Liebe Frau Schulze, am 26.5.2023 um 5.55 Uhr ist überraschend und viel zu früh (26+6) unser viertes Kind auf dem Weg in den Urlaub zur Welt gekommen (der Krankenwagen war noch nicht da und mein Mann und ich waren auf uns allein gestellt). Der Grund für die plötzliche Frühgeburt ist Listeriose. Seitdem war er in Rijeka auf der Intensivstation und hat gekämpft.
Am 10.6.2023 ist unser kleiner Schatz gestorben. Ich vermisse meinen Sohn jede Minute und wir sind unendlich traurig. Trotzdem wünschen wir uns ein fünftes Kind. Allerdings weiß ich nicht, wie ich meine Ängste in den Griff bekommen soll. Ich hatte bisher völlig komplikationslose Schwangerschaften und auch die vierte Schwangerschaft verlief bis zur Geburt völlig problemlos und es hat uns völlig unvorbereitet getroffen. Die 15 Tage mit unserem Sohn waren ein ständiges auf und ab.
Die Listerieninfektion verlief bei mir symptomfrei. Und ja, ich habe ich habe sehr genau aufs Essen geachtet und weiß bis jetzt nicht wodurch ich mich angesteckt habe, was meine Angst vor einer Wiederholung noch verstärkt. Was kann ich tun, damit ich meine Angst in den Griff bekomme und zuversichtlich nach vorne blicken kann?
Viele Grüße
von
Sternal84
am 06.08.2023, 16:31
Antwort auf:
Erneute Schwangerschaft
Liebe Sternal 84,
vielen Dank für dein Vertrauen und Deine Mail. Dein Verlust tut mir wahnsinnig leid. Ich kann verstehen, dass Du Dir viele Gedanken machst und Sorge vor einer erneuten Schwangerschaft hast. es ist gut, dass Du anfängst nach Hilfe zu suchen. Wahrscheinlich kann ich Dir nicht mit allem helfen, aber Du wirst nach und nach, indem Du mit weiteren Personen sprichst (Ärtzinnen, Psychologinnen, vielleicht eine Unterstützungsgruppe) Deinen Weg finden.
Was ich Dir auf jeden Fall empfehle ist mal zu schauen, ob es in Deiner Umgebung einen “Leere Wiege” Kurs gibt. Das ist ein extra Rückbildungskurs für Mütter, deren Babies nicht am Leben sind. So eine Gruppe ist aus verschiedenen Gründen hilfreich. Zum einen wirklich wegen der Rückbildung, aber auch wegen der Zeit und dem Raum, den Du Dir nimmst, um Dich damit zu beschäftigen wie es Dir geht. Am Ende vom Kurs ist die Trauer und dieses Lebensereignis nicht “fertig verarbeitet”, aber es ist aus meiner Sicht hilfreich.
In Frankfurt, wo ich tätig bin, wird der Kurs hier angeboten: https://www.fgzn.de/beratung/trauerbegleitung und das hilft Dir vielleicht bei Deiner Recherche online.
Wie schnell bzw. ob Ihr es nochmal versuchen wollt, ist zu einem großen Teil Eure Entscheidung. Jedes Paar und jeder Mensch geht anders damit um, wenn jemand stirbt. Und es gibt kein richtig oder falsch. Grundsätzlich ist die psychologische Empfehlung: Du kannst schwanger werden, sobald möchtest. Psychologisch ist es so, dass man NICHT sagen kann, dass Du den Tod Deines Sohnes erst “fertig verarbeiten” musst. Es weiß nämlich gar niemand, wie das genau geht. Dieses Baby gehört zu Deinem Leben und Du wirst auch später manchmal traurig sein, dass er so früh gestorben ist.
Medizinisch kann das natürlich anders sein. Hier ist wichtig, dass Du mit Deinem Frauenarzt oder Deiner Frauenärztin schaust, welche Behandlung oder welche Beobachtungszeit sinnvoll vor einer weiteren Schwangerschaft ist. Was Listeten angeht, kenne ich mich nicht gut genug aus. Vielleicht kann es eine Möglichkeit sein, dass Du herausfindest mit welcher Ernährungsform das Risiko am geringsten ist und Du Dich trotzdem gesund ernähren kannst. Andere Menschen werden dass vielleicht übertrieben finden, aber das ist nicht schlimm. Du lernst dann einfach zum sagen “Ich kann verstehen, dass Dir das übertrieben vorkommt, aber ich habe mich gut informiert. Meine Ernährungsform ist gesund und sie ist wichtig, wegen Sachen, die vorher in meinem Leben passiert sind”. Du musst also nicht jedem, der fragt oder kommentierte erzählen, was Dir passiert ist. Dafür müsstest Du aber erst besser verstehen, was Nahrung ist, die ein Listeten-Risiko hat und wie man die Nahrungsmittel gesund weglassen kann. Ich will damit nicht sagen, Du hast es nicht gut gemacht. Aber anscheinend hat ja leider die normale Schwangeren-Ernährung bei Dir trotzdem Keime enthalten. (Bitte sprich darüber auf jeden Fall nochmal mit einer Ärztin - ich bin “nur” Psychotherapeutin und keine Expertin für Keime).
Eine Schwangerschaft nach einem solchen Erlebnis kann nicht ohne Sorgen oder Ängste sein. Ich möchte Dich eher stärken und sagen, auch wenn Du Angst hast, kannst Du Dich trotzdem trauen. Wichtig ist, dass Du dann Strategien entwickelst, wie Du Mut finden kannst, um trotz Deiner Angst zuversichtlich nach vorne zu schauen und Tag für Tag Dein Leben und eine Schwangerschaft zu schaffen. Hierfür kann ich Dir zum Beispiel mein Programm für die Kinderwunschzeit empfehlen (www.mentalstark.app). Dort haben wir psychologische Unterstützungsgruppe Menschen mit Geschisterkinderwunsch”. Und dann auch eine Gruppe für die psychologische Begleitung der Schwangerschaft. Außerdem haben wir eine Entspannungsgruppe und Meditationen in unserer Mediathek. Diese richten sich speziell an Menschen, die wegen Ihres Kinderwunsches schon viel durchgemacht haben und können dabei helfen mit Sorgen, Ängsten und Anspannung umzugehen.
Ansonsten möchte ich Dir noch ein paar andere Sachen mit auf den Weg geben. Es sind Beispiele und Du müsstest in Deiner Umgebung schauen, was es gibt:
Du hast auch nach dieser Schwangerschaft Anspruch auf die Unterstützung einer Hebamme. Manche Hebammen verfügen sogar über eine Weiterbildungen zur Trauerbegleiterin oder können Dich zu so einer Hebamme weitervermitteln.
Und falls Deine Kinder Unterstützung bei der Verarbeitung Ihrer Trauer brauchen, gibt es besondere Einrichtungen dafür. Zum Beispiel das Trauerland in Bremen (https://www.trauerland.org/) oder das Löwenzahn Trauerzentrum in Hannover (https://www.loewenzahn-trauerzentrum.de/).
Ich hoffe, dass hilft Dir ein bisschen weiter und schreib mir gerne, wenn Du noch Fragen hast.
Viele Grüße, Sally
von
Dipl.-Psych. Sally Schulze
am 08.08.2023