Sehr geehrte Frau Harzt,
wir haben seit 2019 Kinderwunsch, bis heute haben wir alle mögliche Untersuchungen und Behandlungsmethoden hinter uns.
Letzten Sommer war ich schwanger und in der 15. SSW haben wir unser Baby verloren. Nun bin ich wieder schwanger und habe niedrige HCG-Werte, die wieder auf eine FG hindeuten könnten. Meine Ärzte haben mir nichts negatives gesagt, weil die Verdopplungsrate gut war aber ich mache mir sehr viele Gedanken. Alles dreht sich jetzt um den nächsten Termin und Schwangerschaft, ich lese den ganzen Tag Berichte über Schwangere, die niedrige Werte hatten wie ich und das macht mich im wahrsten Sinne des Wortes irre.
Können Sie mir Tips geben, wie ich abschalten kann? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich 9 Monate mit diesen Gedanken lebe, falls es dazu kommt.
Vielen Dank im Voraus.
von
carmita
am 02.02.2024, 10:33
Antwort auf:
Intensive Beschäftigung mit der Schwangerschaft
Liebe Carmita,
Ersteinmal herzlichen Glückwunsch zum positiven Schwangerschaftstest. Das ist nach so einer langen Zeit und den vielen Behandlungen ja auch nachvollziehbarerweise aufregend. Ob das Kindchen bleibt oder nicht, liegt aktuell nicht in Ihrer Hand. Das heisst, es wird weiter aufregend und spannungsgeladen bleiben. Vielleicht hat es einen genetischen Code, der 88 Jahre alt wird, vielleicht wird es aber auch nur 8 Tage alt. Natürlich ist es traurig, eine Schwangerschaft zu verlieren und es tut mir leid, dass Sie dies bereits erlebt haben. Ihr Körper und Geist erinnern sich daran und die aktuelle Schwangerschaft „triggert“ die Sorge.
Aber warum setzen Sie da noch einen drauf?
—> Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie sich selbst so behandeln wie Sie sich gerade behandeln und den ganzen Tag Berichte über Schwangere mit niedrigen Werten lesen und darüber irre werden?
Das sind Schein-Kontrollstrategien, die Ihnen nicht das geben werden, was Sie doch vermutlich eigentlich suchen: Lebendigkeit und Handlungsfähigkeit. Ihr Versuch der Kontrolle über die Ohnmacht bestätigt eher die Ohnmacht.
Ich könnte mir vorstellen, dass es für Sie eher hilfreich wäre, dass Sie klar bleiben und den Fokus darauf legen, dass das Kind JETZT doch gerade bei Ihnen ist. Stellen Sie sich Ihrem Kind als gut aufgeräumte und präsente Mutter vor und nicht als eine schon jetzt von Sorgen zerfranste Frau, die irgendwo im Internet ganz woanders rumrecherchiert anstatt in der Hängematte zu liegen und den Bauch zu streicheln. Vielleicht ist das Kind ja gerade in Not und kann sich nicht weiter entwickeln. Dann seien Sie in Gedanken und im Herzen bei ihm und nicht bei den Geschichten anderer Frauen. Und falls das Kindchen nicht in Not ist, ist ab und zu in der Hängematte zu liegen und den Bauch zu streicheln auch ein sinnvolles Verhalten. Es könnte ja sein, dass sich die Schwangerschaft stabilisiert und Sie Ihre Kräfte noch für die Einschulung und die Pubertät brauchen.
Ich wünsche Ihnen eine positive aufregende Zeit mit viel Beschäftigung und Ablenkung in der realen und nicht in der virtuellen Welt. Wenn Sie bei mir in der Praxis wären, würde ich Ihnen Internetverbot und Gartenarbeit verschreiben ;-)
Herzliche Grüße, Miriam Hartz
von
Dipl.-Psych. Miriam Hartz
am 03.02.2024
Antwort auf:
Intensive Beschäftigung mit der Schwangerschaft
Liebe Frau Hartz,
Sie haben so schön geschrieben und ich habe es so gut verstanden. Ab jetzt gibt es Spaziergänge anstatt Internet.
Vielen lieben Dank. Sie sind eine große Hilfe.
von
carmita
am 04.02.2024, 09:15
Antwort auf:
Intensive Beschäftigung mit der Schwangerschaft
Liebe Carmita,
vielen Dank für die Rückmeldung. Sehr gern.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntagsspaziergang 😊
Miriam Hartz
von
Dipl.-Psych. Miriam Hartz
am 04.02.2024