Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

4-jaehriger mag fast nichts

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

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Frage: 4-jaehriger mag fast nichts

Mitglied inaktiv

Hallo, mein 4 1/2-jaehriger Junge mag ziemlich wenig essen (ausser selbstverstaendlich Suessigkeiten und Salzstangen und Salzchips), insbesondere bei Gemuese und Fisch. Was er isst sind: Gemuese: Gemuesegurke, Paprika, Karotten (alles nur roh), Salat (ohne Salatsauce), Tomatensauce, manchmal (kein Ketchup, ob man's glaubt oder nicht!) Gemuesesuppe (wenn puriert), Kartoffeln in jeder Form Obst: Aepfel, Birnen, alle Beerensorten, Mandarinen, Orangen, manchmal Rosinen Getreide: Brot in jeder Form (allerdings je weisser je lieber, jedes Mal ein Kampf zwischen mir (Vollkornbrot) und ihm (Croissant)), Reis, Nudeln, Haferflocken, Corn Flakes und (wenn er bekommen kann), alle zuckrigen Fruehstueckscerealien Fleisch: Solange ohne Sauce oder mit "Mama"-Sauce, ist er das meiste Fleisch Fisch: Nur Thunfisch (frisch oder aus der Dose) Milchprodukte: Milch, Frischkaese, Mozzarella (am liebsten roh), Fruchtjoghurt nur in der "Fruchtzwerge"-Version Er trinkt am liebsten Leitungswasser (immerhin eine gute Sache). In seiner Vorschule isst er zu Mittag und muss dort immer alles probieren, was es gibt, braucht aber nicht aufzuessen, was er nicht mag. Er probiert also auch immer und verkuendet jedes Mal, dass er das Neue, was gerade auf seinem Teller ist, nicht mag. Er ist nach der Vorschule verstaendlicherweise dann immer furchtbar hungrig und bekommt Apfelmus, Muesliriegel oder Obst und Brot. Er wiegt 17,6kg bei 116 cm, ist also sehr duenn. Zuhause lasse ich ihn schon seit Jahren beim Kochen zusehen und mir helfen. Er macht das auch inzwischen schon recht geschickt, aber das Gekochte mag er immer noch nicht essen. Was kann ich noch machen, um ihm etwas mehr vor allem die so wichtigen Gemuese und Fisch schmackhaft zu machen und damit er nicht mehr so "etepetete" ist? In Restaurants mag ich mit ihm schon gar nicht mehr gehen, weil er inzwischen selbst seine vormals so heissgeliebte Pizza ablehnt, wenn zuviel Kaese drauf ist oder sonst irgendetwas nicht stimmt. Vielen Dank im voraus, Ihre FM


