ich hätte auch mal eine frage: bei meinem kind wurde eine sensorische integrationsstörung festgestellt (3 jahre). sie hat probleme mit dem gleichgewicht, tiefenwahrnehmung und taktilem bereich. sie ist auch ca. ein halbes jahr deswegen mit der entwicklung hinten nach. jetzt hab ich schön öfters gelesen auch in dem buch "bausteine der kindlichen entwicklung von jean ayres", das solche kinder zu 90 % in der schule probleme mit dem lesen, rechnen und schreiben haben und oft in der sonderschule landen. ich bin darüber sehr erschrocken. ist das wirklich der fall, muß ich auch damit rechnen? ich wäre sehr dankbar für Ihre meinung!
Mitglied inaktiv - 01.10.2002, 20:36
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si-störung
Liebe Karin, liebe Angie, das Problem von Frau Ayres war, daß sie keine fundierten Kenntnisse über die Hirnfunktion besitzen konnte. Erstens waren diese zu ihrer Zeit größtenteils noch gar nicht bekannt, zweitens hat sie sich dem Problem überwiegend von der psychologischen, d.h. beobachtend-empirischen Seite genähert. Auch heute sind viele Zusammenhänge von Wahrnehmung, Handlungsplanung, Fühlen und Denken noch gar nicht bekannt. Daher ist es nicht erlaubt, Prognosen für das ganze spätere Leben abzugeben, die sich aus Entwicklungsproblematiken im Bereich der sensomotorischen Integration ableiten. Z.B. ist im Schema von Ayres die pauschale Integration von Gleichgewichtsproblemen in sozial adaptives Verhalten oder strategische Handlungsplanung überhaut nicht plausibel. Nur über das Selbstbewußtsein diese Verbindung aufzubauen klingt aber zu sehr nach "alles hängt irgendwie mit allem zusammen". Das erklärt nichts. Z.B. gibt es Kinder mit Hydrocephalus und Gleichgewichtsproblemen (Vestibularorgan), die Abitur gemacht haben und ist die infantile Cerebralparese mit ihren schweren statomotorischen Koordinationproblemen in keiner Weise prädestinierend für die Sonderschule. Auch die ständige Heranführung der taktilen Wahrnemungsschwäche besagt zunächst einmal nichts über die Intelligenz. Lassen sie sich also bitte nicht verunsichern. Die besondere Leistung von J. Ayres liegt darin, das neurophysiologische Prinzig der integrativen Entwicklung im statomotorischen Bereich (sensomotorische Integration) und im Wahrnehmungsbereich (sensorische Integration) schon früh erkannt zu haben. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 02.10.2002
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Auch noch eine Frage an den Doc: Bei meinem Sohn, 5 3/4, wurde dasselbe diagnostiziert, wobei ich aber eigentlich nur eine Problematik des Gleichgewichts sehe (muss dazu sagen, dass er seit seinem 2. LJ ständig Probleme mit den Ohren mit langdauernden Paukenergüssen hatte - sehen Sie hier einen Zusammenhang mit Gleichgewicht??). Er liest bereits Wörter, in denen er alle Buchstaben kennt (kennt ca 60 % der Buchstaben), rechnet im Raum bis 10 ganz akzeptabel, z.T. eben noch mit Fingern, und schreibt Wörter wie seinen Namen, Mama, Papa, Oma und sonstige im bekannte Namen. (kommt in einem Jahr in die Schule)
Er fährt Rad ohne Stützräder, Roller, Inliner, schwimmt frei, klettert, fährt Ski, ist aber manchmal etwas ungeschickt, wenn es um koordinierte Bewegungnen geht, wie z.B. Hampelmann machen (und eben beim Balancieren).
Wie würden Sie das einschätzen, wird er Probleme kriegen?
Mache mir schon sehr oft Sorgen, wie seine Entwicklung wohl weitergehen wird.
Mitglied inaktiv - 01.10.2002, 22:08
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si-störung
Sehr geehrter Herr Dokter Posth,
vielen Dank, Ihre Antwort hat mir sehr geholfen und mich beruhigt. Als Laie ist man doch immer versucht, dem gedruckten Wort eines "Spezialisten" großen Wert einzuräumen. Ihre Meinung bestärkt mich darin, "Spezialistenwissen" zu hinterfragen und zu realisieren, dass es zu verschiedenen Problemen eben auch verschiedene Meinungen und Lösungsansätze gibt. (Was nicht heißt, dass ich mir nicht weiterhin auch aus Büchern wie dem von Jean Ayres das Positive herauspicken und meinem Kind damit versuchen werden zu helfen, seinen Problemen entgegenzuwirken)
Mitglied inaktiv - 03.10.2002, 14:31