Frage im Expertenforum Kompetenzzentrum für Zwillings- & Drillingseltern an Alexandra Jaeger:

Eingewöhnung Kindergarten eineiige Zwillinge - einer tut sich schwer, der andere nicht. Was tun?

Alexandra Jaeger

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Gründerin von extrakind – über(s)leben mit Zwillingen und Drillingen

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Frage: Eingewöhnung Kindergarten eineiige Zwillinge - einer tut sich schwer, der andere nicht. Was tun?

Tiffi153

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Hallo :-) ich brauche unbedingt Unterstützung in unserer Situation. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Kurz: Meine eineiige Zwillinge (33 Monate) haben Eingewöhnung im Kindergarten. Mein selbstbewussterer Junge kann das alles auch ganz gut händeln, obwohl die Eingewöhnung nicht optimal verläuft. Die Pädagogen dort haben meiner Meinung nach ein wenig Fortbildungsbedarf, was das Thema Bindung betrifft, zusätzlich Personalmangel und Zeitdruck. Meine Kinder sollten immer erst mit 3 Jahren in den Kindergarten gehen. da der selbstbewusstere Junge aber immer leuchtende Augen hatte, wenn wir auf dem Spielplatz waren, haben wir uns dazu entschlossen, die Jungs nun doch schon einzugewöhnen. Sie sind ja fast 3 Jahre alt. Der andere Junge ist eher ängstlich und zeigt auch in der Eingewöhnung starke Trennungsängste, die sich nu auch auf andere Situationen leider ausweiten. Ihm fällt die Trennung extrem schwer, er ist noch nicht soweit. Meine Gedanken dazu: Weshalb soll es immer nach dem Tempo des stärkeren Zwillings gehen, dies war bei der geburt schon so, dre Stärkere war bereit fürs Leben, der Ängstlichere wurde dann eben mitgeholt. Nun ist es wieder so: Der stärkere möchte in den Kindergarten und der Schwächere, der eigentlich noch Zeit bräuchte, muss mit!? Soll ich dne einen nun ZUhause lassen? Aber verstärke ich dadurch nicht noch die Eifersucht zwischen den beiden? Beide zuhause lassen und mit der Eingewöhnung noch einmal warten, macht mein Umfeld leider nicht mehr mit. Ich sehe aber, wie sehr mein Sohn leidet. Ich brauche Rat!


Alexandra Jaeger & Team

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Liebe Tiffi53, zunächst einmal entschuldige ich mich von Herzen dafür, dass Du keine Antwort von mir erhalten hast. Wir haben als Familie nach der Einschulung unserer Doppelwunder im Herbst ein ganz ähnliches Thema beackern müssen und mir fehlten schlichtweg die Kapazitäten. Weil Deine Frage aber so extrem wichtig ist und ganz sicher auch viele andere Eltern betrifft, hier meine Einschätzung. Vielleicht magst Du mich unabhängig davon ja in einer kurzen Antwort darüber informieren, wie es Euch inzwischen geht und für welchen Weg ihr Euch entschieden habt. Das würde mich sehr freuen. Liebe Tiffi. Insbesondere eineiige Zwillinge sehen ineinander fast immer einen wichtigen Bindungspartner. So erkennen sie sich beispielsweise wesentlich später selbst auf Fotos, haben seltener als allein geborene Kinder sogenannte Übergangsobjekte (Kuscheltiere, Schmusetücher usw) und benötigen (siehe hierzu unter anderem die Erkenntnisse der Entwicklungspsychologin Karin von Schlieben-Troschke) insgesamt länger für ihre Identitätsentwicklung. So sprechen gleichgeschlechtliche Zwillinge sehr viel häufiger von "wir" und "uns", als von "mir" und "mich". Auch bei der Frage: "Wo ist denn deine Nase?" kann es tendenziell häufiger vorkommen, dass die Nase des Geschwisterkindes statt der eigenen gezeigt wird. Oft nehmen Zwillinge von Geburt an spezielle Rollen in der Familie ein. Nicht selten kann man sich hier regelrecht einen kleinen Außen- und einen kleinen Innenminister vorstellen und diese Metapher dann auf die unterschiedlichen (aber komplementären!) Dynamiken und individuellen Persönlichkeiten der Kinder übertragen. Der Außenminister wird dabei in der Zwillings-Beziehung oft als extrovertierter, mutiger und neugieriger beschrieben. Es fällt auf, dass dieses Kind (egal welchen Geschlechts)  stärker und offener erscheint und es zudem etwas leichter hat, sich auf neue Situationen einzustellen und auf Menschen außerhalb der Kernfamilie zuzugehen. Der Außenminister hat es etwas leichter, sich zu lösen und fremde Herausforderungen zu meistern. Das Innenminister-Kind scheint sich dabei eher für die Beziehung der Zwillingsgeschwister untereinander verantwortlich zu fühlen. Es wirkt sensibler, introvertierter und manchmal sogar ängstlicher. Es konzentriert sich eher auf emotionale Prozesse innerhalb der Zwillingsbeziehung und zeigt ein großes Bedürfnis nach Nähe und Bindung zum Geschwisterkind. Auf die Umwelt kann dies so wirken, als würde es sich teilweise sogar hinter dem Geschwisterkind verstecken. Aber Achtung! Die Wissenschaft ist sich einig: Diese Rollen sollten nicht festgeschrieben werden und können durchaus tauschen! Was heißt das nun für die Eingewöhnung der Kinder in der Kita? Ganz klar: Die beiden Rabauken MÜSSEN als individuelle Persönlichkeiten mit all ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten gesehen und intensiv, auf unterschiedliche Weise begleitet / eingewöhnt werden. Einen Abbruch der Eingewöhnung oder ein "daheim lassen" eines Kindes halte ich nicht für sinnvoll. Hier würde das "Problem" / besser die Herausforderung nur verzögert. Viel wichtiger erscheint mir, dass das pädagogische Fachpersonal die Kinder einerseits als zwei einzelne Kinder mit ganz eigenem Tempo und ganz eigenen Ressourcen betrachtet, andererseits aber die besonderen Gegebenheiten der Zwillingsbeziehung ins Auge nimmt. Dabei ist insbesondere auf das Innenminister-Kind zu achten. Was braucht es? Mehr Ruhe? Mehr Pausen? Eine Gruppenraumgestaltung, die Sicherheit und Geborgenheit vermittelt? Überleg das gemeinsam mit den Erzieherinnen. Auch wichtig: Können Eure Kinder schon gut sprechen?! Oder kommunizieren sie oft noch nonverbal / in ihrer eigenen Sprache miteinander? Dann wäre es gut, wenn Ihr erst mal kleine Guck-Besuche plant, in der ihr die Gruppe nur für kurze Zeit gemeinsam besucht. Hier achte bitte genau auf DICH: Wie fühlst DU dich dort? Gibt es ein Vertrauensverhältnis zwischen DIR und den ErzieherInnen? Hast DU das Gefühl, ihr seid ein gern gesehener Gast dort? Wenn nicht, so erbitte unbedingt intensive Elterngespräche die NICHT IM BEISEIN EURER KINDER geführt werden (beispielsweise am Nachmittag oder Abend und per Telefon) Es könnten in dieser Besuchszeit vor allem Aktivitäten und Angebote gemacht werden, die die Interaktion (gern in Sichtweite des Zwillingsgeschwisterchens!!) beider Kinder mit anderen Kindern fördern oder zumindest das Interesse an "Außenstehenden" beim Innenminister-kind weckt. Beide Kinder dürfen verstehen: "Wir gewinnen durch die Kita etwas dazu und uns wird NICHTS (schon gar nicht der Zwilling!) genommen." Außerdem würde ich an Eurer Stelle das Rital "Kita-Highlights" einführen. Zum Beispiel beim Abendessen. Dort darf jedes Kind eine Sache sagen/zeigen, die besonders schön in der Kita war und eine Sache, die nicht schön war. Bitte nur anhören, danken und loben dass sie erzählt haben. Dauert nicht mehr lange und sie werden sehr genau formulieren können, wie ihr Tag war. Ich wünsche Euch alles Gute! Stärke Dich! Schau nochmal genau, wie Euer Start war, ob Du anfängliche Sorgen (FFTS beispielsweise oder Frühgeburtlichkeit) schon gut bearbeiten konntest. Wenn Du magst, bin ich gern auch telefonisch für Dich da. Du findest meine Nummer auf der extrakind-Seite im Netz (www.extrakind.de) Wir dürfen nicht vergessen, dass wir Eltern einen riesigen Einfluss auf die gesunde Identitätsentwicklung unserer Mehrlinge haben. Und zwar für jedes Kind einzeln aber auch in der für sie nicht wegzudenkenden Paarbeziehung! Sehr schwer. Habe ich wie gesagt gerade selbst erlebt. Deine Alexandra von extrakind


