Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillen

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stillen

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Hallo Biggi, ich bin erst im sechsten Monat schwanger. Mache mir aber jetzt schon Sorgen, ob und wie es mit dem Stillen funktionieren wird. Bei meinem ersten Kind war das ein einziger Alptraum. Mein Sohn kam gesund und fit auf die Welt, 3960 g, 53 cm, Werte nach Apgar 9/10/10. Die ersten 12 Stunden hat er nur geschrien. Man konnte ihn nicht an die Brust anlegen. Mehrere Hebamen haben mit uns versucht. Sobald man ihn an dem Kopf angefasst hat, hat er losgebrüllt. Man konnte ihn auch nicht mehr beruhigen. Er wurde richtig dunkel rot im Gesicht. Sämtliche Hebammen in Krankenhaus waren an uns gescheitert. Ich muss einräumen, dass die Klinik zu diesem Zeitpunkt überfüllt war und dortige Personal komplett überfördert. Wir wurden nach drei Tagen entlassen. Dadurch dass er nie richtig an der Brust gesaugt hat, habe ich erst am fünften Tag Milcheinschub gekriegt. Die Nachsorgehebamme ist von uns an unserem ersten Abend weggelaufen mit den Worten: “Sucht euch jemand anderen.“ Am nächsten Morgen habe ich einen Rezept für die Pumpe von ihr in meinem Postfach gefunden. 2,5 Monate abgepumpt. Mein Sohn dürfte ich auch beim Füttern aus der Flasche lange nicht anfassen und schon gar nicht am Kopf. Er lag einfach neben mir. Ich würde so gerne dieses Mal stillen. Das war damals schon mein größter Wunsch. Mir wird richtig schlecht, wenn ich nur daran denke, dass diesmal auch so ein Desaster auf uns wartet. Was ist damals schief gelaufen? Was haben wir falsch gemacht? Ich habe damals wie heute alles durchgelesen, was zum Thema Stillen gibt. Eins weiß ich ganz genau, abpumpen über längere Zeitraum kommt überhaupt nicht in Frage. Für Ihren Rat wäre ich Ihnen sehr dankbar. Mit freundlichen Grüßen Eva


Biggi Welter

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Liebe Eva, es tut mir leid, dass Ihre erste Stillerfahrung nicht so war, wie Sie es sich gewünscht haben. Das muss sich beim zweiten Kind aber nicht zwangsläufig wiederholen. Ich kann Ihnen nicht sagen, warum Ihr Kind nicht am Kopf angefasst werden wollte, vielleicht hatte es Schmerzen. Sollte so etwas wieder auftreten, sprechen Sie gleich mit dem Arzt oder versuchen Sie es bei einem Osteopathen. Ganz kurz kann man die wichtigsten Punkte für den Grundstein einer erfolgreichen Stillbeziehung auf die folgenden Schlagworte zusammenfassen: Bald stillen oft stillen uneingeschränkt stillen keine Flüssigkeit oder andere Nahrung dazugeben außer bei medizinisch begründeten Fällen. Das Baby sollte so bald wie möglich nach der Geburt zum ersten Mal angelegt werden und dann jederzeit und ohne zeitliche Einschränkung an die Brust dürfen, wenn es das will. Bei eher schläfrigen Kindern oder Babys mit verstärkter Neugeborenengelbsucht muss die Mutter unter Umständen den Takt angeben und dafür sorgen, dass das Kind mindestens acht bis zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden an der Brust trinkt. Tee, Glukoselösung oder Wasser sind überflüssig und vor allem bei einer eventuell verstärkten Neugeborenengelbsucht sogar kontraproduktiv. Das Bilirubin (der gelbe Farbstoff, der für die Gelbfärbung der Haut bei der Neugeborenengelbsucht verantwortlich ist) wird nur zu zwei Prozent über den Urin ausgeschieden, der Rest wird durch den Darm ausgeschieden. Daher ist es unsinnig, die Gelbsucht "ausschwemmen" zu wollen. Wichtig ist, dass der Darm mit Nahrung versorgt wird und die Verdauung angeregt wird, das Mekonium möglichst rasch ausgeschieden wird. Das Kolostrum, die wichtige erste Milch wirkt abführend und begünstigt damit die Ausscheidung des Bilirubins. Der Organismus eines Neugeborenen ist auf viele, kleine Mahlzeiten eingestellt. Sein Magen hat etwa die Größe eines Teebeutels. Kleine Mengen an Muttermilch sind also absolut richtig und in Ordnung. Wichtig ist, dass Ihr Baby ab dem zweiten, dritten Tag mindestens drei bis vier Darmentleerungen hat und ausreichend Urin ausscheidet. Eine Gewichtsabnahme von etwa sieben Prozent des Geburtsgewichtes innerhalb der ersten Tage ist normal, bis zehn Prozent sind bei einem ansonsten gesunden Kind tolerierbar. Spätestens mit drei Wochen sollte Ihr Baby sein Geburtsgewicht wieder erreicht haben. Milchbildungstee ist nicht notwendig und es hat keinen Sinn ihn bereits während der Schwangerschaft zu trinken. Wenn überhaupt Milchbildungstee getrunken wird, dann bitte auch nicht mehr als höchstens zwei bis drei Tassen täglich, da mehr zu Bauchproblemen beim Kind führen kann. Wunden Brustwarzen und anderen Stillproblemen können Sie am besten dadurch vorbeugen, dass Sie sich informieren. Wunde Brustwarzen entstehen in über 80 % der Fälle durch falsches Anlegen oder Ansaugen. Es ist extrem wichtig, korrekt anzulegen, nicht nur um wunde Brustwarzen zu vermeiden, sondern auch, damit die Brust gut stimuliert und richtig entleert wird und so die Milchbildung gut in Gang kommt bzw. aufrecht erhalten wird. Deshalb ist es entscheidend, dass Sie sich möglichst gut über das Stillen und die grundlegenden Dinge wie korrektes Anlegen und Ansaugen, das Prinzip von Angebot und Nachfrage, Stillen nach Bedarf usw. informieren. Nochmals: Ganz wichtig ist dass Sie wissen, wie korrekt angelegt ist und woran Sie erkennen, dass das Baby richtig ansaugt und effektiv an der Brust trinkt. Hierzu bietet sich neben dem Lesen der entsprechenden Literatur (z.B. "Stillen Rat und praktische Hilfe für alle Phasen der Stillzeit" von Marta Guoth Gumberger und Elizabeth Hormann, "Das Handbuch für die stillende Mutter" von der La Leche Liga, "Stillen einfach nur stillen" von Gwen Gotsch, das erste bekommen Sie im Buchhandel, die beiden letzteren im Buchhandel, bei der La Leche Liga oder jeder LLL Stillberaterin) der Besuch einer Stillgruppe an. In einer Stillgruppe treffen Sie nicht nur andere stillende Mütter, sondern Sie lernen auch gleich eine kompetente Ansprechpartnerin kennen, für den Fall, dass es nach der Geburt zu Stillproblemen kommen sollte. Wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL Stillberaterin heraus. Erkundigen Sie sich auch einmal, vielleicht gibt es in Ihrer Nähe ein stillfreundliches Krankenhaus, dort verläuft der Start der Stillbeziehung oft sehr viel besser und es gibt echte und gute Unterstützung nach der Geburt. Ich wünsche Ihnen schöne restliche Schwangerschaftswochen, eine gute Geburt und diesmal eine problemlose und schöne Stillzeit. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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