausuren rum hätte und für ein halbes Jahr wieder im Praxisteil normal arbeiten würde und nichts lernen müsste. Letzte Woche Mittwoch war ich bei der Gynäkologin und habe erfahren, dass es Zwillinge sind. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Wir kennen mehrere Eltern von Zwillingen, die nicht - so wie wir- noch ein Kleinkind daheim haben: Alle nervlich am Ende, Monatelang wirklich garkein Schlaf in Sicht, nur Streit in der Ehe, ….im Internet findet man nicht viel andere Geschichten, und wenn man sich dann noch über die Situation mit Kleinkind informiert, erst recht nicht. Wir sind so weit, zu überlegen, die Schwangerschaft abzubrechen, was uns natürlich nicht leicht fällt und sehr leid tut, sehen aber einfach keinen Weg, als Familie da gut durchzukommen. Mein Mann studiert bei vollem Gehalt, finanziell sind wir okay aufgestellt, das wäre also nicht das Problem. Aber die Belastung, zwei Neugeborene versorgen zu müssen, trauen wir uns einfach nicht zu. Mein Mann will sich informieren, ob er das Studium verschieben kann, dann könnte man es vielleicht noch irgendwie schaffen, wenn die Schwiegermutter mithilft (allerdings arbeitet sie auch Teilzeit). Wenn das nicht möglich ist, sehen wir leider keinen anderen Ausweg, als einen Schwangerschaftsabbruch. Das ist so unglaublich traurig, wir wollten ja auch ein Baby und ich hatte mich so darauf gefreut, das Abenteuer „Geschwisterchen“ gemeinsam mit meinem Sohn zu erleben. So bin ich die ganze Zeit nur am weinen. Zusätzlich höre ich oft, dass Zwillinge früher kommen, teilweise im Krankenhaus bleiben müssen…oder die Schwangerschaften sehr kompliziert sein können und man ggf. viel oder nur liegen muss - ich habe aber schon ein Kind daheim! Mein Sohn ist so ein fröhlicher, wundervoller kleiner Junge und ich liebe es, Zeit mit ihm zu verbringen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, so lang von ihm getrennt zu sein. Ich habe von Müttern gelesen, deren ältere Kinder nichts mehr mit ihnen anzufangen wussten, weil sie so lange von daheim weg waren - das würde mir das Herz brechen. Natürlich kann dieser Fall auch immer mit einem Einling eintreten, die Wahrscheinlichkeit ist aber einfach doch geringer. Und natürlich hätte er sich auch an ein Geschwisterchen erst gewöhnen müssen und es wäre mit Sicherheit nicht immer leicht geworden. Aber Zwillinge…Ich habe gelesen, dass sich das dritte Geschwister (also in dem Fall mein Sohn) immer ausgeschlossen und allein fühlt, weil Zwillinge einfach eine besondere Bindung haben, an die andere nicht rankommen. Ich sehe gerade, vor allem im Hinblick auf unseren Sohn, keine Möglichkeit, die Kinder zu behalten. Aber gleichzeitig ist der Gedanke, die Schwangerschaft abzubrechen, natürlich total schlimm. Die zwei können nunmal nichts dafür, dass sie zu zweit sind, und ich habe auch Angst, dass ich die Entscheidung mein Leben lang bereuen würde… Dann kommt noch hinzu, dass meine erste Geburt sehr traumatisch für mich gewesen ist (sie endete in einem Kaiserschnitt) und ich beim zweiten so gerne zumindest versuchen wollte, natürlich zu entbinden. Ich hatte mir sogar schon ein Geburtshaus gesucht, das mich genommen hätte, weil für mich vor allem das klinische Umfeld bei der letzten Geburt eine große Belastung gewesen ist. Das kann ich mir mit Zwillingen natürlich aus dem Kopf schlagen. Für die Babys würde ich hierauf schon verzichten können, auch wenn es mir sehr nahgeht und ich es sehr, sehr schade finde, nie die Chance bekommen zu haben, natürlich zu entbinden. Aber ich habe einfach so Angst, dass wir der Herausforderung von Zwillingen und Kleinkind als Familie nicht gewachsen sind. Unser Sohn schenkt mir tausend kleine Momente am Tag, die mir alles zurückgeben und mir zeigen, wofür ich das alles mache. Ich habe das Gefühl, mit Zwillingen im Haus würde es solche Momente vor lauter Anstrengung/ Genervtheit und Müdigkeit einfach nicht mehr geben. Und ich mache mir eben solche Gedanken darum, wie es für meinen Sohn wohl wäre, als großer Bruder von Zwillingen.  Vielleicht können Sie mir meine Sorgen zumindest teilweise nehmen oder kennen sich damit aus, wie die Beziehung unter Zwillingen und ihren Geschwistern sein kann.    Vielen Dank und viele Grüße!


