Frage im Expertenforum Gestärkt durch die Kinderwunschzeit an Dipl.-Psych. Miriam Hartz:

Frage um ein drittes Kind belastet mich

Dipl.-Psych. Miriam Hartz

Dipl.-Psych. Miriam Hartz
Systemische Paar- und Sexualtherapeutin,
Zertifizierte Kinderwunschberaterin (BKiD)

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Frage: Frage um ein drittes Kind belastet mich

Malou85

Liebe Frau Hartz,   ich habe eine etwas andere Frage hier als vielleicht üblich. Ich habe bereits zwei Kinder (fast 4 und 2 1/4 Jahre alt). Beide sind durch ICSI bzw Kryotransfer entstanden und beide kamen 6-8 Wochen zu früh auf die Welt. Sie sind aus dem gröbsten raus, aber ich habe trotz Komplikationen bei der zweiten SS noch durch den schweren Start insb des Zweitgeborenen diese Zeit immer in guter und erfüllender Erinnerung. Die zwei sind einfach das Beste, was mir je passiert ist. Die Gründe, weshalb es auf natürliche Weise bei mir und meinem Mann nicht geklappt hatte, sind seit Ende 2023 plötzlich verschwunden. Seitdem bekomme ich den Gedanken/Wunsch nach einem dritten Kind nicht aus dem Kopf. Mein Mann ist nicht total begeistert, aber auch nicht 100%ig abgeneigt. So ganz sind mir meine Motivationen nicht klar und ich drehe mich in Grübelschleifen. - Sicher weiß ich: ich wäre total gerne nochmal schwanger und würde diese magische Zeit und auch die Geburt gerne nochmal erleben - Gerne würde ich mir selbst beweisen, dass ich auch ohne Hilfe schwanger werden kann - Ich bin überzeugt, wir schaffen es auch zu fünft - oft stelle ich  mir vor, meine zwei "Großen" freuen sich über ein kleinen Nachzügler oder Nachzüglerin, könnte aber auch Eifersucht herrschen - Die Zeit, bis die Kinder mich nicht mehr brauchen, würde sich etwa drei Jahre verlängern - mir fehlen jetzt schon perspektivisch die Inhalte, wenn ich als Mutter nicht mehr so sehr wie in der Kleinkindzeit gebraucht werde - Wir hätten nochmal eine Auszeit, in der wir eng als Familie zusammenwachsen und Zeit miteinander verbringen. Stressig, aber schön   Finanziell ist es kein Problen. Hätte ich noch zwei Jahre Zeit, würde ich mich DANN über ein Nesthäkchen freuen. Ich werde aber dieses Jahr 39 und wenn wir uns dafür entscheiden, sollten wir das bald tun. Das stresst mich, in wanke dauernd hin und her. Jeder Beginn der Mens ist eine grpße Enttäuschung. Gleichzeit genieße ich kleine Familienausflüge, bpsw mit dem Fahrrad und ohne Buggy. Bis ich dann die nächste Familie mit Baby sehe... Haben Sie einen Rat, wie ich mehr Klarheit bekommen kann?   Vielen lieben Dank, Malou


