Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Rüdiger Posth:

Ödipus?

Dr. med. Rüdiger Posth

Dr. med. Rüdiger Posth
Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

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Frage: Ödipus?

Mitglied inaktiv

Lieber Dr. Posth, nachdem Sie mir schon ein paar Fragen zu meinem jüngsten Sohn beantwortet haben (Vielen Dank dafür!), geht es heute um den Großen. Lennart wird im September drei Jahre alt. Mein Mann hat sich von Anfang an viel um ihn gekümmert, seit das Baby (acht Monate) da ist, sogar noch mehr. Lennart war nie ein Mama-Kind, er ist schon sehr selbständig und eher ein kleiner „Wilder". Ich sage immer, seit er gelernt hat sich fortzubewegen, strebt er von uns weg auf der Suche nach Neuem. Seit einigen Wochen will er aber alles nur noch mit Mama machen", egal ob Zähneputzen, auf’s Klo gehen, essen. Papa ist abgeschrieben, es gibt ständig ein Mega-Gebrüll, wenn mein Mann versucht, mit Lennart Zähne zu putzen, ihn umzuziehen u.a. Da sich bei uns die Zuständigkeiten schon sehr eingeschliffen haben (ich kümmere mich um den Kleinen, er um den Großen), haben wir versucht, das ein wenig zu ändern, was alles eher schlimmer gemacht hat. Lennart empfängt seinen Papa abends nicht mehr freudig, sondern mit den Worten „Du sollst nicht kommen. Du sollst wieder weg gehen!" Gestern morgen wollte er ihn nicht am Frühstückstisch haben, mein Mann sagte, er wohne hier, darum dürfe er auch hier frühstücken. Darauf Lennart: „Du sollst nicht hier wohnen, du sollst woanders wohnen!" Ist das jetzt etwa schon die ödipale Phase? Ich habe eigentlich nicht geglaubt, daß es die wirklich gibt, aber wenn, sollte die doch erst mit vier kommen, oder? Unsere Frage ist eigentlich, ob es sich um eine „normale" Entwicklungsphase eines zur Zeit sowieso recht schwierigen Trotzkindes handelt, oder ob dahinter vielleicht ein schwerwiegenderes Problem steckt. Und wie sollen wir schlauerweise reagieren? Noch mehr Mama oder besser noch mehr Papa? Wir hatten schon überlegt, daß Vater und Sohn mal zu zweit was ganz tolles unternehmen sollten. Mein Mann ist natürlich nicht sehr glücklich mit der Situation. Milena


Liebe Milena, präödipal, ödipal, das sind Vokabeln der Psychoanalyse nach S.Freud. Wie Sie wissen, hat Freud sich nie intensiv mit Kindern beschäftigt (außer mit seinen eigenen v.a. Anna, die er später! analysiert hat). Das Ödipuskonzept ist heutzutage eher "bildlich" zu verstehen. Daß Konkurrenzsituationen in diesem Altersabschnitt zwischen den gleichgeschlechtlichen Kinder und ihren Elternteilen auftreten, das kommt schon vor, nur libidinös ist das sicher nicht. Meist stellt sich die Situation so dar, daß das jüngste Geschwisterkind nun mit zunehmender Mobilität den Wohnungsraum einnimmt und dem älteren Geschwisterkind den Rang streitig macht. Da das letztere aber die Mutter auch einmal als primäre Bezugsperson angesehen hat und nun zurückstehen muß, keimt in ihm ein Konflikt auf. Da hilft manchmal auch der Vater nichts, den Ihr kleiner Sohn mit seinen Ablenkungs- und Beschwichtigungsversuchen sogar noch als "gegenparteiisch" empfindet. Ich glaube, das beste wäre es, wenn Sie als Mutter sich in günstigen Augenblicken mal Ihrem Älteren wieder intensiv zuwenden. Dann wird bald auch der Vater wieder mehr gelitten sein. Grüße


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