Mitglied inaktiv
Hallo Hr. Prof. Jorch, Sie haben mir schon einmal am 02.06. 10 ("PVL und erweiterte Seitenventrikel) auf eine Frage geantwortet. Das ist nun schon eine Weile her, mein Sohn ist inzwischen 18 (unkorrigierte) Monate und flitzt seit einigen Monaten durch die Gegend. Noch einmal kurz zur Vorgeschichte: Zwillingsschwangerschaft, geboren in SSW 30/4, ANS III-IV, 2 Wochen Beatmung, im Verlauf zunächst Zysten im Plexus, später per Sonographiebefund I., II. und III. Ventrikel erweitert, beidseitige PVL. Seit dem 13. Lebensmonat läuft er, allerdings war es in den ersten Monaten eher wie ein Pinocchio-Laufen, überall rumpelte er an, wenn er fiel, waren die Bewegung immer noch so, dass seinen Körper komplett mitzog. Ich kann das schlecht beschreiben. Er kippte z. B. im Sitzen mit dem Oberkörper leicht nach links und zog sich in der Sitzhaltung mit ausgestreckten Beinen komplett mit und fiel auf den Kopf, ohne dass er sich dabei abstützen konnte. Es gab jeden Tag mehrere blaue Flecke, weil er ständig irgendwo dagegen lief. Seine Impulsivität, diese Rastlosigkeit und extreme Unruhe hat er bis heute behalten. Musik ist die einzige Möglichkeit, ihm zu etwas mehr Ruhe zu verhelfen. Da setzt er sich bisweilen bin und lauscht einfach oder fängt an, die Arme im Takt zu schwingen. Etwas besser geworden ist auch, dass er sich inzwischen manchmal anfassen, kurz kuscheln oder überhaupt auf den Arm nehmen lässt. Im Spiel klappt meistens sehr gut. Überwiegend ist es aber so, dass ich den Eindruck habe, er will nur für sich sein, und dabei darf ihn keiner stören. Mehr Sorgen machen mir zur Zeit andere Beobachtungen. Wenn wir Bilderbücher ansehen, ist er schnell gelangweilt oder überfordert und geht schnell weg. Ruhig sitzen kann er dabei ohnehin nicht, keine 10 Sekunden. Meistens reißt er seinem Bruder die Bücher aus der Hand, obwohl wir zu dritt davor sitzen und zieht sie sich ganz dicht ans Gesicht und drückt dann mit einer ungeheuren Kraft auf den Bildern herum, als könnte er sie "begreifen", also in 3-D sehen. Er beugt dabei den Zeigefinger der linken Hand, legt den Daumen drumherum und streckt Mittelfinger, Ringfinger und kleinen Finger und nutzt den schließlich Mittelfinger zum Tasten der Bilder. Wenn ich das so sehe, frage ich mich oft, warum ihm das nicht weh tut, wenn er so stark drückt. ( Festgestellt habe ich nun, dass ganz einfache Bücher, mit 1 bis 2 Abbildungen und neutralem Hintergrund auf einer Seite o.k. sind, da lässt er sich etwas mehr Zeit und zeigt auch auf fast alles, wonach ich ihn frage. In anderen etwas komplexeren Büchern, die sein Zwillingsbruder gerne ansieht, findet er Dinge nicht, sieht sie einfach nicht, obwohl er sie kennt. Bei den Mahlzeiten ist es so; liegt zu viel auf seinem Teller, ist er überfordert. Am Ende landen nur ein paar Bissen im Mund, der Rest ist überall verteilt, auf dem Boden, auf dem Stuhl etc., obwohl er noch Hunger hat. Ein Teller und ein Becher auf seinem Tisch sind manchmal schon zu viel für ihn. Er ist dann sehr unruhig, zappelt viel und vergisst, dass er in der einen Hand etwas hat, greift dann mit der anderen schon zu, lässt das andere einfach fallen usw. usw....so geht das jeden Tag. Ganz oft bemerke ich jedenfalls, dass er eben in der linken Hand etwas hält und offenbar gar nicht wahrnimmt...er vergisst es einfach. Und eben diese Unruhe, die mich immer noch an manchen Tagen irriert. Seit einigen Tagen klettert er überall hoch, und lässt sich auch davon nicht abhalten. Vorhin habe ich eine Sekunde nicht aufgepasst: ein Schrei, er war von der Toilette gefallen, auf die er wieder gestiegen war, blutete, während der folgenden 1/4 Stunde ist er noch 4 Mal mit dem Kopf gegen die Tür vom Bad gelaufen, also immer wieder angestoßen aus Unvorsicht und unternahm sofort die nächsten Kletterversuche auf's Klo. Ich weiß nicht, ob ich mir da zu viele Gedanken mache, aber ich finde das alles auffällig und weiß im Moment auch nicht, wie ich ihm helfen kann, z. b. etwas ruhiger zu werden. Ich habe immer nur den Vergleich zu seinem Bruder, der sich mittlerweile sehr gut und vor allem sehr schnell entwickelt. Er ist inzwischen schon viel interessierter an allem, versteht sehr viel und spricht sehr viel. Wie schätzen Sie das ein? Tut mir leid, dass es so viel geworden ist. Vielen Dank.