Liebe Malou, Vielen Dank Ihre Fragen. Wie viele der großen Fragen zur Gestaltung des Lebens, ist auch Ihre komplex und es gibt keine eindeutige Antwort und auch kein „richtig oder falsch“. Bei allem was wir entscheiden, tun oder nicht tun, geht es immer darum, ob wir mit der Konsequenz unserer Entscheidung einen guten Weg finden. Daher schwinge ich ein bisschen in Ihren Fragen und möglichen Konsequenzen mit. Sie haben Ihre wunderbare Selbstreflexion so schön strukturiert dargestellt, daher nutze ich diese und gehe in meinem „Mitschwingen“ auch nach dieser Struktur vor. --------------------------- Die Gründe, weshalb es auf natürliche Weise bei mir und meinem Mann nicht geklappt hatte, sind seit Ende 2023 plötzlich verschwunden. Seitdem bekomme ich den Gedanken/Wunsch nach einem dritten Kind nicht aus dem Kopf. Mein Mann ist nicht total begeistert, aber auch nicht 100%ig abgeneigt. —> Wie würden Sie mit dem Thema / der Sehnsucht nach einem weiteren Kind umgehen, wenn es keine Option mehr gäbe, Sie also wieder über ICSI gehen müssten oder es klar wäre, dass Sie mit eigenen Eizellen und Spermien nicht mehr schwanger werden können. Würde das die Sehnsucht eher verstärken und zu weiteren/alternativen Schritten führen? Oder würde dies eher dazu führen, dass Sie den Fakt zwar betrauern und dann den Fokus auf die anderen Lebensbereiche legen, in denen noch Bewegung möglich ist? ---------------------------- - Sicher weiß ich: ich wäre total gerne nochmal schwanger und würde diese magische Zeit und auch die Geburt gerne nochmal erleben —> Die Frauen, mit denen ich arbeite, die diese Sehnsucht haben, haben Sie auch noch nach mehreren Kindern - egal ob da eine künstliche Befruchtung im Spiel war oder nicht. Diese starke Sehnsucht nach dem Schwanger-Zustand verändert sich manchmal erst in den Wechseljahren. Ich habe hierfür keine wissenschaftlichen Belege. Diese Wahrnehmung bezieht sich rein auf die Erfahrungsberichte von Frauen aus meinem beruflichen und privaten Kontext. Egal ob sie Kinder haben oder nicht. Damit will ich sagen, dass Sie mit dieser Sehnsucht vermutlich noch eine Weile unterwegs sein werden und einen Umgang finden müssen. Das kann heissen, dass sie dem nachgehen können oder nicht….die Sehnsucht nach einer Schwangerschaft/Geburt wird vermutlich auch nach einem weiteren Kind noch da sein. Das bestätigen ja auch einige der vorherigen Fragen in diesem Forum. ------------------------ - Gerne würde ich mir selbst beweisen, dass ich auch ohne Hilfe schwanger werden kann —> So verrückt es klingt: Elternschaft scheint einem sozialen Wettbewerb zu unterliegen. Geschichten am Stammtisch wie „hat gleich beim ersten Mal geklappt“ oder unqualifizierte Fragen wie „Sind denn IVF-Kinder richtige Kinder“ oder „eine Kaiserschnitt-Geburt ist weniger wert als eine „richtige“ Geburt“ befeuern das. Man muss sich hierzu vor Augen führen, dass die Bewertung dieser Kriterien historisch geprägt sind und sich auch kulturell unterscheiden. Allen voran ist unser Bild der Mutter in unserer Gesellschaft protestantisch durch Luther geprägt, der den Wert der Frau durch die Kinderschar beziffert. Dazu gehört auch immer noch unser heutiges Verständnis und auch die Bewertung zum Entstehen einer Schwangerschaft. Sie scheinen dieses Bild sehr verinnerlicht zu haben, wenn Sie es sich selbst beweisen möchten, dass Sie es auch ohne Hilfe schaffen. Ich würde ja von Aussen sagen, dass Sie mit den Herausforderungen, die Sie in Ihren Schwangerschaften bereits hatten, schon mehr als genug Stärke „bewiesen“ haben. Aber ich weiss, dass da jeder seine eigenen Maßstäbe hat. ------------------------- - Ich bin überzeugt, wir schaffen es auch zu fünft —> Davon bin ich auch überzeugt! ------------------------ - oft stelle ich mir vor, meine zwei "Großen" freuen sich über ein kleinen Nachzügler oder Nachzüglerin, könnte aber auch Eifersucht herrschen —> Ja. Das wird vermutlich so sein. Beides gehört dazu. ------------------------ Die Zeit, bis die Kinder mich nicht mehr brauchen, würde sich etwa drei Jahre verlängern mir fehlen jetzt schon perspektivisch die Inhalte, wenn ich als Mutter nicht mehr so sehr wie in der Kleinkindzeit gebraucht werde —> diese beiden Aussagen nehme ich mal zusammen. Etwas hinaus zu zögern, obwohl sie wissen, dass es irgendwann mal dran ist, macht es manchmal komplizierter. Ich finde es wunderbar, dass Sie in der Mutterrolle so viel Erfüllung sehen. Die Kinder brauchen Sie in den unterschiedlichen Lebensphasen (und auch als erwachsene Kinder) ganz unterschiedlich. Das heisst, hier ist Ihre Lern- und Anpassungsfähigkeit gefragt. Ein Kleinkind braucht sie als Versorgerin mit Liebe, Essen und Schutz. Eine Jugendliche braucht Sie vielleicht als Vorbild, welche Facetten alles zu einer erwachsenen Frau gehören oder wie man im beruflichen Dschungel seinen Weg findet. Vielleicht brauchen Ihre jugendlichen Kinder Sie später als Beraterin usw. Damit will ich sagen, dass sich die Suche nach den Facetten und Inhalten IHRES Lebens lohnt, weil Sie immer Mutter sein werden. ------------------------------------ - Wir hätten nochmal eine Auszeit, in der wir eng als Familie zusammenwachsen und Zeit miteinander verbringen. Stressig, aber schön —> Das ist ein Glaubenssatz, den ich hinterfragen würde. Ich kenne auch Familien, die mit steigender Anzahl auch auseinanderdriften, weil Aufgaben aufgeteilt werden (wer bringt wen wohin oder fährt mit wem in den Urlaub usw). Was hindert Sie denn daran, sich so oder so eine Auszeit zu nehmen und die Nähe innerhalb der Familie zu pflegen? Oder meinen Sie eher die Nähe zu Ihrem Mann? Hier unterliegen viele Frauen dem Glaubenssatz, dass durch Kinder Verbundenheit zum Partner geschaffen wird. Rein faktisch/rechtlich ist das so. Emotional nicht unbedingt…. ---------------------------------------- Finanziell ist es kein Problen. Hätte ich noch zwei Jahre Zeit, würde ich mich DANN über ein Nesthäkchen freuen. Ich werde aber dieses Jahr 39 und wenn wir uns dafür entscheiden, sollten wir das bald tun. Das stresst mich, in wanke dauernd hin und her. Jeder Beginn der Mens ist eine grpße Enttäuschung. Gleichzeit genieße ich kleine Familienausflüge, bpsw mit dem Fahrrad und ohne Buggy. Bis ich dann die nächste Familie mit Baby sehe... Haben Sie einen Rat, wie ich mehr Klarheit bekommen kann? —> Durch den Zeitfaktor kommt der Druck rein. Das verstehe ich. Es gibt hier kein „richtig oder falsch“. Sie fällen Entscheidungen und wägen ab, mit welcher Konsequenz Sie besser leben können. Ob Sie noch ein weiteres Kind bekommen oder Ihre Familie so bleibt wie sie ist….es klingt so, dass Sie in beiden Varianten zufrieden und fröhlich sein könnten. Herzliche Grüße Miriam Hartz


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