Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

Diverse Medikamente in der Schwangerschaft

Dr. med. Wolfgang Paulus

Dr. med. Wolfgang Paulus
Facharzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm

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Frage: Diverse Medikamente in der Schwangerschaft

finima

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Sehr geehrter Dr. Paulus, ich bin 33 Jahre alt und habe bereits 2 Kinder. Seit der letzten Schwangerschaft vor 5 Jahren hat sich mein Asthma zusehends verschlechtert und wir hatten Mühe, das Ganze einigermaßen zu stabilisieren. Auf Grund von Infekten hatte ich im vergangenen Jahr 14 schwere Exacerbationen mit Notfallbehandlungen (Prednisolut i.v. + Bronchoparat). Nach einem 4-wöchigen Klinikaufenthalt bin ich endlich stabil und erreiche auch wieder meine normale Lungenfunktion. Wir wünschen uns noch ein Kind, und wären auch bereit, es jetzt zu wagen. Allerdings nehme ich doch noch so einige Medikamente, wenn auch kein systemisches Kortison mehr dauerhaft: 2-0-2 Symbicort 320/9 1-0-0 Ebastin 10 mg 0-0-1 singulair 10 mg 1-0-0 Nexium 40 mg 1-0-1 Cefuroxim 250 mg 150 mg Xolair/ Monat Infusionen mit Ferrlecit Ca/D3/Mg zur Prophylaxe Welche Medikamente müssten zwingend abgesetzt werden? Wie sieht es mit Notfallbehandlungen in der Schwangerschaft aus? Wie wäre meine Arbeitsfähigkeit einzuschätzen? Gynäkolgisch gesehen bin ich gesund. Ich habe trotz allem einen relativ regelmäßigen Zyklus von 28 Tagen. Wir verhüten nicht hormonell, sondern lediglich durch Bestimmung meines Eisprungs. Das Cefuroxim bekomme ich dauerhaft wegen einer Immunschwäche, das Ferrlecit i.v. wegen eines chronischen Eisenmangels auf Grund einer serologisch nachgewiesenen Resorptionsstörung. Die Pneumologin in der Klinik meinte, im Vordergrund stünde die Vermeidung von Asthmaanfällen, alles andere wäre Nebensache. Sie bestätigte uns in unserem Schwangerschaftswunsch. Wie sehen Sie das Ganze? Werde natürlich alle meine Fragen nächste Woche mit meinem Gynäkologen besprechen, er muss das Ganze ja schließlich "mit tragen". Vielen Dank und liebe Grüße Alexandra


