Frage im Expertenforum Hebamme an M. Sc. Martina Höfel:

wieder ich

M. Sc. Martina Höfel

M. Sc. Martina Höfel
Master of Science in Midwifery, Hebamme im DHV - Deutscher HebammenVerband e.V.

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Hallo Frau Höfel, momentan habe ich aber auch genug Fragen.....es ist zum Eier legen. Also folgendes: War gestern zur VU mit US beim FA (29+5 SSW). Der stellte, wie es es bereits gemerkt hatte, eine BEL fest. Um diese Zeit nichts bedenkliches, Kinder drehen sich gerne noch bis zur 38. SSW, das ist mir bekannt. Dennoch möchte ich gerne einmal Ihre persönliche Meinung zu einer BEL-Spontanentbindung wissen. Meine Hebi ist davon absolut überzeugt, ich finde es für das Kind auch besser, als ein KS, doch wo liegen die Risiken und vorallem WELCHE Risiken kämen in Betracht. Ich würde gerne nur eine Nutzen/Risikoabwägung treffen. Lieben Dank im Voraus und liebe Grüsse, Meike


Martina Höfel

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Liebe krummine, „Die sicherste und einfachste Art, das fetale geburtsmechanische Risiko bei Beckenendlagen zu vermeiden, ist die systematische Schnittentbindung“ Kubli 1975 Die Überzeugung Kublis und die technische Aufrüstung der Kreißsäle durch fetales und maternales Monitoring führte dazu, dass in Deutschland den vermeintlichen fetalen Risiken bei einer vaginalen Entbindung mit einer Sectio begegnet wurde. Kubli hat seine Aussage in späteren Jahren relativiert, aber das hat niemanden interessiert. Viele Geburtsmediziner konnten sich zu Beginn der 80er Jahre noch kein Bild von der Größe und Lage des Feten machen, da sie schlecht oder gar nicht in der Ultraschalltechnik ausgebildet waren. So erklärt sich, dass 1984 im Bericht der Standardkommision Beckenendlage (Berg et al 1984), der unter anderem auch Kubli angehörte, die Indikationen für eine Sectio weit gefasst wurden. Die Technik des Kaiserschnittes hatten alle angehenden Frauenärzte anlässlich einer Weiterbildung erlernt. Rauskolb (2005) analysierte die Daten der niedersächsischen Perinatalstatistik und kommt zu dem Ergebnis, dass die Rate bei Erstgebärenden bei fast 100% und bei Mehrgebärenden zwischen 84 und 90% liegt. Da für das gesamte Land kongruente Zahlen angenommen werden können, bedeutet dies, dass die aktuelle Kaiserschnittrate in Deutschland bei Beckenendlage bei 90% liegt. Diese Zahlen betreffen nicht nur Deutschland, sondern sind weltweit zu finden. (Alexandersson 2005) An dieser Entwicklung war eine im Jahr 2000 veröffentlichte, prospektiv randomisierte Studie von Hannah et al maßgeblich beteiligt. Der so genannte „Term Breech Trial“ untersuchte 2088 Geburten aus Beckenendlage. Hannah et al kamen zu dem Schluss, dass kindliche Mortalität und schwere Morbidität bei Beckenendlage bei einem geplanten Kaiserschnitt signifikant geringer waren als bei geplanter vaginaler Geburt. 5% der vaginal geborenen Kinder starben oder waren ernsthaft geschädigt, aber nur 1,6% der Kaiserschnitt-Kinder. Aus diesen Zahlen wurde geschlossen, dass die vaginale Entbindung bei Beckenendlagen ein höheres Risiko für die Kinder beinhaltete als die Sectio. Nach Veröffentlichung des „Term breech Trial“ (TBT) änderte sich weltweit der Geburtsmodus für Beckenendlagen und die Sectio-Raten stiegen überproportional an (Krause & Feige 2002; Alexandersson 2005) Mittlerweile gibt es DEUTLICHE Zweifel an der Gültigkeit der Ergebnisse des TBT. Der Studie von Hannah et al. werden erhebliche methodische Schwächen nachgewiesen in Bezug auf die Vergleichbarkeit der Krankenhäuser und die Erfahrung der geburtshilflichen Teams. Bei aktuellen Re-Analysen lösten sich die Unterschiede hinsichtlich Morbidität (Erkrankungen) und Mortalität (Sterblichkeit) der Neugeborenen