Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Lügengeschichten 🙃😉

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Lügengeschichten 🙃😉

Sommer39

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Guten Tag Frau Henkes, unsere Tochter(6Jahre) ist seit einigen Wochen eingeschult. Schon vor der Einschulung hat sie mal Geschichten aus der Kita oder von Freunden erzählt, bei denen wir uns und sie gefragt haben, ob dies auch war sein könnte. Die Auflösung kam manchmal sehr spät mit einem Grinsen. Heute gab es eine Geschichte aus der Schule über ein neues Mädchen, das tatsächlich aktuell nur englisch spricht, weil es gerade aus Peru kommt. Auf dieses Mädchen war unsere Tochter am WE gespannt neugierig. Unsere Tochter war heute müde vom WE. Sie erklärte, sie habe Angst vor der Schule. Schule sei so anstrengend. Nach der Schule berichtete sie klagend, bitterlich weinend, dass die Neue sie nerven würde, weil sie immer nur die ganze Zeit englisch reden würde und auch immer reinreden würde ohne aufzuzeigen. Auf dem Schulhof wäre sie mal alleine mit ihr gewesen. Die Neue hätte sie auf englisch so angeschrien, dass sie nichts besseres wusste als wegzulaufen. Es sei kein Lehrer/Erzieher der Klasse auf dem Schulhof gewesen, dem sie vertraut hätte. Wir haben heute zufällig einen Erzieher aus der Klasse getroffen. Auf seine Frage, wie es uns gehe, habe ich ihn im Beisein unserer Tochter auf die Situation angesprochen und gemutmaßt, dass die Mädchen untereinander evtl noch mehr Unterstützung wegen der Sprache brauchen. Es ist bekannt, dass unsere Tochter noch sehr schüchtern ist. Der Erzieher erklärte, dass die Neue selbst noch sehr schüchtern sei und sicher alle noch Hilfe bräuchten. In diesem Moment erklärte unsere Tochter, dass sie mich einfach veräppelt habe und nichts von dem Gesagten wahr sei. Bei dieser Version blieb sie den ganzen Tag. Wir gingen lachend auseinander. Ich habe darüber nachgedacht, warum unsere Tochter solche Geschichten so glaubwürdig erzählt. Ich habe ihr gegen Abend erklärt, dass es auch ok sei, dass sie einfach mal einen müden Tag haben könnte und sie alles nerve. Deshalb müsse niemand Anderes Schuld sein. Wir haben auch besprochen, dass es für uns schwierig ist herauszufinden, was wahr ist und was nicht. Wir haben an diesem Tag viel gekuschelt. Sie hat auch erklärt, dass sie mich sehr vermisst hat.  Meine Frage an Sie ist, was es mit diesen sehr glaubwürdig wirkenden Geschichten auf sich hat. War diese evtl doch wahr und unsere Tochter wollte nicht, dass ich dem Erzieher erzähle, was los war? Vielleicht passt dazu auch, dass sie sich zuhause manchmal vergleicht und besser macht als sie ist. Z.B. Ich kann xy viel besser als P, Gibt  es etwas worauf wir achten können?   Herzliche Grüße   


Ingrid Henkes

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Guten Tag, Sechsjährige benutzen Lügen oft noch, um sich selbst gegenüber anderen aufzuwerten. Dabei hilft eine rege Fantasietätigkeit. Gerade wenn Ihre Tochter sehr schüchtern ist, benutzt sie möglicherweise Lügengeschichten. Eventuell werden andere Kinder darin als negativ dargestellt, weil sie sich dann besser als diese fühlen kann. Vielleicht ist Ihre Tochter auf das englisch sprechende Mädchen auch neidisch, weil es auf die Klasse einen besonderen Eindruck macht. Den Neid würde sie dann mit dem negativen Bericht über dieses Mädchen kompensieren. Für Ihre Tochter ist es hilfreich, wenn Sie den Lügen nicht zu große Bedeutung beimessen. Bei Sechsjährigen sind Moralvorstellungen noch nicht gefestigt. Ihre Tochter gibt die Lügen im Nachhinein zu. Das ist wichtig. Ich denke, Sie gehen in solchen Situationen angemessen auf Ihre Tochter ein. Indem Sie ihr schildern, dass Sie ihr nichts glauben können, wenn sie Sie anlügt, zeigen Sie ihr das verbundene Dilemma auf. Sie will sich Ihre Liebe und Anerkennung sichern und lernt, dass sie das mit Lügen nicht erreicht. Zudem ist es für Ihre Tochter sicher wichtig, die Entwicklung des Selbstwertgefühls zu unterstützen. Wenn sie mit sich zufrieden sein kann, wird sie auch ihre Schüchternheit ablegen. Der erste Schritt dazu ist, dass Sie ihr vermitteln, wie toll sie für Sie ist. Wenn Ihre Tochter das genügend verinnerlicht hat, kann sie sich selbst als wertvoll annehmen. Mit freundlichen Grüßen Ingrid Henkes


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