Frage: Röntgenaufnahme bei Zahnwurzelbehandlung 17 ssh

Sehr geehrter Dr. Paulus, ich bin in der 18 Woche schwanger und muss mich wegen Zahnschmerzen einer Wurzelbehandlung unterziehen. Da der Zahn nach zwei Sitzungen immer noch nicht schmerzfrei ist, empfehlt der Zahnarzt zur Kontrolle eine Röntgenaufnahme. Bis jetzt hat er darauf verzichtet und ein anderes Gerät, das die Tiefe des Nervenkanals misst, benutzt. Außerdem muss der Zahn stark betäubt und mit einem Medikament (Calciumhydroxit?) behandelt werden. Wäre das Ganze und vor allem die Röntgenaufnahme unbedenklich? In diesem Jahr hatte ich schon vor der SS 2 Röntgenaufnahmen wegen der Weisheitszähne. Wie lange darf sich die Behandlung dauern? Man geht davon aus, dass es 2 bis 3 Sitzungen notwendig sind, bei mir wird es wohl überstritten. Vielen Dank im voraus !

von sonnige am 04.12.2015, 11:53



Antwort auf: Röntgenaufnahme bei Zahnwurzelbehandlung 17 ssh

Selbstverständlich wären Röntgenaufnahmen des Kiefers (unter Bleiabdeckung des Bauches) sowie eine Zahnbehandlung in Lokalanästhesie im zweiten Schwangerschaftsdrittel zulässig. Bei der Anwendung von Lokalanästhetika liegen bisher keine Hinweise auf eine Fruchtschädigung beim Menschen bzw. in Tierversuchen vor. Articain und Bupivacain besitzen eine hohe Plasma-Eiweißbindung und eine kurze Halbwertszeit, so dass nicht mit dem diaplazentaren Übertritt einer erheblichen Substanzmenge auf den Embryo bzw. Feten zu rechnen ist. Für operative Eingriffe während der Schwangerschaft gilt die Lokalanästhesie als schonende Anästhesiemethode. Der Umgang mit Röntgenstrahlen in der Schwangerschaft löst bei Patientinnen wie Ärzten große Besorgnis aus. Die intrauterine Belastung eines Feten durch die üblichen Strahlenquellen aus Kosmos, Luft und Boden beträgt weniger als 1 mGy (Bentour 2001). Die größte Empfindlichkeit des zentralen Nervensystems für Strahlenschäden liegt zwischen Schwangerschaftswoche 8 und 15 nach Empfängnis. Bei fetaler Strahlenbelastung unterhalb von 50 mGy ließ sich im Vergleich zu Schwangeren mit der natürlichen Hintergrundbelastung keine Zunahme von kindlichen Komplikationen feststellen (Brent 1989). Entsprechend einer Stellungnahme des American College of Radiology gibt es keine radiologisch-diagnostische Maßnahme, die bei einmaliger Anwendung zu einer Strahlungsdosis führt, die ausreichend wäre, die normale Entwicklung eines Embryos oder Fetus zu gefährden (Hall 1991). Bei einer zahnärztlichen Kleinbildaufnahme ist die Strahlenbelastung für den Fetus 500.000 mal geringer und bei einer Panoramaaufnahme immer noch 50.000 mal geringer als der genannte kumulative Grenzwert von 50 mGy (Pertl et al 2000). Sie liegt somit im Bereich der täglichen natürlichen Hintergrundsbelastung. Von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde werden die Verwendung hochempfindlicher Filme, Rechtecktubus sowie Mehrfachröntgenschutz (z.B. doppelte Bleischürze) und die Beschränkung der Zahl der Aufnahmen auf ein Minimum empfohlen (Willershausen-Zönnchen 1994). Wenn eine dentale Röntgenaufnahme in der Schwangerschaft erforderlich erscheint, sollte unbedingt auf die extrem niedrige Strahlenbelastung von 0,1 (Kleinbild) bis 1 µGy (Panoramaröntgen) hingewiesen werden. Eine Wurzelbehandlung wäre angesichts der geringen Wirkstoffmengen im zweiten Schwangerschaftsdrittel unbedenklich.

von Dr. Wolfgang Paulus am 07.12.2015