Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Dreijährige auf einmal verändert

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

zur Vita

Frage: Dreijährige auf einmal verändert

MamaAmeisenbär

Beitrag melden

Hallo Frau Henkes, Meine bald dreijährige Tochter steckt seit ca. 3 Wochen in einer schwierigen Phase und ich weiß langsam nicht mehr weiter und bin nur noch genervt. Am schlimmsten ist das Essen. Sie schreit, jammert, motzt sobald das Thema Essen aufkommt. Sie möchte nichts essen, weil sei es ja nicht mag aber sie hat ja so Hunger. Es schmeckt ihr nicht und sie schreit teilweise das komplette Essen lang durch. Am Ende isst sie es und isst auch gut. Sie verweigert den gesamten Tag alles. Sie hat null Motivation überhaupt das Haus zu verlassen. Sie verlangt nur noch nach Mama. Ich kann langsam aber nicht mehr. Ich habe plötzlich ein Schreikind zuhause, dass bei jeder Gelegenheit des Tages nur rumnölt.  Sie zeigt keine Freude mehr, spielt sehr selten, hat große Schwierigkeiten bei den kleinsten Übergängen und ich weiß einfach nicht wieso. Könnte es ein Wachstumsschub sein? Gibt es in diesem Alter schon Depressionen? Die Kinderärztin nimmt mich natürlich nicht ernst. Aber es ist wirklich extrem. Jeder Ihrer Sätze beginnt mit "nein". "Nein, ich mag spielen. "Nein, ich hole meine Puppe." Sie scheint durchgehend wütend. Wenn ich mich nur eine Sekunde mit meinem Mann unterhalte, tickt sie völlig aus. Wir müssen den Raum verlassen, um reden zu können. Sie ist nicht ungezogen und akzeptiert Regeln sehr gut. Aber da haben wir keine Chance. Körperpflege verweigert sie komplett. Wir ziehen es natürlich dennoch durch. Sie entwickelt wohl auch Neurodermitis und kratzt sich wie verrückt, wenn sie schreit. Sie scheint psychisch völlig aus der Bahn geworfen zu sein und ich weiß einfach nicht warum. Meinen Sie ich sollte noch abwarten, ob es sich nach ein paar Wochen bessert, falls doch ein Schub dahinter steckt oder an welche Stelle kann ich mich wenden? Ich arbeite seit fast 3 Monaten wieder und sie hat nun einen anderen Tagesablauf und wir teilen die Betreuung zwischen Oma  Papa und mir auf. Jede Woche läuft allerdings gleich ab. Es gibt keine täglichen Veränderungen.  Im Allgemeinen trotzte sie bis jetzt eher wenig und wir haben eine enge Bindung und kommunizieren viel miteinander. Sie scheint such Sachen "verlernt" zu haben und möchte viel Baby sein, aber auch nicht. Ihr Verhalten ist ein ständiger Widerspruch. Entschuldigung für die Länge und danke für Ihre Einschätzung.


Ingrid Henkes

Ingrid Henkes

Beitrag melden

Guten Tag, vermutlich ist Ihre Tochter aktuell in der Trotzphase. Darauf deutet das häufig geäußerte Nein hin. Sie will ihren Willen durchsetzen, weiß aber aufgrund ihrer heftigen damit verbundenen Gefühle nach einer Weile nicht mehr, was sie will. Daher beobachten Sie ein widersprüchliches Verhalten. In dieser Phase benötigt Ihre Tochter ihre Unterstützung. Auch wenn sie das vehement ablehnt, ist sie auf Ihre Hilfe bei der Regulierung angewiesen. Versuchen Sie, liebevoll aber konsequent zu bleiben. Wenn sie nicht essen will, muss sie das nicht. Wenn sie Hunger hat, gibt es das Essen, das auf dem Tisch steht. Sie können ihr auch spiegeln: "Du weißt selber nicht mehr, was du willst. Deshalb helfe ich dir jetzt mal, damit du dich leichter beruhigen kannst." Sie müssen das Verlassen des Hauses nicht davon abhängig machen, ob eine unter Dreijährige das möchte. Sie müssen auch nicht den Raum verlassen, wenn Sie mit Ihrem Mann sprechen möchte. Ihre Tochter muss dann kurz in ihr Zimmer. Es ist für Sie alle hilfreich, wenn Sie bei vielem großzügig sind. Die Körperpflege ist dann eine Weile nicht so gründlich. Ihre Tochter braucht die Erfahrung, dass sie in manchem ihren Willen bekommt. Das ist für die psychische Entwicklung sehr wichtig. Sie muss aber auch lernen, das Sie die Regeln vorgeben, an die sie sich halten muss. Sie braucht die Sicherheit, dass Sie ihr tyrannisches Verhalten nicht dulden und sie wirksam begrenzen können. Das gibt Ihrer Tochter die Sicherheit, dass sie sich an Ihnen orientieren kann und Halt findet. Auch wenn sie dagegen opponiert, muss sie sicher sein, dass Sie wissen, was zu tun ist und ihr helfen, ihren Konflikt zu lösen. Für Ihre Tochter ist es zudem von Bedeutung, dass sie spürt, dass ihr Ihre Liebe trotz ihres oppositionellen Verhaltens erhalten bleibt. Diese Entwicklungsphase ist sehr anstrengend für alle Beteiligten. Aber wenn Ihre Tochter die anstehenden Entwicklungsaufgaben mit Ihrer Hilfe bewältigt hat, wird sich ihr Verhalten wieder ändern. Eine Depression müssen Sie nicht befürchten. Die gibt es bei Kindern in diesem Alter nur unter äußerst belastenden Lebensbedingungen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.