Birgit Neumann

Birgit Neumann

Hallo Foreignmother ein paar postings weiter unten gibt es einen ähnlichen Beitrag. Ich dachte gerade, es sei der Selbe. Und eigentlich kann ich deswegen auch nur meine dort bereits formulierte Antwort wiederholen. Im Rahmen des Forums kann ich leider nicht allzu sehr ins Detail gehen. Aber mal ehrlich, so wenig Auswahl ist das doch gar nicht. Ich denke, dass erzieherische Massnahmen ganz gut helfen würden. Befrage dazu mal Frau Schuster. Das Wichtigste wäre, dass euer Sohn neue Speisen probiert. Immer und immer wieder. Ausspucken erlaubt. Denn nur über das Probieren können neue Esserfahrungen gesammelt werden. Auf diesen Erfahrungen beruht genussreiches Essen und darauf basiert widerum die Appetisteuerung. Babies, Kleinkinder und Kinder, auch Erwachsene, haben noch dazu eine sog. Neophobie. Eine Angst vor dem Neuen (essen). Auch hier wieder, evolutionsbiologisch betrachtet, eine gute Schutzfunktion. Gegessen wird nur das, was man kennt. Denn Unbekanntes könnte giftig sein. Besonders bittere Speisen sind oft giftig. Deswegen wird ein bitterer Geschmack von Kindern meistens abgelehnt. Grüne Paprika schmecken gekocht meist bitter. Aber auch alte Möhren können manchmal bitterer sein. Kinder sollten bis zu 10 mal etwas probiert haben, bevor sie es wirklich gut akzeptieren und sich an den Geschmack gewöhnt haben. Auch der Geruchssinn spielt eine große Rolle. Denn noch bis ins Erwachsenenalter (lebenslang) hinein sind solche Erinnerungen mittels Geruchssinn aktiv, und die Bereitschaft später im Erwachsenenalter eine Speise zu probieren, ist dadurch sehr gross. Somit nimmt die Geruchsprägung noch vor der Geschmacksprägung eine wesentliche Rolle ein. Die einmal erlernten Geschmacksmuster, in frühester Kindheit, werden treu bis ins Erwachsenenalter hinein beibehalten. Muttermilchersatzpulver bspw. enthält gewöhnlich den Aromastoff Vanillin. Das Münchner Sensorikunternehmen ASAP hat hierzu eine Versuch durchgeführt: 130 Jugendliche und Erwachsene erhielten zwei fast identische Proben Ketchup. Die Proben unterschieden sich in der Zugabe von Vanillin zu einer Ketchupflasche. Der vanillinhaltige Ketchup wurde von ehemaligen Flaschenkindern 4 mal so häufig bevorzugt, als von ehemals gestillten Personen. Eine neuere Studie ergab, dass Kinder, die häufig aromatisierte Fruchtjoghurts assen, sich so sehr an die Aromen gewöhnen, dass sie dann den im Testversuch selber angerührten Joghurt mit frischen Früchten, als Kunstprodukt zu identifizieren glaubten. Fazit: Das Aroma der echten Früchte war ihnen so fremd, dass sie die künstlichen, naturidentischen, natürlichen Aromen, jeweils als den Geschmack von "echtem Obst" abgespeichert hatten und künftig diesen "unechten" favorisieren. Wichtig zu wissen ist, dass bei der Appetitsteuerung viele Faktoren zusammenspielen. Eine ganz wichtige Rolle spielt auch die individuelle Verdauung der Speisen, die u.a. von der mikrobiologischen Darmbesiedelung abhängt. Jedes Kind hat seine Favoriten. Dieses Herauszufinden, ist schon mal was wert Dazu ist es wichtig, dass ein Kind ein möglichst breitgefächertes Repertoire hat, aus dem schöpfen kann. Das bedeutet, dass möglichst viel probiert werden sollte. Manchmal ist so eine Situation nicht der Essenstisch, sondern vielleicht der Spielplatz, bei der Oma, im Urlaub, im Restaurant etc Die Verdauung ist individuell verschieden. Was dem einen gut bekommt, kann beim anderen zu Unwohlsein führen. Deswegen mögen viele Kinder Gemüse oft weniger gerne essen. Gemüse hat zwar Vitamine Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe aber bringt (im Vergleich zu Obst) keine Sättigung. Die enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe sind manchmal schwerer verdaulich. Deshalb wird Gemüse oft akzeptiert, wenn es entsprechend zubereitet wurde, weil die Zubereitungsweise eine direkte Auswirkung auf die Verdauung/Verdaulichkeit hat. Mit viel Fett (z.B. Rahmspinat) werden Ballaststoffe verträglicher. Ketchup bspw. hat einen hohen Zuckeranteil. Die Säure wird abgemildert und Kalorien kommen hinzu. Erbsen haben von Natur aus einen leicht süßlichen Geschmack. Pizza ist auch fettreicher wegen dem Käse und Öl. Deswegen akzeptieren Kinder oft mit Gemüse belegte Pizza. Und hier noch ein Denkanstoss: könnte es sich um einen Machtkampf bzw um ein Verhalten handeln, um Aufmerksamkeit zu bekommen? Das könnte zum Selbstläufer geworden sein. Frag doch mal Frau Schuster in ihrem Forum, hier bei rub, ob sie eine Idee hat. Das Verhalten deines Sohnes, wie du es schilderst, klingt auch danach. Gäbe es evtl auch andere Bereiche, bei denen dein Sohn ähnlich agiert? Legst du sehr viel Wert auf gesunde Kost? Wie war der Übergang zur Familienkost? Gruss Birgit


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