Alexandra Jaeger & Team

Alexandra Jaeger & Team

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Liebe Lisi, zunächst einmal möchte ich mich herzlich für dein Vertrauen bedanken. So ehrlich zu beschreiben, in welchem persönlichen Dilemma ihr euch befindet, ist nicht selbstverständlich und zeigt von großem Mut. Lisi, Deine Fragen und Sorgen sind so groß, dass es mir schwerfällt, sie in aller Eile zu beantworten. Eines sei dir vor einer persönlichen und ausführlichen Antwort gesagt: Du brauchst nun Menschen an deiner Seite, die dir das Gefühl geben, nicht allein zu sein, die dir zuhören, nachfragen, stärken und gemeinsam mit Euch eine Antwort erarbeiten, mit der ihr - ganz gleich wie sie auffällt - ein ganzes Leben lang leben könnt. Ich melde mich heute Abend bei dir. Herzlichen Gruß Alexandra von extrakind


@lisi92

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Vielen Dank schonmal! 


Alexandra Jaeger & Team

Alexandra Jaeger & Team

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Liebe Lisi, hier meine Antwort. Öffentlich. Weil ich bei mehr als 500 Mehrlingseltern-Begleitungen jährlich weiß, dass ihr mit euren Gedanken, Sorgen und Befürchtungen nicht allein seid und genau jetzt irgendwo in Deutschland Eltern vor der gleichen Entscheidung stehen.  Die Nachricht, nicht ein, sondern zwei Babys unter dem Herzen zu tragen, ist für alle Elternpaare groß. Riesig groß. Manche kommen aus jahrelanger Kinderwunschbehandlung und empfinden größtes Glück. Andere sind maximal überrascht, freuen sich aber über das große Abenteuer was vor ihnen liegt. Und wieder andere schlagen in Anbetracht der riesigen Veränderungen die Hände über dem Kopf zusammen. Alles darf sein. Und alles braucht seine Zeit. Zum sacken lassen. Zum Verarbeiten. Zum drauf rumdenken. Und zum Annehmen. Was ich dir als Fünfach- und Zwillingsmama, vor allem aber als (Mehrlings)Elternberaterin sagen kann, ist, dass dabei in erster Linie gesehen (und erzählt)  wird, was vermeintlich nicht funktioniert, und was schwer oder unmöglich erscheint. Vergessen werden die schönen Geschichten. Die tragenden, leichten und berührenden. Die, die nicht so spektakulär sind. Leise. Und unauffällig. Lisi, Euch erwartet vielleicht eine große Herausforderung - ganz sicher aber ein noch viel größeres Geschenk.    Wir leben in einem Land, das einmalige Unterstützungs- und Hilfsangebote bereithält. Insbesondere im ersten Lebensjahr. Haushaltshilfe bei gesundheitlichen Schwierigkeiten. Die Frühen Hilfen deiner Region, ehrenamtliche Netzwerke wie die wellcome-Engel, Aupair-Programme und und und. Dein Mann muss sein Studium nicht nach hinten schieben. Ihr werdet - so fremd sich das für euch derzeit anfühlt - als Familie in eure neuen Rollen und Herausforderungen hineinwachsen. Dein Sohn wird großer Bruder. Und er wird diese Rolle genau so bekleiden, wie es für ihn passt. Er wird zurückstecken müssen, wird teilen lernen, sich sicher auch manchmal fragen ob er im Zoo ist. Aber er wird stolz sein auf seine Geschwister. Er wird an und mit ihnen wachsen. Und er wird von ihnen und durch sie profitieren. Außerdem hatte er jetzt fast zwei Jahre lang etwas erleben dürfen, das keines deiner anderen Kinder je haben wird: exklusivzeit mit Mama! In dieser Zeit hast du ihn stark und besonders gemacht - und ich sage dir: es gibt für ihn wesentlich schlimmeres, als mit Geschwistern (die von Entwicklungspsychologen inzwischen als extrem wichtige bindungspartner bewertet werden!) aufzuwachsen.  Du musst dir bei einer Abtreibung und/oder Reduktion eines Kindes vor Augen führen, dass das einzige "Problem" dieser Kinder ist, dass sie nicht allein, sondern zu zweit euer Herz und Leben stürmen werden. Auch diese Entscheidung kann für euch die richtige sein. Bitte lasst euch aber beide als Paar und einzeln dabei sehr eng und fundiert begleiten! Eine solche Entscheidung geht nicht spurlos an Herzen vorüber. Insbesondere - und auch das sehe ich in meiner täglichen Arbeit - wenn ihr euch dafür entscheidet, nur eines der Kinder zu behalten. Hier empfehle ich dringend eine eingehende psychologische Familienberatung (ebenfalls über euren Landkreis möglich und damit sogar kostenlos!!!) und Pro Familia. Auch ich bin gern persönlich für dich da. Buche dir einfach über unsere Webseite www.extrakind.de einen Beratungstermin. Dann verabreden wir uns für ein ausführliches Gespräch. Zwillinge sind Zwillinge. Sie sind nicht einfach ein Kind mehr. Sie sind knackig. Sie sind einer mehr als du. Aber sie sind auch etwas ganz ganz Großartiges! Ganz gleich wie ihr euch entscheidet: Ich wünsche euch Menschen, die euch auf dem schweren Weg dahin begleiten. Die zuhören, nachfragen, nicht werten und einfach an eure Seite treten. Alles Liebe. Alexandra Jaeger, extrakind 