Sie beschreiben das, was wir heute mit "Wahrnehmungsstörungen" bezeichnen. Besser wäre die Bezeichnung "Wahrnehmungsverarbeitungsstörung". Sinneswahrnehmungen werden zwar aufgenommen, aber nicht optimal verarbeitet und interpretiert, so dass auch die Reaktion darauf nicht präzise ausfällt. Das läßt sich gut durch eine periventrikuläre Leukomalazie erklären, bei der die Verbindungsnervenbahnen zwischen den verschiedenen Hirnregionen beschädigt sind. Außerdem fällt die Konzentration schwer, da die Fähigkeit beeinträchtigt ist, für eine Handlung nicht so entscheidende Sinneseindrücke auszublenden. Solche Kinder brauchen eine klar strukturierte Umgebung und liebevolle Förderung, aber keine Überforderung. Dann wird es nur noch schlimmer.
Mitglied inaktiv
Vielen Dank für Ihre Antwort! Ich habe auch in die Richtung gedacht. Und auch vielen Dank für die klare Antwort in dem anderen Beitrag, in dem sie über die Entstehung einer PVL schrieben. Sie galt zwar nicht mir, aber ich hätte auch gerne so eine kurze Information vor 1,5 Jahren bekommen. Wir haben in 2 Wochen einen Termin im SPZ, dort werde ich die Auffälligkeiten noch einmal beschreiben. Zu meinem Sohn muss ich sagen: er ist trotz seiner motorischen Unruhe ein richtiger Sonnenschein und wickelt die Leute mit seinem Charme um den Finger. Die meisten sind halt erfreut, wenn sie so einen Dreikäsehoch (er ist klein für sein Alter) mit so einer Energie durch die Gegend flitzen sehen. Seit der Entlassung der zwei war uns Zuhause klar, dass Struktur das wichtigste ist, das sie brauchen. Nach dem Ärztemarathon im ersten Lebensjahr, der anstrengend genug für uns alle war, ist mehr Ruhe eingekehrt. Hier hat alles einen klaren Ablauf, nicht einmal ferngesehen wird. Im ersten Jahr habe ich jeden Tag mit beiden geturnt; irgendwie scheint einen als Mutter auch das schlechte Gewissen anzutreiben, da man sich irgendwie dafür verantwortlich fühlt, dass sie zu früh zur Welt gekommen sind und so viel durchmachen mussten. Ich habe mich oft gefragt, ob ich vielleicht zu wenig auf seinen Bewegungsdrag eingehe, und ob der Ablauf für ihn einfach zu langweilig ist. Aber an besonders chaotischen Tagen, an denen er sich unentwegt gestoßen hat oder gefallen ist, stand ich wie vor einem Rätsel und dachte nur immer: "das ist nicht normal." Es tut mir auch so leid, weil ich ihn gar nicht davor bewahren kann. Sein Bruder ist ja auch mobil. Das macht die Beaufsichtung manchmal einfach schwierig. Das einzige, was wirklich hilft, ist Musik. Seitdem wir gemeinsam tanzen, also ich ihn in den Arm nehme und wir zu seiner Lieblingsmusik (Reggae)tanzen, ist er viel entspannter geworden. Manchmal schlief er mir sogar dabei ein. Ich habe mir einfach gesagt, das ist sowas wie vestibuläre Stimulation, das hilft bestimmt. Beim Bücher gucken lasse ich ihn inzwischen auf die einzelnen Bilder zeigen und sage dann, was ich sehe. Das belustigt ihn total. Ich bin überhaupt ständig auf der Suche nach Ideen, wie ich ihm helfen kann, da ich Angst davor habe, dass es aufgrund seiner eingeschränkten Aufmerksamkeitsspanne zu einer Entwicklungsverzögerung kommen kann. Trotz allem bin ich mir sicher, er wird mit seiner Persönlichkeit immer punkten. Und alles, was ihm Spaß macht und was hilft, werde ich auch mit und für ihn tun. Eine konkrete Frage tut sich mir da gerade noch auf: Wenn ich mir vorstelle, dass bei einer PVL der Reiz nicht weitergeleitet werden kann, wie lassen sich dann überhaupt noch Verknüpfungen herstellen? D. h. kann man früh auftretende, hirnorganisch bedingte Wahrnehmungsstörungen noch kompensieren, wenn praktisch die Schranke (PVL) eine Reizweiterleitung praktisch gar nicht zulässt? Und vor allem dann, wenn beidseitig eine Beeinträchtigung vorhanden ist? Entschuldigen Sie, ist leider ein Roman geworden. Ich werde mich beim nächsten Mal kürzer fassen. Vielen Dank. Und ein großes Lob für Ihre Arbeit hier!
Die Verbindungen sind zwar verengt aber nicht unterbrochen! Verglichen mit dem Straßenverkehr: Außerhalb der Hauptverkehrszeiten sieht man keinen Unterschied. Stau gibt es nur im Berufsverkehr.
Mitglied inaktiv
Vielen Dank.
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