Dr. Wolfgang Paulus

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Zur Asthmatherapie empfiehlt sich vor allem die inhalative Applikation, da sich auf diesem Wege die allgemeine Belastung deutlich reduzieren lässt. Wirkstoffe, die speziell die ß2-Rezeptoren stimulieren, führen zu einer Erweiterung der Bronchien, aber auch zu einer Erschlaffung der Gebärmuttermuskulatur (Tokolyse). Am besten verträglich sind Substanzen mit einer nur geringen Restwirkung auf die ß1-Rezeptoren, die sich in einer Steigerung der Herzaktivität manifestiert. Zur Asthmatherapie empfiehlt sich vor allem die inhalative Applikation, da sich auf diesem Wege die systemische Belastung deutlich reduzieren lässt. Aus der Klasse der Betasympathomimetika haben sich in der Schwangerschaft die Substanzen Fenoterol, Salbutamol, Reproterol und Terbutalin bewährt. Während ihre Wirkung auf 4 bis 6 Stunden begrenzt ist, zeichnen sich die neueren Vertreter Formoterol (z. B. in Symbicort) und Salmeterol durch eine deutlich längere Wirkdauer (über 12 Stunden) aus. Zur inhalativen Glukokortikoidtherapie bei Asthma bronchiale werden vor allem Beclometason, Budesonid, Flunisolid, Fluticason, Mometason und Triamcinolon eingesetzt. Eine insuffiziente Behandlung von chronischem Asthma bronchiale in der Schwangerschaft kann gesundheitliche Schäden für Mutter und Kind (z. B. Hypoxie, niedriges Geburtsgewicht) mit sich bringen (Witlin 1997; Dombrowski 1997; Jana et al 1995). Epidemiologische Studien zur inhalativen Glukokortikoidtherapie in der Schwangerschaft zeigten keine Zunahme angeborener Anomalien. Eine retrospektive Studie zur Medikation mit Triamcinolon, Beclometason bzw. Theophyllin bei Asthma in der Schwangerschaft ergab für keinen Wirkstoff einen Zusammenhang mit Fehlbildungen (Blais et al 1998). Die multizentrische, prospektive Doppelblindstudie START (Inhaled Steroid Treatment As Regular Therapy) bestätigte, dass die Inhalation von 400 µg Budesonid in der Schwangerschaft sicher ist (Silverman et al 2002). Das Swedish Medical Birth Registry konnte keinen Anstieg der Inzidenz angeborener Anomalien unter ca. 3000 Kindern feststellen, deren Mütter in der Frühschwangerschaft Budesonid (inhalativ) angewandt hatten (Norjavaara & De Verdier 2003, Kallen et al 1999). Inhalative Kortikoide werden daher bei mäßigem bis schwerem Asthma bronchiale als Standardtherapie in der Schwangerschaft empfohlen (Oren et al 2004). Omalizumab ist ein rekombinanter, aus DNA abgeleiteter, humanisierter monoklonaler Antikörper, der selektiv an das menschliche Immunglobulin E (IgE) bindet. Omalizumab verhindert somit die Bindung von IgE an den IgE-Rezeptor. Dadurch wird die Menge an freiem IgE reduziert, das zum Auslösen der allergischen Kaskade verfügbar ist. Die Sicherheit von Omalizumab wurde an Cynomolgusaffen untersucht, da Omalizumab an Cynomolgus- und humanes IgE mit ähnlicher Affinität bindet. In Reproduktionsstudien an Cynomolgusaffen zeigten subkutane Dosen bis zu 75mg/kg während der Phase der Organogenese keine Fruchtschädigung. Außerdem wurden bei einer Verabreichung während der späten Schwangerschaft keine nachteiligen Effekte auf das fetale Wachstum beobachtet (Fachinfo Xolair 2010). Größere Erfahrungen in der menschlichen Schwangerschaft fehlen bislang. Von einer gezielten Anwendung in der Schwangerschaft ist daher abzuraten. Bei Ebastin handelt es sich um einen nicht sedierenden H1-Rezeptorantagonisten mit Langzeitwirkung. In Tierversuchen an Ratten fanden sich unter oralen Dosen bis 300 mg/kg/d keine Hinweise auf ein fruchtschädigendes Potenzial von Ebastin (Aoki et al 1994a,b,c). Beim Menschen liegen bislang keine größeren Erfahrungen in der Schwangerschaft vor. Wir verfügen lediglich über eine sechs Rückmeldungen nach Anwendung von Ebastin in der Frühschwangerschaft: · 1 x Abort (SSW 10) nach Medikation mit Ebastin in der 6.SSW · 5 x unauffälliges Neugeborenes Von einer Anwendung ist daher insbesondere in der Frühschwangerschaft abzuraten. Der Leukotrienrezeptor-Antagonist