auf. (Glezerman, 2006; Dirschlmayer 2006; Alarab 2004; Keirse 2002). Nichtsdestotrotz gilt das Ergebnis der Studie jetzt als Evidenz für die Überlegenheit des Kaiserschnittes bei Beckenendlage. Die Rechtsprechung weißt umgekehrt aber kaum Fälle auf, bei der die Sectio als ein für die Mutter gefährliches Verfahren bestraft wird (...) . Die vaginale Geburt bei einer BEL wird dagegen als Vorgehen mit hohen kindlichen Risiko gesehen. (..........) In Deutschland wurde 1994 eine Weiterbildungsordnung für Ärzte verabschiedet, die das Fach Geburtshilfe in drei Spezialgebiete ( spezielle operative Gynäkologie - Endokrinologie und Reproduktionsmedizin- spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin) aufteilte (Weiss 1994). Dies hat zur Folge, dass sich zwei Drittel der Mediziner gedanklich nicht mehr mit der vaginalen Entbindung bei BEL auseinandersetzen. Diese Ärzte betreiben heute Schwangerenvorsorge und beraten Frauen über ein Thema, von dem sie eigentlich keine oder nur wenig Fachkenntnisse besitzen (Rockel-Loenhoff 2005). Die Folge davon ist, dass sich nach entsprechender Aufklärung, immer mehr Frauen für eine Sectio als Geburtsalternative entscheiden. " So - und nun? Die primäre Sectio sicherer als die normale Geburt? Die Kinder nach Kaiserschnitt aber schlechter drauf als nach vaginaler Geburt? Und die Frauen? Nach einer der größten Bauchoperationen auch ein stückweit um die Möglichkeit gebracht, das zu tun, was Ihre Bestimmung und ihr Wunsch ist - nämlich zu gebären. Das hört sich pathetisch an - aber wir betreuen oft genug Frauen, die nach einem Kaiserschnitt psychische Probleme haben. Denen einfach etwas fehlt. Und ein Kaiserschnitt ist auch nicht ohne: Wundheilungsstörungen, Thrombosegefahr, die Verletzung der Blase usw. Und das Folgerisiko für weitere Entbindungen, denn die Gebärmutter ist mit einer Narbe versehen! Der "Trick" bei alledem ist doch: was will die Frau und was kann ich ihr anbieten? Eine Frau mit einem 5000g Kind im Bauch wird eine Sectio bekommen - da das Kind zu groß ist. Kein Thema. Die Frau, die Angst vor einer spontanen Entbindung hat, wird ebenfalls ihre Sectio bekommen. Auch kein Thema. Aber nicht jede Frau will einen Kaiserschnitt und dann ist die normale Geburt dran. Dafür müssen ein paar Voraussetzungen gegeben sein: ein erfahrener Arzt und eine erfahrene Hebamme sollten vor Ort sein und ein OP-Team in Rufbereitschaft. Und dann ist auch eine BEL-Entbindung eine sichere Alternative! Die BEL gehört zu den Risikogeburten. Der Po ist so weich, dass er manchmal den Muttermund nicht genug aufdehnt oder das Kind legt sich in eine geburtsschwierige Lage - dann muß ein Kaiserschnitt gemacht werden. Vor 15 Jahren hat man jeder Frau mit BEL gnadenlos den Bauch aufgeschnitten. Aus Sicherheitsgründen! Weil man Angst hatte, dass der nachfolgende Kopf steckenblieb und das Kind Schaden nahm. Heute zeigt uns der Ultraschall, ob eine spontane Geburt möglich ist. Und noch eins: neueste Studien zeigen, dass die Kinder den primären Kaiserschnitt nicht so gut verkraften - sie reagieren mit Anpassungsstörungen. Ich arbeite an einer Klinik, die Beckenendlagen spontan zur Welt kommen läßt - und kann das nur befürworten. Bei einer spontanen BEL erwartet Sie in der Klinik nur wenig anderes als bei einer Schädellage. Ab Muttermund vollständig werden Sie besonders überwacht, eine PDA ist meist usus und zur Geburt kommt der Oberarzt. Machen Sie für die 36. SSW einen Termin zum ambulanten Gespräch in der Klinik aus. Meist ist das ganze Getöse (Gespräch in der Klinik, Papiere fertigmachen, Gespräch über Sectio und vorherigen Spontanversuch) für die Katz, da sich das Kind noch dreht. Liebe Grüße Martina Höfel


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