Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Rüdiger Posth:

Förderung - wie viel ist sinnvoll?

Dr. med. Rüdiger Posth

Dr. med. Rüdiger Posth
Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

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Frage: Förderung - wie viel ist sinnvoll?

Mitglied inaktiv

Sehr geehrter Dr. Posth, seit PISA sind die Medien voll von Beiträgen zur Förderung von Kleinkindern, siehe auch Bücher wie Donata Elschenbroich, Das Weltwissen der Siebenjährigen. Ich habe versucht, mir eine eigene Meinung zu bilden, stoße aber auf Grenzen. Wie sehen Sie das denn? Sollten Eltern ihren Kindern bereits im Alter von drei bis sechs tatsächlich viel mehr Lernerfahrungen in Richtung Lesen, Schreiben, Fremdsprachen, Naturwissenschaften anbieten? Ist das bisherige Konzept unserer Kindergärten tatsächlich nur "Kuschelpädagogik"? Soll man Kinder von drei bis sechs tatsächlich viel mehr intellektuell fordern? Beste Grüße Karin


Stichwort: Wissen und Weltverständnis Liebe Karin, das Schöne bei den Kindern ist, daß sie Lernen und spielend Erfahren und Erkennen prinzipiell nicht auseinanderhalten. Sie empfinden jedes Wissen noch als Bereicherung ihrer Person und nicht als Belastung. Insofern sind Kinder also sehr neugierig und wissbegierig. Im Elternhaus, aber auch in den Kindergärten sollte man diese Eigenschaft von Kindern aufgreifen und positiv umsetzen. Dazu bedarf es eigentlich gar keines speziellen Programms. Es genügt, wenn man vorliest, Märchen erzählt, Rollenspiele macht, gemeinsam kleinere Projekte anpackt, bastelt, Lieder singt, über Musik redet oder spontan Musik auf Phantasieinstrumenten macht, usw. Ob man auch eine zweite Sprache ausprobiert oder sogar richtig lernt, wenn es denn auch in der tatsächlichen Lebensumgebung sinnvoll und nützlich erscheint, bleibt jedem selbst überlassen. Merkt man beim Kind Überforderung, beendet man die Sache. Ansonsten wird das Kind auch daran seinen Spaß haben. Das Entscheidende ist, daß man neben Austoben und Freiheit genießen auch das gemeinsame Erfahren und Wissenaneignen als wesentlichen Bestandteil der Freizeitgestaltung ansieht und es den Kindern vermittelt. Wie gesagt, es darf nicht darum gehen, maximale Leistung aus Kindern herauszuholen, vor allem, wenn ein solches Bestreben nicht vom Kind selbst kommt. Es geht darum, daß der Wissendurst von Kindern gestillt werden soll und daß das Kind Anreiz und Ansporn bekommt, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen, auch und gerade wenn es in diesem Bereich ein wenig den anderen hinterherhinkt. Das verstehe ich auch als Auftrag an die Kindergartenpädagogik. Viele Grüße


Mitglied inaktiv

Hallo Karin, wir leben seit 2 Jahren in Hong Kong und meine Kinder gehen beide in einen Montessori Kindergarten bzw. Pre-School wie man es hier nennt. Es wird unheimlich viel mit den Kindern gemacht, zB singend das Alphabet, die Kontinente, Buchstabenlaute usw gelehrt, dh die Kinder lernen hier ohne es wirklich zu merken. Sie werden auch angehalten gewisse Dinge, die sie schon koennen zu vertiefen, wie zB den Namen selbst auf das gemalte Bild schreiben. Es werden auch bestimmte Themen behandelt, wie zB Dinosaurier, Entstehung der Welt, Regen, Lauf des Lebens (mit Stammbaumbasteln) usw. Darueberhinaus bemerke ich auch, dass die Kinder unheimlich viel wissen wollen und mir unheimlich viele Loecher in den Bauch fragen je mehr sie im Kindergarten gelernt haben, sie wollen ihr Wissen von mir verifiziert bekommen. In diesem Alter wollen sie eben auch so unheimlich viel wissen und ich denke, so lange es ihnen Spass macht, viel zu lernen bin ich froh, dass sie hier die Moeglichkeit haben, denn in Deutschland kommt mir der Kindergarten wirklich zu lasch vor. Meine Kinder sprechen zuhause deutsch und niederlaendisch, im Kindergarten English und sie haben darueberhinaus 0.5h Mandarin (also Chinesisch) Unterricht. Auch nehmen sie an einer speziell fuer nicht-Muttersprachler in Englisch ausgerichteten Unterrichtseinheit teil. Es macht ihnen Spass und ich bin froh, dass meine Kinder schon frueh sehr viel lernen duerfen.