Montelukast erhöhte nach Herstellerangaben das Fehlbildungsrisiko in Tierversuchen mit Ratten und Kaninchen unter 400 bzw. 300 mg/kg/d nicht. Dies entspricht der 320- bzw. 490-fachen humantherapeutischen Maximaldosis (Fachinfo SINGULAIRÒ 1999). Der Hersteller erfasste 137 Schwangerschaften unter Exposition mit Montelukast prospektiv (davon 116 Expositionen im ersten Trimenon). Darunter fanden sich 6 Fälle mit folgenden Anomalien: Extremitätenreduktion, Hypospadie, Triploidie und Hörverlust (Merck 2003). Wir verfügen über 6 Rückmeldungen nach Exposition mit Montelukast in der Schwangerschaft (darunter 3 Dauermedikationen): 1 Spontanabort 5 unauffällige Neugeborene Zwar sind die Erfahrungen mit Montelukast in der Schwangerschaft bislang noch begrenzt, doch ergaben sich bisher keine Anhaltspunkte für eine Fruchtschädigung. Allerdings sollte von einer Fortführung der Medikation in der Schwangerschaft abgesehen werden. Bei dem Protonenpumpenhemmer Esomeprazol (Nexium) handelt es sich lediglich um ein Isomer von Omeprazol, so dass mit ähnlichen Ergebnissen wie bei dem länger erprobten Omeprazol zu rechnen ist. In einer schwedischen Kohortenstudie lag die Fehlbildungsrate nach Exposition mit Protonenpumpenhemmern nicht höher als in einem unbelasteten Vergleichskollektiv. 282 der 295 erfassten Schwangeren hatten bei dieser Untersuchung Omeprazol eingenommen (Kallen 1998). Eine weitere Kohortenstudie zur Anwendung von Omeprazol im I.Trimenon fand unter 139 exponierten Kindern ebenfalls keinen Anstieg der Fehlbildungsrate (Ruigomez et al 1999). Eine Publikation zu 91 Schwangerschaften, die nach Kontakt mit dem Teratogen Information Service weiter verfolgt wurden, zeigte ebenfalls keine Häufung angeborener Anomalien (Lalkin et al 1998). Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko ist unter Omeprazol bzw. Esomeprazol nach der aktuellen Datenlage nicht anzunehmen. Penicilline und Cephalosporine (Cefuroxim) sind als Antibiotika der 1.Wahl in allen Phasen der Schwangerschaft zu betrachten. Präparate mit Eisen, Kalzium und Vitamin D sind in der Schwangerschaft unbedenklich, solange sie dem Ausgleich eines Defizites dienen. Für eine weitergehende fachliche Beratung dürfen Sie gerne unser Institut kontaktieren. Mit Hilfe von EDV-gestützten Datenbanken vermitteln wir schnell und umfassend aktuelle Erkenntnisse über den Einsatz von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit. Unser Anfrageformular können Sie von unserer Website (http://www.reprotox.de) herunterladen und uns übermitteln. Für entsprechende Beratungen stehen wir werktags zwischen 8 und 18 Uhr gebührenfrei zur Verfügung: Institut für Reproduktionstoxikologie KH St. Elisabeth (Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Ulm) Elisabethenstraße 17 88212 Ravensburg Tel.: +49 751 87 2799 Fax: +49 751 87 2798 E-Mail: paulus@reprotox.de Internet: http://www.rerotox.de


finima

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Sehr geehrter Dr. Paulus, herzlichen Dank für Ihre ausführliche und kompetente Antwort! Sie haben uns schon ein ganzes Stück weiter geholfen. Ich hätte allerdings noch eine Rückfrage. Sowie ich Ihre Ausführungen verstehe kann ich das Symbicort, das Antibiotikum und auch das Nexium ohne größere Bedenken weiter einnehmen. Das ist schon eine Basis. Allerdings müsste ich das Xolair, sowie auch das Antihistaminikum absetzen. Vermutlich bekomme ich dann wieder große Probleme auf Grund meiner Allergien. Eintretende Exacerbationen müssen dann mit relativ hohen Kortisondosen und Bronchienerweiterern i.v. behandelt werden. Gibt es ein relativ unbedenkliches Antihistaminikum das bei Kinderwunsch eingenommen werden kann? Oder ist es sinnvoller dann doch wieder eine niedrige Dosis systemisches Kortison einzunehmen? (z.B. 5-7,5 mg Prednisolon) Wie sieht es bei schweren Exacerbationen aus? Wie schädlich sind hohe Kortisondosen i.v. (250 mg Prednisolon aufwärts)? Vielen Dank für Ihre Hilfe!


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