LisaK.
Hallo, was mich einfach mal generell interessieren würde: Wenn man eine Frühgeburt hat und das Baby liegt dann in einem Inkubator: Dürfen es die Eltern anfassen, oder ist es zu gefährlich, dass das Kind sich mit irgendwas ansteckt? Und sollten die Eltern dann die ganze Zeit bei dem Kind sein, oder sehen sie es nur ein paar Stunden am Tag? Schlafen die Eltern auch bei ihrem Kind? Und ganz allgemein: Wie wichtig ist für das Frühgeborene körperliche Nähe durch die Eltern?
Fachärztin Louise-Caroline Büttner
Guten Tag, grundsätzlich und vorneweg: Ja, die körperliche Nähe der Eltern ist für ein Frühgeborenes sehr wichtig. Wie übrigens auch für ein Reifgeborenes. Nur dass ein Reifgeborenes die Zeit, die ihm zusteht, d.h die Dauer der Schwangerschaft, "in" seiner Mutter verbracht hat. Diese Zeit der Schwanderschaft fehlt dem Frühchen. Um den Kontakt zwischen Eltern und ihrem frühgeborenen Kind zu ermöglichen, gibt es immer mehr Konzepte, diesen Kontakt in der täglichen Pflege und Versorgung der Frühgeborenen herzustellen. Zum Beispiel EFIB=das Entwicklungsfördernde Familienzentrierte Individuelle Betreuungskonzept für Früh- und Neugeborene. Es beruht auf Erkenntnissen, die gezeigt haben, dass ein wesentlicher Teil der Entwicklung des Gehirns beim Feten in einem Gestationsalter von 23 Wochen bis zum Geburtstermin stattfindet. Während dieser Zeit werden die extrem unreifen Frühgeborenen im Inkubator auf einer Intensivstation versorgt. Die Entwicklung des Gehirns ist wesentlich abhängig von der Einwirkung verschiedener Reize. Außerdem muss die Möglichkeit bestehen, diese Reize zu verarbeiten. Wenn diese Möglichkeiten nicht gegeben sind, besteht bei sehr unreifen Frühgeborenen ein hohes Risiko zu Fehlentwicklungen, weil die einwirkenden Reize auf der Intensivstation nicht physiologisch, d.h. natürlich sind. Konkret bedeutet dies, auch im Bezug auf Ihre Fragen: Wenn das Frühchen auf einer Intensivstation liegt, kann man als Elternteil dort nicht neben seinem Kind schlafen. Die meisten Kliniken bieten aber ein Elternzimmer oder -wohnheime an, so dass man in der Nähe seines Kindes wohnen kann. Sie können in der Regel so oft zu Ihrem Kind, wie Sie wollen (Übergabezeiten und Notfälle auf der Station ausgenommen). Wenn das Frühbeborene nicht zu den Extremfrühchen gehört und auf einer neonatologischen Normalstation liegt, gibt es Kliniken, die Mütter als Begleitperson aufnehmen können. Dann schläft man direkt neben seinem Kind. Aktuell, in der Corona-Zeit, haben die Kliniken geänderte Besuchsregeln, die eingehalten werden müssen. Meistens sprechen sich die Eltern mit der betreuenden Pflegekraft ab, wann die nächste Versorgungsrunde ihres Kindes ist. Dann können die Eltern dazukommen und, je nach Zustand des Frühchens, zusehen oder sogar mitmachen. Bei Frühchen auf einer Intensivstation kommt es sehr darauf an, in welcher Woche es geboren wurde und wie es ihm geht. Ein Frühgeborenes der 23.SSW hat eine sehr unreife Haut, braucht viel Wärme und Feuchtigkeit um nicht auszukühlen. In der Regel müssen diese Kinder auch beatmet werden. Oft haben sie Kreislaufprobleme. Das alles führt dazu, dass sie nur bei geschlossenem Inkubator versorgt werden, d.h. nur durch die Klappen an den Seiten.Die Versorgungsrunden werden so kurz wie möglich gehalten, damit die Klappen nicht zu lange offen sind. In einem solchen Fall ist es natürlich nicht möglich, dass die Eltern die Hand lange auf ihr Kind legen und es berühren können. Aber die Anwesenheit der Eltern ist dennoch wichtig. Sie können mit Ihrem Kind reden und ihm z.B. etwas vorlesen. Sie müssen aber bedenken, dass Sie nur für Ihr Kind da sein können, wenn es Ihnen auch gut geht. Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern Pausen machen, die Station verlassen und essen, trinken und schlafen, so banal das auch klingen mag. Es hängt im Grunde immer vom Krankheitsbild des jeweiligen Frühchens ab, wann die Eltern das sog. Känguruing durchführen können. Dabei wird ein Frühgeborenes oder ein Reifgeborenes Haut an Haut auf den Oberkörper eines Erwachsenen gelegt. Ich hoffe, ich konnte all Ihre Fragen beantworten. Ansonsten können Sie mir gerne schreiben. Mit freundlichen Grüßen, Louise-Caroline Büttner
Die letzten 10 Beiträge
- Wachstumsretardierung und Oligohydramniom
- Langzeitfolgen
- Lungenreife ab SSW 25+0 und niedrigem Gewicht
- Behandlungsfehler Frühgeburt 35+4
- Frühchen 27+1 mit offenem Duktus - Stillen
- "Trauma" durch Magensonde/High Flow Brille
- Frühchen 35ssw
- Dünne Gebärmutterwand
- Frühchen 35+6
- Rückflug Frühgeburt von den Kanaren