zweizwerge

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Als Mutter von Zwillingen, die früh in Betreuung mussten und das auch nicht immer toll fanden, würde ich sagen: freu Dich, dass es dem einen schon jetzt gut gefällt. Aber ich würde dem anderen auch etwas zutrauen. Er ist in drei Monaten 3 Jahre alt. Meinst Du nicht, dass es vielleicht mehr eine Charakter- als ein Altersfrage ist, wie er sich im Kindergarten fühlt? Würde es wirklich etwas daran ändern, wenn Du ihn noch für 4-12 Monate zuhause lässt? Und würde er sich dann nicht erst recht unwohl fühlen, wenn sein Bruder sich dort schon super auskennt, Freunde hat usw. und für ihn ist dann immer noch alles neu? Vielleicht kann er ja dann in eine andere Gruppe gehen, aber macht es das für ihn leichter? Vielleicht hilft es auch, wenn Du ihn bei der Trennung mehr unterstützt? Meinen hat es damals z.B. sehr geholfen, wenn ich ihnen ein Halstuch von mir mitgegeben hatte. Dann hatten sie Mama immer um den Hals dabei. Und ich bekam es dann nach Krippe/Kindergarten wieder, um es wieder "aufzuladen" - bzw. wir haben oft getauscht, dann habe ich auch ein Tuch von ihnen bekommen, damit ich sie nicht vermisse :-). Das ist ein aus einem Buch von Elisabeth Pantley zu Trennungsängsten adaptierter Tipp. Vielleicht findest Du da ja auch noch mehr, was für Euch passt? Vielleicht kannst Du mal ein anderes Kind aus dem Kindergarten zu Euch einladen, damit Deine Söhne (vor allem natürlich der eine, der noch Probleme mit der Trennung hat), erstmal in einer ruhigeren Situation Kontakt aufnehmen können? Bei meinen Zwillingen war es übrigens auch im Allgemeinen so, dass sie sich damit abgewechselt haben, wer gern in die Krippe ging und wer beim Abschied geweint hat. Immerhin besser, als wenn beide weinen... und im Kindergarten ging es dann schon relativ gut, auch mit sehr kurzer Eingewöhnung. Dorthin kamen sie auch ein paar Monate vor dem dritten Geburtstag.


Alexandra Jaeger & Team

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vielen Dank für diese wertschätzende und wichtige Antwort und das Teilen Deiner Erfahrung! Liebe Grüße


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