Mitglied inaktiv

Aber MUSS denn ein Kind bereits im Kindergartenalter mit 4 Sprachen hantieren, nur damit es später ein Abi in der europäischen Norm schafft (obwohl es vielleicht lieber nach 10 Schuljahren 'ne Bäckerlehre machen will). Ich finde, man kann's auch übertreiben mit der Frühförderung. Klar, wenn man glaubt, bei seinem Kind besondere Neigungen zu entdecken, kann man wohl versuchen, dem Kind eine Förderung in der Richtung anzubieten, aber immer in Maßen und KINDGERECHT, nicht auf den Ehrgeiz der Eltern zugeschnitten. Klar gibt es Dinge, für die sich die meisten Kinder in dem Alter interessieren (Buchstaben, Zahlen, "Weltwissen") und da finde ich es auch richtig und gut, den Kindern diese Dinge nicht bis zum Schulalter "vorzuenthalten". Aber auch das Erlernen des Alphabets sollte bei Vorschulkindern ohne Erfolgsdruck stattfinden, eher spielerisch. Ach übrigens, gestern habe ich in den Nachrichten was von einer neuen Studie gehört, die besagt, daß unsere Kinder im europäischen Vergleich bis zum Ende des Grundschulalters auf Platz 11 von 35 liegen, was die Lese- und Rechenfähigkeiten betrifft... LG, Sima


Mitglied inaktiv

Hallo Sima, uebe keinen Druck aus und will auch nicht meinen Ehrgeiz befriedigen oder europaeische Normen erfuellen. Selbst wenn meine Kinder eine Baeckerlehre anstreben wollen, dann sollen sie dies tun, aber dann habe ich Ihnen wenigstens verschiedene Moeglichkeiten (durch ihren Wissensgrundstock) mitgegeben. Man muss allerdings auch mal sehen, dass vieles in Deutschland 'zu behuetet' angegangen wird und jeder dem anderen gleichgemacht werden soll. Das zeigt sich ja auch an den unendlichen Hochbegabungsdiskussionen. In den Schulen soll man sich am besten an den schlechtesten Schuelern orientieren, damit diese nicht frustriert sind. Aber was wird aus denen, die eben schon mehr koennen?! Sind die eben frustriert... Das Leben ist eben nicht so einfach gestrickt. Und in anderen Kulturen bzw. im groessten Teil dieser Welt geht es nunmal anders ab als in Deutschland. Sobald meine Kinder den Wunsch aeussern sollten, sie moechten kein Chinesisch mehr lernen, werde ich ihnen diese halbe Stunde pro Woche ersparen und sie aus dieser Gruppe nehmen, aber da es ihnen bisher Spass macht moechte ich ihnen diese Moeglichkeit eben auch nicht vorenthalten. Niederlaendisch sprechen sie mit ihrem Vater, es ist also eine ihrer Muttersprache, es kommt ihnen nicht fremd vor und deutsch sowieso nicht, somit ist also 'nur' Englisch als 3. Sprache sozusagen hinzugekommen, weil wir nun - so leid es mir tut aber ich werde ihnen zumuten muessen diese Sprache zu lernen - in einem englischsprachigen Umfeld leben. Sie spielen ganz ungezwungen mit anderen Kindern und fuehlen siech durch ihr Sprachvermoegen auch gleich 'zuhause'. Chinesisch ist (noch) Spielerei und wenn sie es vertiefen moechten, bitte sehr, ich moechte nicht im Wege stehen! Ich weiss, fuer deutsche Ohren klingt das nach Rabenmutter, die ihren Kindern zuviel abverlangt. Aber ich denke als Mutter kann man am besten abschaetzen, wann es einem Kind zuviel ist oder nicht und sei bitte versichert, ich habe 2 wunderbare, unterschiedliche Kinder, die unterschiedliche Interessen haben und Spass an dem haben was sie machen. Alles Gute


Mitglied inaktiv

Klar wäre es schön, wenn wir im Kiga so viel machen könnten ! Aber leider entsprechen die theoretischen Personalschlüssel im Regelkindergarten (in Hessen 1,5 Erz. auf 25 Kinder) nicht der Realität. Trotzdem werden solche Themen in den Gruppen behandelt. Jahrszeiten, die Uhr, andere Länder und deren Bewohner, Tiere, Wetter usw. usw. werden den Kindern in jedem Kiga spielerisch vermittelt. Wenn nicht, läuft was schief. Im übrigen kann ich nur sagen, daß die deutschen Grundschüler in vilen Studien gut abschneiden. Dann können unsere Kindergärten ja nicht gar so minderwertig sein, oder ? LG, Iris


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