Mäuseschreck

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Liebe Lisi, ich muss da auch einmal drauf antworten. Mir bricht es richtiggehend das Herz, wenn ich lese, in welchem Zwiespalt du dich befindest. Ich hatte auch totale Beklemmungen, als ich erfahren habe, dass ich Zwillinge bekomme. Ich bin mit der Situation alleine, das erschien mir daher sehr groß. Vielleicht unschaffbar. Ich habe das dann einfach auf mich zukommen lassen. Du kannst dir das nicht vorstellen – es sind seitdem schon mehrere Jahre vergangen und ich bin die glücklichste Zwillingsmutter der Welt! Es lässt sich alles, wirklich alles, auch mit zwei neuen Kindern gut lösen. Ich habe daraus gelernt: Mehrlinge kommen zu den Menschen, die auch damit umgehen können. Entscheid für dich, was dir gut tut. Ich kann dir nur sagen: Wenn dein Herz jetzt schon so bei den Mäusen ist, dann schaffst du das auch! Ihr bekommt das hin. Meine schlafen im Familienbett übrigens toll und kooperieren ganz viel mit mir. Inzwischen bringen die sich gegenseitig und mir auch Schuhe oder Snacks. Im Sandkasten wurden heute Beeren mit einem dritten Kind geteilt, freiwillig. Die interagieren ganz viel auch mit Dritten, trotz Zwillingsliebe. Wenn du die Ungewissheit ein bisschen auf dich zukommen lassen kannst, werdet ihr als Familie einen guten Weg zusammen finden!


Jasmin1234271

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Liebe Lisi, darf ich dir meine Geschichte erzählen? Vielleicht hilft dir das. Vielleicht ist deine Entscheidung auch schon gefallen. Ich weiß es nicht. Dein Gefühlschaos hat mich sehr sn meines erinnert, deshalb würde ich dir gern meine Erfahrungen schildern. Ob du damit etwas anfangen kannst? Entscheide du!  Als ich erfuhr, dass ich mit eineiigen Zwillingsjungs schwanger bin, war es für mich zuerst einmal ein Schock! Zu dem Zeitpunkt war ich erst anderthalb Jahre selbständig. Und ich dachte mir: Praxis und Zwillinge- wie soll das funktionieren? Ich hatte Angst. Die Schwangerschaft war die schönste Zeit meines Lebens. Ich war fit, schön, fröhlich und habe bis zur 30. SSW Vollzeit in meiner Praxis gearbeitet. Leider entwickelte ich eine Präeklampsie und die Jubgs mussten in der 32. SsW via Kaiserschnitt geholt werden. Es folgten 5 Wochen lang Behandlung auf der Neoantologie. Diese Zeit war für uns alle sicherlich traumatisch. Als die Jungs dann endlich nach Hause kamen, nahm ich mir ganz ganz viel Zeit fürs Bonding. Sie schliefen und machen sie immernoch im Familienbett, gehen erst seit dem 3. Geburtstag halbtags in die Kita und Dank meiner Schwiegermutter konnte ich relativ fix wieder Teilzeit in meiner Praxis arbeiten. Die Jungs haben auch erst durchgeschlafen als sie fast 2 Jahre alt waren. Es gab viel Streit in der Beziehung und die Nerven lagen oft blank, ich habe die Jungs fast ein Jahr tandem-gestillt. Jetzt werden sie bald 4 Jahre alt. Sie rauben mir oft den letzten Nerv. Doch was uns trägt ist die Liebe und der Rückhalt durch meine Schwiegermutter. Was ich damit sagen will: Es war und ist oft hart,  aber wunderschön. Zwillinge sind ein Geschenk. Alles Gute für euch!


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